Reflexionen des Genossen Fidel: Es wird ernst
Die Nachrichten, die uns aus der dänischen Hauptstadt erreichen, widerspiegeln Chaos. Nachdem die Gastgeber einen Event geplant haben, an dem circa 40.000 Personen teilnehmen würden, können sie ihr Wort auf keine Art und Weise halten. Evo, der erste dort Angekommene der Präsidenten des Bündnisses ALBA, hat tiefgründige Wahrheiten zum Ausdruck gebracht, die aus der tausendjährigen Kultur seines Volks hervorgehen.
Gemäß den Nachrichtenagenturen versicherte er, dass er einen Auftrag des bolivianischen Volkes besäße, jegliche Vereinbarung zu blockieren, wenn der Endtext die Alternativen nicht befriedige. Er erläuterte, dass der Klimawechsel nicht die Ursache sondern die Folge dafür sei, dass wir verpflichtet sind, die Rechte der Mutter Erde gegenüber einem Modell der kapitalistischen Entwicklung, und die Kultur des Lebens gegenüber der Kultur des Todes zu verteidigen. Er sprach von der Klima-Schuld, welche die reichen Länder den armen Ländern zu zahlen haben, und von der Rückgabe an diese der gewaltsam weggenommenen Atmosphäre.
Er bezeichnete die angebotenen jährlichen 10 Milliarden Dollar bis zum Jahr 2012 als eine lächerliche Summe, wo in Wirklichkeit hunderte Milliarden jedes Jahr benötigt werden, und bezichtigte die Vereinigten Staaten, Trillionen dafür aufzuwenden, den Terrorismus in den Irak und nach Afghanistan zu exportieren und Militärstützpunkte in Lateinamerika zu schaffen.
Der Präsident der Bolivarischen Republik Venezuela sprach am 16. auf dem Gipfel, um 8:40 kubanische Ortszeit. Er hat eine glänzende Rede gehalten, die viel applaudiert wurde. Seine Absätze waren kurz und bündig.
In Anfechtung eines dem Gipfel von der den Vorstand der Konferenz führenden dänischen Ministerin vorgelegten Dokuments drückte er sich wie folgt aus:
„…das ist ein Text, der aus dem Nichts auftaucht. Wir werden nur einen Text akzeptieren, der aus den Arbeitsgruppen hervorgeht, denn das sind die legitimen Texte, die in diesen letzten zwei Jahren verhandelt worden sind.“
„Es gibt eine Gruppe von Ländern, die glauben, etwas Besseres als wir, die Länder des Südens, der Dritten Welt, zu sein…“
„…wir brauchen uns nicht zu wundern, es gibt keine Demokratie, wir stehen vor einer Diktatur.“
„…ich habe unterwegs einige Losungen gelesen, die auf den Straßen von den jungen Menschen angebracht worden sind… Eine lautete: ‘Nicht das Klima, das System müsst ihr ändern!’… eine andere: ‘Wenn das Klima eine Bank wäre, dann hätten sie es schon gerettet.’“
„Obama […] hat den Friedensnobelpreis am gleichen Tag überreicht bekommen, an dem er 30 000.Soldaten zum Töten von Unschuldigen nach Afghanistan schickte.”
