Montag, 3. März 2008

Rafael Correa

Reflexionen des Genossen Fidel: Rafael Correa

Ich kann mich an seinen Besuch erinnern, es war einige Monate vor der Wahlkampagne, bei der er sich als Präsidentschaftskandidat für Ecuador aufstellen lassen wollte. Er war Wirtschaftsminister der Regierung von Alfredo Palacio gewesen, einem Chirurgen mit beruflichem Prestige, der uns ebenfalls als Vizepräsident besucht hatte, bevor er das Präsidentenamt übernahm, und zwar aufgrund von unvorhersehbaren Situationen, die in Ecuador entstanden waren. Dieser war für ein Programm von Augenoperationen empfänglich gewesen, die wir ihm als eine Art der Zusammenarbeit angeboten hatten. Es bestanden gute Beziehungen zwischen beiden Regierungen.

Correa war kurz zuvor von seinem Amt als Wirtschaftsminister zurückgetreten. Er war unzufrieden mit dem, was er als Korruption im Verwaltungsapparat bezeichnete, gefördert von Oxy, einem ausländischen Unternehmen, das zwar Suchbohrungen angestellt und große Summen investiert hatte, aber auch vier je fünf Barrels des geförderten Erdöl für sich behielt. Er sprach nicht von Nationalisierung, sondern davon, von ihm hohe Steuern einzunehmen, die er von vornherein für detaillierte soziale Investitionen bestimmte. Er hatte die Maßnahmen schon gebilligt und ein Richter hatte sie für gültig erklärt.

Da er das Wort nationalisieren nicht erwähnte, dachte ich, dass er eine gewisse Furcht vor diesem Konzept hatte. Das wunderte mich nicht, da er als Absolvent der Wirtschaftswissenschaften einer bekannten Universität der Vereinigten Staaten bei seinem Abschluss große Anerkennung erhalten hatte. Ich habe nicht weiter darauf bestanden, dies tiefgehender zu untersuchen, ich bombardierte ihn mit Fragen aus dem im Kampf gegen die Auslandsschuld von Lateinamerika im Jahr 1985 und der eigenen kubanischen Erfahrung angehäuften Arsenal.

Es gibt Investitionen mit einem äußerst hohen Risikofaktor und einer hoch entwickelten Technologie, die keines der so kleinen Länder wie Kuba oder Ecuador übernehmen könnten.

Da wir im Jahr 2006 schon entschlossen waren, der Energiewirtschaftsrevolution Impulse zu verleihen, welche wir als erstes Land des Planeten als eine Überlebensfrage für die Menschheit erklärten, hatte ich dieses Thema ihm gegenüber mit besonderem Nachdruck angesprochen. Ich hielt inne, ich hatte einen seiner Gründe begriffen.

Ich erzählte ihm über das kürzlich von mir mit dem Präsidenten des spanischen Unternehmens REPSOL geführte Gespräch. Dasselbe hatte vor, gemeinsam mit anderen verbündeten internationalen Unternehmen unter Verwendung hoch entwickelter Technologien eine kostspielige Operation zur Bohrung auf dem Meeresgrund in mehr als 2000 Meter Tiefe innerhalb der Hoheitsgewässer von Kuba durchzuführen. Ich sagte zum Chef des spanischen Unternehmens: Wie viel kostet eine Suchbohrung? Ich stelle Ihnen die Frage, da wir an den Ausgaben teilhaben wollen, selbst wenn es auch nur mit einem einziges Prozent wäre, wir möchten wissen, was ihr mit unserem Erdöl machen wollt.

Correa hatte mir seinerseits erzählt, dass je einhundert von den Gesellschaften geförderter Dollar nur zwanzig im Lande verblieben; diese würden nicht einmal in das Budget eingehen, sagte er, sondern in einem gesonderten Fond belassen, der für sonst was dient, aber nicht dazu, die Lebensbedingungen des Volkes zu verbessern.

„Ich habe den Fond abgeschafft“, sagte er zu mir, „und 40 Prozent für Bildung und Gesundheitswesen, für Entwicklung auf technologischem Gebiet und der Verkehrsinfrastruktur zugewiesen, den anderen Teil zum Rückkauf der Auslandsschuld, wenn deren Preis für uns günstig wäre, oder um diesen Teil für etwas Nützlicheres zu investieren, wenn dies nicht der Fall wäre. Früher mussten wir jedes Jahr einen Teil dieser Auslandsschuld kaufen, die immer teurer wurde.“

„Im Fall von Ecuador“, – fügte er hinzu – „grenzte die Erdölpolitik an Vaterlandsverrat.“ „Warum tun sie das?“, fragte ich ihn. „Weil sie Angst vor den Yankees haben oder unausstehlichem Druck ausgesetzt sind?“ Er antwortete mir: „Wenn Sie einen Wirtschaftsminister haben, der zu Ihnen sagt, dass Sie durch Privatisierungen die Effizienz verbessern, dann können Sie sich vorstellen.“ Ich habe das nicht getan.

Ich regte ihn an, fortzufahren und er erklärte mir ruhig. „Die ausländische Gesellschaft Oxy ist ein Unternehmen, das seinen Vertrag gebrochen hat und gemäß der ecuadorianischen Gesetzgebung folgt hierauf die Verwirkung von Ansprüchen. Das heißt, dass das von diesem Unternehmen betriebene Feld an den Staat übergehen muss, aber aufgrund des von den Yankees ausgeübten Drucks, traut die Regierung sich nicht, es in Besitz zu nehmen, es wird eine im Gesetz nicht vorgesehene Situation geschaffen. Das Gesetz sagt einfach nur Verwirkung und nichts weiter. Der Richter erster Instanz, der Vorsitzender von PETROECUADOR war, hat es so gemacht. Ich war Mitglied von PETROECUADOR und wir wurden zu einer dringenden Besprechung zusammengerufen, um ihn von seinem Amt abzusetzen. Ich habe nicht teilgenommen und sie konnten ihn nicht absetzen. Der Richter hat die Verwirkung erklärt“.

