Donnerstag, 4. Dezember 2008

Schwimmen gegen den Strom

Reflexionen des Genossen Fidel: Schwimmen gegen den Strom

Nach der Ansprache Obamas am Abend des 23. Mai dieses Jahres vor der von Ronald Reagan gegründeten Cuban American National Foundation schrieb ich eine Reflexion unter dem Titel »Die zynische Politik des Imperiums« mit Datum vom 25. dieses Monats.

Darin habe ich seine Worte vor den Annexionisten Miamis wörtlich zitiert:

»Wir werden zusammen die Freiheit Kubas suchen; das ist mein Versprechen; das ist meine Verpflichtung… Es ist an der Zeit, dass es das US-amerikanische Geld schafft, das kubanische Volk weniger abhängig von dem Regime Castros zu machen. Ich werde das Embargo beibehalten«.

Nachdem ich weitere Gedanken und Beispiele über das im Allgemeinen überhaupt nicht ethische Verhalten der Präsidenten hinzufügte, die dem in den Wahlen vom 4. November gewählten vorangegangenen waren, schrieb ich wörtlich:

»Ich sehe mich zu verschiedenen heiklen Fragen verpflichtet:
1. Ist es korrekt, dass der Präsident der Vereinigten Staaten die Ermordung von irgendeiner Person auf der Welt anordnet, egal unter welchem Vorwand?
2. Ist es ethisch, dass der Präsident der Vereinigten Staaten anordnet, andere Menschen zu foltern?
3. Ist Staatsterrorismus ein Instrument, das ein so mächtiges Land wie die Vereinigten Staaten anwenden sollte, damit es Frieden auf dem Planeten gibt?
4. Kann man ein Gesetz gut und ehrbar nennen, das wie das Adjustment Act als eine Bestrafung nur auf ein einziges Land, Kuba, angewendet wird, um es zu destabilisieren, auch wenn es das Leben von unschuldigen Kindern und Müttern kostet? Wenn es gut genannt werden kann, warum wendet man nicht das automatische Aufenthaltsrecht auf Haitianer, Dominikaner und Bürger der anderen Länder der Karibik an und tut dasselbe mit den Mexikanern, Zentralamerikanern und Südamerikanern, die wie Fliegen an der Mauer der mexikanischen Grenze bzw. in den Gewässern des Atlantischen und Pazifischen Ozeans sterben?
5. Können die Vereinigten Staaten auf die Immigranten verzichten, welche das Gemüse, die Früchte, die Mandeln und andere Delikatessen für die US-Amerikaner anbauen? Wer würde ihre Straßen fegen, die Hausdienste leisten und die schwersten und am schlechtesten bezahlten Arbeiten ausführen?
6. Sind die Razzien gegen die illegalen Einwanderer, die sogar die in den Vereinigten Staaten geborenen Kinder betreffen, gerecht?
7. Sind das Brain Draining (Raub von Gehirnen) und die andauernde Abwerbung der besten wissenschaftlichen und intellektuellen Intelligenz der armen Länder moralisch und zu rechtfertigen?
8. Sie behaupten, dass Ihr Land schon vor langer Zeit die europäischen Mächte darauf hingewiesen hat, dass es keine Interventionen in der Hemisphäre zulassen würde, und unterstreichen gleichzeitig die Beanspruchung jenes Rechts für sich, indem Sie gleichzeitig fordern, an jeglichem Ort der Welt mit Unterstützung von Hunderten auf der ganze Welt verteilten Militärstützpunkten, See-, Luft- und Weltraumstreitkräften eingreifen zu können. Ich frage Sie: Ist das die Art und Weise, durch welche die Vereinigten Staaten ihre Achtung gegenüber der Freiheit, der Demokratie und den Menschenrechten ausdrücken?
9. Ist es gerecht, - unter welchem Vorwand auch immer - durch Überraschungshandlungen und vorbeugend sechzig oder mehr dunkle Winkel der Welt, wie sie Bush nennt, anzugreifen?
10. Ist es ehrbar und klug, Billionen und Aberbillionen Dollar im Militärindustriekomplex zu investieren, um Waffen herzustellen, welche die Erde mehrmals zerstören können?

Ich hätte noch weitere Fragen stellen können.

Trotz der einschneidenden Fragen blieb ich dem afroamerikanischen Kandidaten gegenüber freundlich, in dem ich eine viel größere Fähigkeit und Begabung für die Kunst der Politik sah als in den gegnerischen Kandidaten, nicht nur denen der gegnerischen Partei, sondern auch innerhalb der eigenen.

Letzte Woche hat der gewählte Präsident der Vereinigten Staaten, Barack Obama, sein Wirtschaftskonjunktur-Programm angekündigt.