„Ich unterstütze die Kriterien der Vertreter der Delegationen von Brasilien, Bolivien, China – ich wollte nur meine Unterstützung ausdrücken […] aber man erteilte mir nicht das Wort…“
„Die Reichen sind dabei, den Planeten zu zerstören. Werden sie denn auf einen anderen gehen, sobald sie diesen zerstört haben?“
„…der Klimawandel ist ohne Zweifel das im höchsten Grade zerstörerische Umweltproblem dieses Jahrhunderts.“
„…die Vereinigten Staaten haben höchstens 300 Millionen Einwohner, China hat knapp fünfmal mehr Bevölkerung als die Vereinigten Staaten. Die Vereinigten Staaten verbrauchen mehr als 20 Millionen Barrel Erdöl täglich; China kommt kaum auf fünf bzw. sechs Millionen Barrel täglich. Es kann nicht von den Vereinigten Staaten und von China dasselbe verlangt werden.“
„...die Emission von schädlichen Gasen zu vermindern und ein langfristiges Kooperationsübereinkommen zu erreichen […] , das scheint gescheitert zu sein, einstweilen. Und der Grund dafür? […] die unverantwortliche Haltung der mächtigsten Nationen des Planeten und ihr fehlender politischer Wille.“
„…der Abstand, welcher die reichen und die armen Länder trennt, hat nicht aufgehört zu wachsen, trotz aller jener Gipfel und nicht erfüllten Versprechungen, und die Welt geht weiter auf ihrem zerstörerischen Weg.“
„…Das Gesamteinkommen der 500 reichsten Individuen der Welt übersteigt das Einkommen der 416 Millionen ärmsten Menschen.“
„Die Säuglingssterblichkeit beträgt 47 Tote je 1000 Lebendgeborene, aber in den reichen Ländern sind es nur 5.“
„…bis wann werden wir es gestatten, dass weiterhin Millionen Kinder an heilbaren Krankheiten sterben?“
„2,6 Milliarden leben, ohne eine Gesundheitsfürsorge zu genießen.“
„Der Brasilianer Leonardo Boff hat geschrieben: ‘Die Stärksten überleben auf der Asche der Schwächsten.'“
„Jean-Jacques Rousseau sagte Folgendes… ‘zwischen dem Starken und dem Schwachen ist die Freiheit bedrückend.’ Deshalb spricht das Imperium von Freiheit, es handelt sich hierbei um die Freiheit zum Unterdrücken, zum Überfallen, zum Morden, zum Vernichten, zum Ausbeuten, das ist ihre Freiheit. Und Rousseau fügt den rettenden Satz hinzu: ‘Nur das Gesetz befreit.’”
„Bis wann werden wir bewaffnete Konflikte gestatten, die Millionen unschuldige Menschenwesen massakrieren, damit sich die Mächtigen der Ressourcen der anderen Völker bemächtigen können?“
„Vor knapp zwei Jahrhunderten hat ein Weltbefreier, Simon Bolivar, wie folgt gesagt: ‘Wenn die Natur sich uns widersetzt, dann werden wir gegen sie kämpfen und sie dazu führen, dass sie uns gehorcht.’“
„Dieser Planet hat viele Milliarden Jahre ohne uns, ohne die menschliche Gattung, gelebt. Wir Menschen sind für seine Existenz nicht notwendig, aber wir können ohne die Erde nicht leben…“
Evo hat am heutigen Donnerstag Morgen gesprochen. Seine Rede wird ebenfalls unvergesslich sein.
„Ich möchte unseren Ärger über die Desorganisation und die Verzögerungen zum Ausdruck bringen, die auf diesem internationalen Event zu verzeichnen sind…“, sagte er zu Beginn seiner Worte unumwunden.
Seine Grundideen sind folgende:
„Wenn wir fragen, was mit den Gastgebern los ist, […] dann sagt man uns, dass das die Vereinten Nationen sind; wenn wir fragen, was mit den Vereinten Nationen los ist, dann sagt man uns, dass es Dänemark ist, und wir wissen nicht, wer diesen internationalen Event desorganisiert…“
„… ich bin sehr überrascht, denn sie behandeln nur die Folgen und nicht die Ursachen des Klimawechsels.“
„Wenn wir nicht Ursachen für die Zerstörung der Umwelt aufdecken […] werden wir sicherlich niemals dieses Problem lösen…“
„…es stehen zwei Arten von Kultur zur Debatte: die Kultur des Lebens und die Kultur des Todes; die Kultur des Todes ist die, welche der Kapitalismus darstellt. Wir, die indigenen Völker, sagen, dass es das Besser-Leben ist, d.h. besser auf Kosten des anderen.“
„…indem man den anderen ausbeutet, die natürlichen Ressourcen ausplündert, die Mutter Erde vergewaltigt, die grundlegenden Versorgungsdienste privatisiert…“
„…gut leben, das bedeutet in Solidarität leben, in Gleichheit, sich gegenseitig ergänzend, in Gegenseitigkeit…“
„Diese zwei Arten zu Leben, diese zwei Arten der Lebenskultur stehen zur Debatte, wenn wir vom Klimawandel sprechen. Und wenn wir nicht entscheiden, welche die bessere Art und Weise des Lebens ist, dann werden wir dieses Thema sicherlich niemals lösen, denn wir haben Probleme der Lebensart – den Luxus, das übertriebene Konsumverhalten, das der Menschheit schadet, und so wollen wir bei internationalen Events dieser Art nicht die Wahrheit aussprechen.“
