Freitag, 3. September 1999

Schlußfolgerungen in der Sondersendung über die nationale und internationale Bewegung des Sports

Schlußfolgerungen des Präsidenten der Republik Kuba, Fidel Castro Ruz, in der Sondersendung über die nationale und internationale Bewegung des Sports am 3. September 1999.

Als ich dem Leiter unserer Sportdelegation in Winnipeg und dem Präsidenten des kubanischen Olympischen Komitees die Anweisungen gab, in die Ehre und das Wort von einer der größten Figuren des weltweiten Sports Vertrauen zu setzen, verteidigte ich nicht eine Goldmedaille oder die Großtat, den ersten Rang in der Leichtathletik erreicht und dabei die Vereinigten Staaten geschlagen zu haben, ein Sieg, der uns schändlicherweise entrissen wurde, indem man Sotomayor seine Medaille abnahm. Dabei versuchte ich, die Moral eines Menschen zu retten.

Ein olympischer Sportler ist kein vulgäres Instrument des internationalen Prestiges, ein Objekt, das man auf dem Markt kauft und verkauft, eine Ware, die man gebraucht und danach auf den Müll wirft. Er ist vor allem ein menschliches Wesen, der Vater und Mutter, Ehefrau und Kind, Geschwister, Freunde und Bewunderer hat und der der Stolz aller wegen der Anerkennung ist, die er mit seiner Anstrengung und seinen überragenden Verdiensten erworben hat. Er besitzt eine Ehre, vor allem eine Ehre. Wer noch nie für Geld einen Wettbewerb bestritten hat, bestritt diesen und siegte nur für die Ehre. Die Ehre ist mehr wert als das Leben, das Leben ohne Ehre hat keinen Sinn.

Es gibt ein Verbrechen, das noch verurteilungswürdiger ist als das physische Verbrechen. Das moralische Verbrechen, Sotomayor als Drogenabhängigen, leidenschaftlichen Konsumenten von Kokain zu beschuldigen, eines Produktes, das heutzutage die Welt terrorisiert, bedeutet, das Leben eines Mannes für immer zu beflecken, und zwar ohne wirklichen Beweis, ohne irgendeine Garantie, ohne die geringste Möglichkeit, sich zu verteidigen und ohne eine mögliche Berufung. So werden innerhalb von 48 Stunden 21 Jahre mit totaler und uneigennütziger Hingabe zum Amateursport, den er im Alter von 10 Jahren begann, zerstört.

Man kann nicht auf willkürliche und brutale Weise ignorieren, daß er mehr als 100 programmierten und überraschenden Dopingproben unterzogen wurde und daß er mehr als dreihundert Mal die Höhe übersprang, mit deren Überwindung im ersten Versuch er an jenem Tag seine Medaille errang. Sogar das mittelmäßigste Gericht und der mittelmäßigste der Richter, die auf der Welt das Strafrecht anwenden, hätten diese Geschichte und das Vorleben der Person berücksichtigt, über die sie zu richten haben.

Wenn die weltweite Bewegung des Sports dieses Minimum an Garantien für die Sportler, die an internationalen Wettkämpfen teilnehmen, nicht anbieten kann, besteht die offenkundige Notwendigkeit, solche Verfahrensweisen auszumerzen und sie durch andere zu ersetzen, die menschlicher, vernünftiger und gerechter sind. Die Amateursportler, die nicht für Geld an Wettkämpfen teilnehmen, können nicht weiterhin unter einem solchen Terrorregime leben.

Alle schauen darauf, was mit Sotomayor passiert, gegen den gerade ein abscheuliches Verbrechen verübt wird, ein abstoßender und schändlicher moralischer Mord, wie vor etwas mehr als einem Jahrhundert im berühmten Dreyfus-Fall, jenem Offizier des französischen Generalstabs, der aufgrund von Vorurteilen und Rassenhass ungerechterweise als Spion angeklagt, hart bestraft und nach Französisch-Guayana geschickt wurde, wohin man die schlimmsten Kriminellen sandte, bis keine Alternative mehr blieb, als ihn zu rehabilitieren. Wenn man die infame, willkürliche und ungerechte Sanktion gegen diesen ruhmreichen, bescheidenen und uneigennützigen Sportler nicht korrigiert, wird Javier Sotomayor zum Dreyfus des zuendegehenden Jahrhunderts.