Am Montag, dem 1. Dezember, stellte er das Team für die Nationale Sicherheit und das für die Außenpolitik vor:

»Biden und ich freuen uns, unser Team für Nationale Sicherheit vorzustellen… die alten Konflikte sind noch nicht gelöst und neue, sich festigende Weltmächte üben mehr Druck auf das internationales System aus. Die Verbreitung der Atomwaffen birgt die Gefahr, dass die tödlichste Technologie der Welt in gefährliche Hände geraten kann. Unsere Abhängigkeit vom ausländischen Erdöl stärkt autoritäre Regierungen und gefährdet unseren Planeten.

…unsere wirtschaftliche Macht muss es uns ermöglichen, unsere militärische Kraft, unseren diplomatischen Einfluss und unsere globale Führungsfähigkeit aufrecht zu erhalten.

Wir werden alte Allianzen erneuern und neue und dauerhafte Bündnissen schaffen… die Werte der Vereinigten Staaten sind das Größte, was dieses Land in die Welt exportieren kann.

…das Team, das wir hier heute versammelt haben, ist gerade dafür besonders vorbereitet.“

… die Männer und Frauen stellen alle diese Elementen der US-Macht dar… Sie haben ihre Dienste als Militärangehörige und als Diplomaten geleistet … Sie teilen meinen Pragmatismus über den Gebrauch der Macht und meine Ziele bezüglich der Rolle der USA als Weltführer.«

»Ich kenne Hillary Clinton«, sagt er.

Meinerseits vergesse ich nicht, dass sie die Rivalin des gewählten Präsidenten Barack Obama war und die Ehefrau des Präsidenten Clinton, der die exterritorialen Gesetze gegen Kuba, das Torricelli- und das Helms Burton-Gesetz, bestätigt hat. Während ihres Wahlkampfes engagierte sie sich für diese Gesetze und für die Wirtschaftsblockade. Ich beschwere mich nicht, ich stelle es nur fest.

»Es erfüllt mich mit Stolz, dass sie unsere nächste Außenministerin sein wird«, sagte Obama weiter. »Man wird sie in allen Hauptstädten respektieren, und natürlich wird sie die Fähigkeit haben, unsere Interesse in der Welt voranzubringen. Die Ernennung Hillarys ist ein Zeichen an Freunde und Feinde für die Ernsthaftigkeit meines Engagements…«

»Zu diesem Zeitpunkt, wo wir einem beispiellosen Übergang inmitten zweier Kriege gegenüberstehen, habe ich Robert Gates darum gebeten, weiter in seinem Amt als Verteidigungsminister zu bleiben…

Sobald ich das Amt antrete, werde ich unserem Minister Gates und unserer Armee eine neue Aufgabe geben: die Verantwortung, den Krieg im Irak durch einen erfolgreichen Übergang zur irakischen Kontrolle zu beenden.«

Mir fällt auf, dass Gates Republikaner und nicht Demokrat ist, der einzige, der als Verteidigungsminister und Direktor der CIA amtiert hat, und der das eine oder das andere Amt unter der Regierung der einen oder der anderen Partei ausgeübt hat. Gates, der weiß, dass er populär ist, hat erklärt, dass er sich erst Gewissheit darüber verschafft hat, dass der gewählte Präsident ihn für die erforderliche Zeit auswählen würde.

Während Condolezza Rice mit Anweisungen von Bush nach Indien und Pakistan reiste, um in den gespannten Beziehungen zwischen beiden Ländern zu vermitteln, hat der Verteidigungsminister von Brasilien vor zwei Tagen einer brasilianischen Firma genehmigt, MAR-1-Raketen herzustellen, aber statt wie bisher einer, fünf von ihnen monatlich, um für einen geschätzten Preis von 85 Millionen Euro 100 Raketen an Pakistan zu verkaufen.

»Diese Raketen werden an Flugzeuge gekoppelt und sind für die Lokalisierung von Radaren auf dem Land entwickelt. Sie funktionieren als eine sehr wirksame Form der Überwachung sowohl des Luftraumes als auch der Oberfläche«, sagte der Minister wörtlich in einer öffentlichen Erklärung.

Obama führt seinerseits in seiner Erklärung vom Montag unerschütterlich weiter aus: »Um voranzukommen, werden wir weiter die notwendigen Investitionen tätigen, um unsere Armee zu stärken und unsere Landstreitkräfte weiter auszubauen, mit dem Ziel, die Bedrohungen des 21. Jahrhunderts zu besiegen.«

Über Janet Napolitano sagte er: »Sie trägt die Erfahrung und Leitungsfähigkeit bei, die wir im Ministerium für Innere Sicherheit brauchen…

Janet übernimmt dieses entscheidende Amt, weil sie die zum Teil schmerzhaften Lektionen der letzten Jahre, seit dem 11. September bis zum Hurrikan Katrina,… erlebt hat. Sie versteht, wie alle, die Bedeutung der Gefahr einer unsicheren Grenze, und sie wird eine Führerin sein, die fähig ist, ein unkontrolliert wachsendes Ministerium zu reformieren, ohne den Schutz unseres Vaterlandes außer Acht zu lassen.«

Diese berühmte Person wurde von Clinton 1993 zur Staatsanwältin des Bezirks Arizona ernannt, 1998 wurde sie zur Generalstaatsanwältin des Bundesstaates Arizona befördert; im Jahr 2002 war sie Kandidatin der Demokratischen Partei und wurde später zur Gouverneurin dieses Grenzstaates gewählt, der der meistbenutzte Übergangsweg der illegalen Einwanderer ist. Sie wurde 2006 als Gouverneurin wiedergewählt.