„…innerhalb unserer Art zu Leben ist das Nicht- Lügen etwas Heiliges, und das wird hier nicht praktiziert.“
„…in der Verfassung ist das „ama sua, ama llulla, ama quella“ – weder stehlen, noch lügen oder schwach sein – enthalten.“
„…die Mutter Erde bzw. die Natur existiert ohne den Menschen und wird weiter ohne ihn existieren aber der Mensch kann nicht ohne den Planeten Erde leben, und so ist es unsere Pflicht, das Recht der Mutter Erde zu verteidigen.“
„…ich grüße die Vereinten Nationen, die dieses Jahr endlich den Internationalen Tag der Mutter Erde erklärt haben.“
„…die Mutter ist etwas Heiliges, die Mutter ist unser Leben; die Mutter wird weder vermietet, noch verkauft oder vergewaltigt, man muss sie achten und respektieren.“
„Unsererseits bestehen tiefgründige Diskrepanzen bezüglich des westlichen Modells, und das ist es, was im Augenblick zur Debatte steht.“
„Wir sind in Europa und wie Sie wissen, kommen viele bolivianische Familien, lateinamerikanische Familien nach Europa. Weshalb kommen sie hierher? Um ihre Lebensbedingungen zu verbessern. In Bolivien könnte eine Person 100 oder 200 Dollar pro Monat verdienen; aber jene Familie, jene Person kommt hierher, einen europäischen Opa bzw. eine europäische Oma zu betreuen, und verdient 1000 Euro pro Monat.“
„Das sind die Asymmetrien, die zwischen den Kontinenten bestehen, und wir sind verpflichtet, darüber zu diskutieren, wie ein gewisses Gleichgewicht hergestellt werden kann, […] indem diese tiefgehenden Asymmetrien zwischen verschiedenen Familien, zwischen verschiedenen Ländern und besonders zwischen den Kontinenten vermindert werden.“
„Wenn […] unsere Schwestern und Brüder hierher kommen, um zu überleben bzw. ihre Lebensbedingungen zu verbessern, dann werden sie ausgewiesen, es gibt jene so genannten, Rückverweisung bezeichneten Papiere […] aber als die europäischen Großeltern vor langer Zeit nach Lateinamerika gekommen sind, wurden sie nie ausgewiesen. Unsere Familien, meine Brüder und Schwestern kommen nicht hierher, um Bergwerke für sich zu beanspruchen, und haben auch nicht tausende Hektar Land, um Großgrundbesitzer zu sein. Früher gab es niemals Visa oder Reisepässe, damit sie nach Abya Yala, jetzt Amerika genannt, kommen konnten.“
„…wenn wir das Recht der Mutter Erde nicht anerkennen, dann werden wir umsonst von 10 Milliarden, von 100 Milliarden sprechen, was eine Beleidigung für die Menschheit ist.“
„… die reichen Länder müssen alle jene Auswanderer aufnehmen, die durch den Klimawandel geschädigt werden und diese nicht in ihre Länder zurückführen, wie sie es im Augenblick tun…“
„…es ist unsere Pflicht, die gesamte Menschheit zu retten und nicht nur die Hälfte der Menschheit.“
„…das FTAA, Freihandelsabkommen für Amerika. […] ist kein Frei-Handels-Abkommen für Amerika, es ist ein Frei-Kolonisierungs-Abkommen für Amerika…“
Zu den Fragen, die Evo für eine weltweite Volksbefragung über den Klimawechsel empfahl, gehörten folgende:
„… Sind sie damit einverstanden, die Harmonie mit der Natur wiederherzustellen, indem die Rechte der Mutter Erde anerkannt werden?...“
„…Sind sie damit einverstanden, dieses Modell des übertriebenen Konsumverhaltens und der Vergeudung, welches das kapitalistische System darstellt, zu verändern?...“
„…Sind sie damit einverstanden, dass die entwickelten Länder ihre Emissionen an Treibhausgasen vermindern und resorbieren…?“
„…Sind sie damit einverstanden, alles das, was für Kriege verbraucht wird, für die Angelegenheiten des Klimawandels zu überweisen und ein Budget, das das Verteidigungsbudget übersteigt, für den Kampf gegen den Klimawechsel zu bestimmen?...“
Wie bekannt, wurde in der japanischen Stadt Kyoto im Jahr 1997 das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen unterzeichnet, das 38 Industrieländer dazu verpflichtete, ihre Treibhausgasemissionen in einem bestimmten Prozentsatz im Vergleich zum Ausstoß von 1990 zu vermindern. Die Länder der Europäischen Union haben sich zu 8% verpflichtet, und das Abkommen ist 2005 in Kraft getreten, als die Mehrheit der Unterzeichnerstaaten es schon ratifiziert hatte. George W. Bush, damals Präsident der Vereinigten Staaten – größter Treibhausgasemittent und verantwortlich für ein Viertel von deren Gesamtmenge – hatte das Abkommen seit Mitte 2001 abgelehnt.
