Sonntag, 12. Juni 2005

Fidel Castro Ruz schickt diesem zweiten Gipfeltreffen des Südens eine Botschaft

Der Präsident des Staatsrates und der Regierung der Republik Kuba, Fidel Castro Ruz, schickt diesem zweiten Gipfeltreffen des Südens eine Botschaft, die ich im Folgenden verlesen werde:

Exzellenzen!



Ich wäre gern bei dieser transzendenten Versammlung mit euch zusammengekommen, welche gerade in Katar stattfindet, einem Bruderland, mit dem mich, ausgehend von den herzlichen und solidarischen Beziehungen, die wir mit seinem Volk, seiner Regierung und seinem Staatsoberhaupt geknüpft haben, tiefgehende freundschaftliche Gefühle verbinden.



Jedoch andere unaufschiebbare Angelegenheiten erlauben es mir nicht, zu diesem Treffen zu erscheinen. Wir begegnen den Versuchen der Regierung der Vereinigten Staaten einem notorischen, geständigen Terroristen Unterschlupf zu gewähren, der Flüchtiger der venezolanischen Justiz ist, Verantwortlicher der Explosion eines kubanischen Zivilflugzeuges während des Fluges und des Todes von 73 unschuldigen Menschen, unter vielen anderen schrecklichen Terrorakten.



Kuba ist in eine energische Anklagekampagne des Terrorismus vertieft, den unser Land während mehr als 45 Jahren erlitten hat und der unserem Land das Leben von Tausenden seiner Söhne und Töchter und unschätzbare materielle Verluste gekostet hat.



Wir kämpfen ebenfalls gegen die Straflosigkeit wegen der abscheulichen Verbrechen, die in unserer Hemisphäre unter dem Schutz der repressiven Programme wie dem so genannten „Operation Kondor“ in mehreren südamerikanischen Ländern begangen wurden, oder wegen der schmutzigen Kriege und Massenkampagnen zur Ausrottung in Mittelamerika, und um die wirklichen Schuldigen dieser monströsen Episoden aufzuzeigen. Ich musste Hunderte von hervorragenden Persönlichkeiten empfangen, betreuen und mit ihnen zusammenkommen, die unser Land in diesen Tagen besucht haben und von denen einige noch in Kuba weilen.



Die der Welt durch die neoliberale Globalisierung auferlegte Wirtschaftsordnung fordert von der Menschheit unerbittlich Dutzende Millionen Menschenleben in den ärmsten Nationen der Erde.



Niemals zuvor gab es auf der Welt eine so tiefgehende Ungleichheit und Ungerechtigkeit.



Die jetzige Weltwirtschaft schließt unsere Länder bei der Ausbeutung ein und bei der Entwicklung aus.



Solcherart Ordnung verhindert die Entwicklung der Länder des Südens, um das verschwenderische Konsumverhalten des Nordens, die Aggression auf die Umwelt und die beschleunigte Erschöpfung der Naturschätze des Planeten aufrecht zu erhalten. Der üppige Reichtum des Nordens ist Ergebnis der wilden kolonialen und neokolonialen Ausbeutung des Südens.



Die jetzigen Auslandsschulden der Länder der Dritten Welt wachsen weiter an, und trotzdem von 1982 bis 2004 insgesamt 5,4 Billionen Dollar gezahlt wurden, betragen sie jetzt 2,5 Billionen Dollar und dienen weiterhin als Instrument dafür, dass der Internationale Währungsfond wirtschaftliche Anpassung auferlegt, die gesellschaftlich katastrophal für unsere Länder ist.



Wir bekommen weiterhin den rhetorischen Diskurs über den freien Handel zu hören, aber die Zölle, welche die Vereinigten Staaten ihrer Einfuhr aus Ländern der Dritten Welt auferlegen, sind um 20 Mal höher als jene auf die entwickelten Länder angewendeten. Die wohlhabende Welt verbraucht jährlich 300 Milliarden Dollar an staatlichen Stützungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse, die den Ländern des Südens den Marktzugang verhindern, während sie mit Scheinheiligkeit vom freien Handel spricht.