Über Susan Elizabeth Rice sagte er: »Susan weiß, dass die globalen Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen, globale Einrichtungen benötigen, die funktionieren… wir brauchen wirksamere Vereinte Nationen«, erklärt er voller Geringschätzung, »als ein Organ kollektiven Handelns gegen den Terrorismus und die Weiterverbreitung von Kernwaffen, den Klimawandel und den Völkermord, die Armut und die Krankheiten.«

Über James Jones, Berater für Nationale Sicherheit, sagte er: »Ich bin überzeugt, dass der General James Jones besonders gut ausgebildet ist, um ein fähiger und energischen Berater für Nationale Sicherheit zu sein. Generationen der Jones haben im Schlachtfeld ihre Dienste geleistet, von den Tarawa-Stränden im Zweiten Weltkrieg bis zum Foxtrot Ridge in Vietnam. Die Silbermedaille von Jim ist Teil des Stolzes dieses Vermächtnisses… Er war Chef einer Kampfeinheit, Oberkommandierender der Alliierten Truppen in Kriegzeiten« (er bezieht sich auf NATO und den Golf-Krieg) »und hat für den Frieden im Mittelosten gehandelt.

Jim konzentriert sich auf die heutige und zukünftige Bedrohung, denn er versteht die Verbindung zwischen der Energie und der Nationalen Sicherheit und hat in der ersten Linie der globalen Instabilität gearbeitet, von Kosovo bis zum Norden des Iraks und in Afghanistan.

Er wird mich darüber beraten, wie ich alle Elemente der amerikanischen Macht zur Abschaffung der nicht konventionellen Bedrohungen effizient anwenden kann und wie wir unsere Werte fördern können.

Ich vertraue darauf, dass dies das Team ist, das wir für einen Neubeginn bei der nationalen Sicherheit der Vereinigten Staaten brauchen«.

Mit Obama kann man sprechen, wo immer er mag, denn wir sind keine Prediger der Gewalt und des Krieges. Man muss ihn daran erinnern, dass die Theorie von Zuckerbrot und Peitsche für unser Land nicht gilt.

Keine der Aussagen seiner letzten Rede beinhaltet Elemente einer Antwort auf die Fragen, die ich am 25. Mai, also vor knapp sechs Monaten, gestellt habe.

Ich werde jetzt nicht sagen, dass Obama weniger intelligent sei. Im Gegenteil, er zeigt die Fähigkeiten, die es mir erlaubt haben, seine Begabung zu sehen und mit der seines mittelmäßigen Gegners, John McCain, zu vergleichen, ein Mann, dessen »Heldentaten« die US-amerikanische Gesellschaft aus reiner Tradition fast belohnt hätte. Ohne Wirtschaftskrise, ohne Fernsehen und ohne Internet hätte Obama nicht den allmächtigen Rassismus besiegen und die Wahlen gewinnen können. Auch nicht ohne sein Studium, erst an der Universität von Columbia, wo er ein Studium der Politikwissenschaften absolvierte, und dann an der Harvard-Universität, wo er das Diplom als Jurist erwarb, was es ihm erlaubte, mit nur ein paar Millionen US-Dollar zu einem Mann der bescheidenden reichen Klasse zu werden. Er war kein Abraham Lincoln, und die heutigen Zeiten sind auch ganz andere als jene, denn heute handelt es sich um eine Konsumgesellschaft, in der das Sparen nicht mehr an der Tagesordnung ist und das Ausgeben sich multipliziert hat.

Jemand musste eine ernste und ruhige Antwort geben, die heute gegen die mächtige Flut von Illusionen anschwimmen muss, die Obama in der Weltöffentlichkeit geweckt hat.

Mir fehlt nur noch, die letzten Agenturmeldungen zu analysieren. Alle beinhalten neue Nachrichten von überall her. Ich schätze, dass allein die USA in dieser Wirtschaftskrise mehr als sechs Billionen an Papiergeld ausgeben werden, deren Wert nur von den anderen Völkern, und zwar in Form von Schweiß, Hunger, Leiden und Blut bestimmt werden kann.

Unsere Prinzipien sind die von Baraguá. Das Imperium muss wissen, dass unser Vaterland in Staub verwandelt werden kann, aber die souveränen Rechte des kubanischen Volkes nicht verhandelbar sind.


Fidel Castro Ruz

4. Dezember 2008
17.28 Uhr

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