Als wir ausgehend von dieser Überzeugung nicht zögerten, seine Unschuld zu bekunden, waren wir weit davon entfernt, uns vorzustellen, daß zwei Tage danach mit einer Welle von ungerechten Sanktionen versucht würde, das kubanische Gewichtheberteam aus der olympischen Bewegung wegzufegen. Die gegen drei kubanische Gewichtheber erhobene Beschuldigung des Dopings mit Nandrolon ermöglichte uns, den in Winnipeg gegen die kubanischen Sportler eingefädelten Komplott zu entdecken und total zu entlarven.

Unsere Beweise sind unanfechtbar. All das, was hier vorgebracht wurde, von den soliden wissenschaftlichen, theoretischen und praktischen Argumenten des Direktors des Instituts für Sportmedizin, denen des brillianten und talentierten Arztes der Gewichtheber-Nationalmannschaft und denjenigen des erfahrenen Beauftragten dieser Disziplin - die aufgelistet und in allen Details und mit der entsprechenden Dokumentation so unumstößliche Beweise darstellen, daß die Ausführungen von jedem von ihnen genügen würden, um ein unparteiisches Gericht zu überzeugen -, bis zu dem überwältigenden und unumstößlichen Resultat der drei angesehenen und mit der olympischen Bewegung in Verbindung stehenden Laboratorien, zwei von ihnen in den vergangenen acht Jahren verantwortlich für die Analyse der Proben bei einer Olympiade und einer Leichtathletik-Weltmeisterschaft, beweist die plumpen Ungerechtigkeiten, die gegen die kubanischen Sportler verübt wurden. Das was Tage später bei der Boxweltmeisterschaft geschah, brachte das Faß zum Überlaufen.

Im Namen des kubanischen Volkes beantragen wir beim Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees, Juan Antonio Samaranch, der die höchste Autorität in der weltweiten Sportbewegung darstellt und dem wir vertrauen, daß er eine Untersuchungskommission bezüglich der Ereignisse in Winnipeg und Houston einsetzt.

Wir haben bereits von der Internationalen Amateurboxvereinigung die Überprüfung der Urteile gefordert, durch die fünf kubanischen Sportlern die Goldmedaillen geraubt wurden, und zwar genauso, wie am gleichen Abend angesichts der skandalösen Entscheidung von korrupten Punktrichtern im Kampf von Juan Hernández Sierra gegen den russischen Boxer Timor Gaidalov verfahren wurde.

Wir fordern, daß die auf eine saubere Art und Weise errungenen und durch kriminelle und zynische Verfahrensweisen entrissenen Goldmedaillen des Hochsprungweltrekordlers und sechsfachen Weltmeisters Javier Sotomayor und der Gewichtheber William Vargas in der 62 kg-Kategorie und Rolando Delgado in der 69 kg-Kategorie sowie die Silbermedaille von Modesto Sánchez in der Kategorie von über 105 kg zurückgegeben werden. Und was noch viel wichtiger ist: Man muß den gekränkten Sportlern ihre Ehre zurückgeben. Wir werden nicht ruhen, bis wir es erreicht haben. Wir werden sogar, wenn nötig, die Gerichte anrufen, um die strafrechtliche Verantwortung für das Delikt der Diffamierung und Verleumdung unserer Sportler einzufordern.

Wir werden diese bei jeder Klage auf Schadensersatz unterstützen, wenn sie entscheiden, diese Klage wegen Personenschaden und moralischem Schaden anzustrengen.

Mehr als bewiesen sind die Ungerechtigkeiten, unter denen sie leiden, und die Ungleichheiten, welche die Entwicklung des Sports und die Triumpfe derer verhindern, die ein Anrecht darauf haben, nämlich die Länder der Dritten Welt.

Wir werden mit aller Dringlichkeit ein modernes und effizientes Antidoping-Labor schaffen, das mit den Staaten unserer Region, die dies benötigen, zusammenarbeitet, und genauso wie wir es im Bereich der Medizin tun, in dem wir auch bereits schon eine Macht sind, tragen wir mit der Kooperation der kubanischen Fachkräfte nicht nur zur Entwicklung des Sports bei, sondern überlegen uns ernsthaft die Errichtung einer lateinamerikanischen und karibischen Fakultät für Körperkultur und Sport, um für diese Länder ihre eigenen Fachkräfte auszubilden, die diese noble und gesunde Aktivität dann in ihren Herkunftsländern ausüben.

Eines Tages werden wir, die Indios mit Schlips und Kragen, beweisen, was wir sind und was wir zustandebringen können.

Vielen Dank.

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