Die anderen UNO-Mitglieder schritten voran. Die Forschungszentren setzten ihre Aufgabe fort. Es ist schon offensichtlich, dass unsere Gattung von einer Katastrophe bedroht ist. Das vielleicht Schlimmste besteht darin, dass der blinde Egoismus einer privilegierten und reichen Minderheit beabsichtigt, das Schwergewicht der notwendigen Opfer auf die riesige Mehrheit der Erdbewohner abzuwälzen.
Dieser Widerspruch widerspiegelt sich in Kopenhagen. Dort verteidigen tausende Menschen sehr standhaft ihren Standpunkt.
Die dänischen Sicherheitskräfte wenden brutale Methoden an, um den Widerstand zu zerschlagen; viele von denen, die an den Protesten teilnehmen, werden vorbeugend inhaftiert. Ich habe Kontakt zu unserem Außenminister Bruno Rodríguez aufgenommen, der sich zusammen mit Chávez, Evo, Lazo und anderen Vertretern des ALBA auf einer Solidaritätsveranstaltung in der Hauptstadt Kopenhagen befand. Ich fragte ihn, wen die dänische Polizei mit so viel Hass unterdrückte, wobei sie ihnen die Arme verdrehte und mehrfach auf ihre Rücken einschlug. Er antwortete mir, dass es dänische Bürger und Bürger anderer europäischer Nationen und Mitglieder der sozialen Bewegungen seien, die vom Gipfel eine sofortige reale Lösung fordern, um dem Klimawandel zu begegnen. Er sagte mir außerdem, dass die Debatte des Gipfels um 12 Uhr nachts weitergehen würde. Als ich mit ihm gesprochen habe, war es schon abends in Dänemark. Der Zeitunterschied beträgt sechs Stunden.
Aus der dänischen Hauptstadt haben unsere Compañeros berichtet, dass der morgige Tag, Freitag, der 18., noch schlimmer sei. Morgens wird um 10 Uhr für zwei Stunden der UNO-Gipfel unterbrochen und der Staatschef von Dänemark wird ein Treffen mit 20 von ihm eingeladenen Staatschefs haben, um mit Obama „globale Probleme“ zu diskutieren. So nennen sie die Versammlung, dessen Ziel es ist, ein Abkommen über den Klimawandel aufzuzwingen.
Obwohl an dem Treffen alle offiziellen Delegationen teilnehmen werden, werden nur die „Eingeladenen“ ihre Meinung äußern können. Weder Chávez noch Evo gehören natürlich zu denen, die ihre Meinung von sich geben dürfen. Die Idee besteht darin, dass der erlauchte Nobelpreisträger seine schon vorbereitete Rede halten kann, und dem wird die Entscheidung vorangehen, die bei jenem Treffen getroffen werden wird, dass das Abkommen auf Ende nächsten Jahres in Mexiko-Stadt verschoben wird. Die sozialen Bewegungen werden keinen Zutritt zur Veranstaltung bekommen. Nach dieser Show im Hauptsaal des Events wird der „Gipfel“ bis zu seiner ruhmlosen Schließung fortgesetzt werden.
Da das Fernsehen die Bilder übertragen hat, konnte die Welt die in Kopenhagen gegen die Personen verwendeten faschistischen Methoden verfolgen. Die unterdrückten Demonstranten, zum größten Teil junge Menschen, haben die Solidarität der Völker für sich gewonnen.
Für die Chefs des Imperiums nähert sich die Stunde der Wahrheit, d.h. es wird ernst, trotz ihrer Intrigen und zynischen Lügen. Ihre eigenen Verbündeten glauben immer weniger an sie. In Mexiko werden sie genau wie in Kopenhagen und in jeglichem anderen Land der Welt auf den wachsenden Widerstand der Völker treffen, die die Hoffnung zum Überleben nicht verloren haben.
Fidel Castro Ruz
17. Dezember 2009
18:46 Uhr
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