Auf dem nicht regulierten Finanzmarkt sind die spekulativen Angriffe auf den Wechselkurs der Währungen etwas Gewöhnliches. Von unseren Ländern wird Informationstransparenz gefordert, während die Spekulanten sich hinter dem Geheimnis verstecken. Die Agenturen zur Risikobestimmung drohen unseren Ländern mit schlechten Bewertungen, nachdem sie US-amerikanische Unternehmen belohnten, die Protagonisten von betrügerischen Konkursen waren. Diese Realitäten sind Ausdruck einer Wirtschaftsordnung, die nur dazu auferlegt wird, die Interessen einer opulenten Minderheit zu verteidigen.



Das verschwenderische Konsumdenken steht auf verletzende Art und Weise in Kontrast zur Armut und droht, die Lebensbedingungen auf dem Planeten zu zerstören. Das Erdöl ist ein klares Beispiel dafür.



Der verheerende Verbrauch dieses wichtigen Energieträgers in den Vereinigten Staaten, wo ein Einwohner zwölf Mal mehr verbraucht als ein anderer in der Dritten Welt, hält eine steigende Nachfrage aufrecht, welche mit der Erschöpfung dieser lebenswichtigen, nicht erneuerbaren Ressource droht.



Mit nur 5 Prozent der Weltbevölkerung verbraucht dieses Land 26 Prozent des Erdöls.



Es muss mit vollkommener Klarheit und Entschiedenheit gesagt werden, dass die wirkliche Ursache der fast apokalyptischen Energiekrise, welche heute der Welt droht, der maßlose und zügellose Verbrauch der wohlhabenden Länder und der von ihm geschaffenen absurden und nicht nachhaltigen Konsumgesellschaften ist. Bei so einem Rhythmus der Energieverschwendung kann das Angebot an Öl und Gas niemals die Nachfrage befriedigen, denn die bewiesenen und möglichen Reserven sind am Erschöpfen.



Andererseits, nach mehr als 30 Jahren der proklamierten und versprochenen Zielsetzung von 0,7 Prozent, überschreitet die Entwicklungshilfe nicht einmal 0,2 Prozent und die der Vereinigten Staaten beträgt 0,1 Prozent. Das im Jahr 2004 als Auslandsschuldendienst Bezahlte betrug im Unterschied dazu mehr als 5 Mal das, was der Süden als offizielle Entwicklungshilfe erhielt.



Es ist schon jetzt offensichtlich, dass die bescheidenen Millenniums- Zielsetzungen nicht erfüllt werden.



Der Hunger bleibt für 852 Millionen Menschen Realität, während eine Billion Dollar für Waffen ausgegeben werden, die dazu dienen werden, die Hungrigen zu töten, aber nicht den Hunger zu beseitigen.



Fast ein Drittel der Kinder in der Dritten Welt leiden an Wachstumsverzögerung und haben auf Grund der Unterernährung ein geringeres Wachstum und Gewicht als normal.



Es sterben weiterhin jedes Jahr 13 Millionen Mädchen und Jungen auf Grund von Krankheiten, denen man vorbeugen kann, während eine weitere Billion Dollar für stumpfsinnige Verbraucherwerbung vergeudet wird.



Fast eine Billion erwachsene Analphabeten und 325 Millionen Kinder, die nicht zur Schule gehen, zeigen, wie weit entfernt diese Welt von der elementarsten Gleichheit und Gerechtigkeit ist.



Diese nicht zu rechtfertigende und unhaltbare Welt kann nicht die Zukunft der Menschheit sein.



Vor den enormen Herausforderungen, welche die Armut und die Ungerechtigkeit in der jetzigen Welt darstellen, proklamiert der Präsident der Vereinigten Staaten das Recht, vorbeugende und überraschende Kriege gegen 60 oder mehr Länder zu lancieren. Er manipuliert die Vereinten Nationen. Erklärt ihre Charta für historisch überholt und verschmäht das Völkerrecht. Er verwandelt die souveräne Gleichheit der Staaten in widerwärtigen Hohn.



Vereinen wir, die immer Ausgeschlossenen, uns also, um eine gerechte, gleichberechtigte und nachhaltige Weltordnung zu gründen! Bewahren wir die Vereinten Nationen und stellen sie in den Dienst der Völker! Verteidigen wir den Frieden! Kämpfen wir um unsere Rechte, bewusst, dass wir Nichts gratis gespendet bekommen!



Trotz der enormen Hindernisse, glauben wir an den Wert der Ideen und Prinzipien, vertrauen wir der Kampffähigkeit unserer Völker!



Fidel Castro

Havanna, den 12. Juni 2005

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