„Was wollten die Yankees?“, fragte ich. „Sie wollten eine Geldstrafe“, erklärt er schnell. Als ich ihm zuhörte, merkte ich, dass ich ihn unterschätzt hatte.

Ich hatte es aufgrund einer Vielzahl von Verpflichtungen eilig. So lud ich ihn ein, dem Treffen mit einer zahlreichen Gruppe hoch qualifizierter kubanischer Fachleute beizuwohnen, die dabei waren, nach Bolivien zu gehen, um sich der Arztbrigade anzuschließen. Zu dieser gehören Mitarbeiter für über 30 Krankenhäuser, unter anderen Tätigkeiten für 19 Chirurgie-Einheiten, die über 130 000 Augenoperationen pro Jahr durchführen können; alles als Gratis-Kooperation. Ecuador verfügt über drei ähnliche Einrichtungen mit sechs Augenoperations-Einheiten.

Das Abendessen mit dem ecuadorianischen Ökonomen war schon im Morgengrauen des 9. Februar 2006. Es gab kaum Gesichtspunkte, die ich nicht behandelt hatte. Ich erzählte ihm sogar vom so schädlichen Quecksilber, das die modernen Industrien in die Meere der Erde versprengen. Das übertriebene Konsumverhalten war natürlich ein Thema, das ich nachdrücklich behandelte; die hohen Kosten pro Kilowattstunde in den Wärmekraftwerken; die Unterschiede zwischen den sozialistischen und kommunistischen Verteilungsformen, die Rolle des Geldes, die Billion, die für Werbung ausgegeben wird und zwangsläufig von den Völkern bei den Warenpreisen mitbezahlt wird, und die von sozialen Universitätsbrigaden durchgeführten Untersuchungen, die unter den 500 000 Haushalten der Hauptstadt die Anzahl von Personen im Seniorenalter aufdeckten, die allein leben. Ich erklärte ihm die Etappe der Universalisierung des Universitätsstudiums, in der wir uns befanden.

Wir verblieben als gute Freunde, obwohl er vielleicht den Eindruck von mir gewonnen hatte, dass ich selbstgefällig war. Wenn das so war, dann war es meinerseits nicht beabsichtigt.

Von da an beobachtete ich jeden seiner Schritte: Entwicklung im Wahlkampf, die Art und Weise, die konkreten Probleme der Ecuadorianer anzugehen, und der Sieg des Volkes über die Oligarchie.

In der Geschichte beider Völker gibt es viele Dinge, die uns verbinden. Sucre war immer eine außergewöhnliche Persönlichkeit, die zusammen mit El Libertador Bolivar bewundert wurde, über den José Marti sagte, dass das, was er in Amerika nicht getan hat, noch zu tun ist, und wie Neruda ausrief, der alle einhundert Jahre erwacht.

Der Imperialismus hat gerade ein abscheuliches Verbrechen in Ecuador begangen. Tödliche Bomben wurden im Morgengrauen auf eine Gruppe von Männern und Frauen abgeworfen, die fast ohne Ausnahme schliefen. Das ist von allen vom ersten Augenblick an übertragenen öffentlichen Mitteilungen zu schließen. Die konkreten Anschuldigungen gegen diese Menschengruppe rechtfertigen die Aktion nicht. Es waren Yankee-Bomben, gelenkt von Yankee-Satelliten.

Niemand hat das Recht kaltblütig zu morden. Wenn wir diese imperiale Methode des Kriegs und der Barbarei akzeptieren, können satellitengelenkte Bomben der Yankees auf jegliche Gruppe von lateinamerikanischen Männern und Frauen fallen, auf dem Gebiet von irgendeinem Land, egal ob es dort einen Krieg gibt oder nicht. Die Tatsache, dass es in einem Gebiet geschah, das nachweislich ecuadorianisch ist, ist ein erschwerender Umstand.

Wir sind keine Feinde von Kolumbien. Die vorangegangenen Reflexionen und Gespräche zeigen, wie sehr wir uns bemüht haben, sowohl der jetzige Staatsratsvorsitzende von Kuba als ich, uns an eine erklärte Politik der Prinzipien und des Friedens zu halten, die seit Jahren in Bezug auf unsere Beziehungen mit den anderen Staaten von Lateinamerika verkündet wurde.

Jetzt, wo alles in Gefahr ist, macht uns das nicht zu Kriegführenden. Wir sind entschiedene Verfechter der Einheit der Völker von dem Gebiet, das Martí Unser Amerika genannt hat.

Wenn wir schweigen würden, würden wir zu Komplizen werden. Heute will man unseren Freund, den Ökonomen und Präsidenten von Ecuador Rafael Correa auf die Anklagebank setzen, etwas, dass wir uns in jenem Morgengrauen des 9. Februar 2006 nicht einmal hätten vorstellen können. Es schien damals, dass meine Vorstellungskraft in der Lage war, Träume und Risiken aller Art zu umfassen, aber nicht so etwas, was am Sonnabend, dem 1. März 2008 im Morgengrauen geschah.

In den Händen von Correa befinden sich die wenigen Überlebenden und die restlichen Leichen. Die beiden fehlenden beweisen, dass das Gebiet von Ecuador von Truppen besetzt wurde, die die Grenze überschritten haben. Ich kann jetzt wie Emile Zola ausrufen: Ich klage an!


Fidel Castro Ruz

3. März 2008
20:36 Uhr

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