Mittwoch, 19. November 2008

Das Treffen mit Hu Jintao

Reflexionen des Genossen Fidel: Das Treffen mit Hu Jintao

Ich wollte kurz mit ihm sprechen, doch er nötigte mich weiter zu reden; ich stellte einige Fragen, aber hauptsächlich hörte ich ihn zu.

Seine Worte erzählten von den großen Taten des chinesischen Volkes in den letzten zehn Monaten. Große und für die Jahreszeit auβergewöhnliche Schneefälle, ein Erdbeben, das Gebiete dreimal so groß wie Kuba verwüstete, und die schlimmste internationale Wirtschaftskrise seit der Großen Depression der 1930er Jahre haben das gewaltige Land von 1,3 Milliarden Einwohnern heimgesucht.

Mir gingen die enormen Anstrengungen des chinesischen Volkes, seiner Arbeiter, seiner Bauern, seiner Handwerker und Intellektuellen durch den Kopf; der traditionelle Opfergeist und die tausendjährige Kultur dieses Landes. Es sind tausende von Jahren vor der Kolonialepoche, die ihnen vom Westen aufgezwungenen wurde, der auch die gegenwärtigen Mächte der Gruppe der G-7 mit all ihrer Macht und ihren Reichtümern hervorbrachte, die heute die Weltwirtschaft beherrschen

Was für eine kolossale Aufgabe lastet in diesen Zeiten der Globalisierung auf den Schultern dieses Staatsmannes, der es sich nicht nehmen ließ, unsere blockierte, vielen Angriffen ausgesetzte und bedrohte Heimat zu besuchen! Oder zählen wir etwa nicht zu den 60 oder mehr terroristischen Ländern, die präventiv und unerwartet angegriffen werden können! So drückte es zumindest schon vor mehr als sechs Jahren der an Demenz leidende Chef des Imperiums aus, der sich vor fünf Tagen mit der Gruppe der G-20 in Washington traf!

China ist das einzige Land dieser Gruppe, das seine hohe Wachstumsrate durch den Staat regulieren kann, und zwar in dem geplanten Rhythmus von nicht weniger als 8 Prozent im Jahr 2009. Laut Vorschlag des letzten Parteitages soll das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf zwischen 2000 und 2020 vervierfacht werden, gemessen an den konstanten Werten des Jahres 2007, das Jahr, in dem der Parteitag stattfand. Darüber sprach er mit mir im Detail. Frieden vorausgesetzt, würde das Land am Ende dieser Periode pro Jahr das Äquivalent von nicht weniger als 4000 US-Dollar pro Kopf erreichen. Ich denke, man soll und darf auch nicht vergessen, dass China ein Schwellenland ist, dessen Einkommen im Jahr zum Zeitpunkt des Sieges der Revolution, als es weniger Einwohner besaß, unter 400 US-Dollar pro Kopf betrug und Land damals vom Imperialismus gänzlich isoliert wurde. Möge man das mit den 20.000 US-Dollar pro Kopf oder einer noch höheren Summe vergleichen, die heute die kapitalistischen entwickelten Länder wie Japan, die Länder Westeuropas, die Vereinigten Staaten und Kanada genießen. Viele von ihnen übersteigen 40.000 US-Dollar pro Kopf im Jahr, auch wenn die Verteilung in der Gesellschaft ausgesprochen ungleich ist.

China hat der gegenwärtigen Krise etwas entgegen zu setzen und kann weiter voranschreiten, indem es 586 Milliarden seiner Reserven an konvertierbaren Devisen einsetzt, die sich den zwei Billionen US-Dollar annähern, die es auf Kosten harter Arbeit und vieler Opfer akkumuliert hat. Gibt es irgendein anderes Land mit solcher Solidität?

Der Präsident Chinas, Generalsekretär der Partei und Präsident der Militärischen Zentralausschüsse der Partei und des Staates, Hu Jintao, ist ein Staatsmann, der sich seiner Autorität bewusst ist und sie voll zu nutzen weiß.

Die von ihm geführte Delegation unterzeichnete mit Kuba zwölf Abkommen für eine bescheidene wirtschaftliche Entwicklung in einer Region des Erdballs, wo die ganze Insel von Hurrikanen wachsender Stärke heimgesucht werden kann, ein deutlicher Beweis für die Klimaänderung. Das vom Erdbeben betroffene Gebiet Chinas betrug knapp vier Prozent der gesamten Fläche dieses großen multinationalen Staates.

Es gibt Umstände, unter denen die Größe eines unabhängigen Landes, seine geografische Lage und seine Einwohnerzahl eine wichtige Rolle spielen.

Wären die Vereinigten Staaten, die auf der ganzen Welt bereits ausgebildete Intelligenz stehlen, imstande ein Gesetz wie das „Adjustement Act“ auf Chinesen anzuwenden, ähnlich wie sie für Kubaner angewendet haben? Es ist absolut offensichtlich, das das nicht geht. Könnten sie es auf ganz Lateinamerika anwenden? Natürlich auch nicht.

Unterdessen dreht unser wundervolles, kontaminiertes und einzigartiges Raumschiff weiter seine Runden um seine imaginäre Achse, wie es eines der am meisten gesehenen Programme des venezolanischen Fernsehens wiederholt.

Nicht jeden Tag wird einem kleinen Staat das Privileg zuteil, einen Staatsmann mit der Persönlichkeit und dem Ansehen Ho Jintaos zu empfangen. Jetzt wird er nach Lima weiterreisen. Dort wird ein weiteres großes Treffen stattfinden. Bush wird ebenfalls dabei sein, diesmal verbleiben ihm noch sieben Tagen weniger in seinem Amt.

Es wird behauptet, dass in Washington mit nur 20 führenden Staatsmännern aus den teilnehmenden Ländern deren eigene Sicherheitsmaßnahmen und die vom Gastgeber geforderten zur Verhinderung eines jeden Versuches ihrer physischen Vernichtung die Sitten und Gebräuche sowie den Alltag der Stadt verändert hätten.

Wie wird es dann in der großen Stadt Lima sein? Die Stadt würde sicher von den bewaffneten Korps besetzt werden. Sich zu bewegen, wäre eine schwierige Sache, denn dort befinden sich auch die gut trainierten Agenten der supranationalen Organe der Vereinigten Staaten, deren Interessen und Pläne man erst viele Jahre nach dem Ende der Amtszeit des derzeitigen Bosses des Imperiums erfahren wird.

Ich äußerte ihm gegenüber nur sehr kurz gefasst einige Einschätzungen unseres Landes in Bezug auf die Gewohnheiten unseres nördlichen Nachbarn, der uns seine Vorstellungen, seine Interessen und seine Denkweise mittels seiner Flotten voller Nuklearwaffen und Kampfbomber aufzuzwingen beabsichtigt. Ich erläuterte ihm unsere Wertschätzung bezüglich der Solidarität Venezuelas gegenüber Kuba seit den schwierigsten Momenten der Sonderperiode und sprach über den schweren Schlag der Naturkatastrophen; und dass Präsident Chávez, ein großer Bewunderer Chinas, der unerschütterlichste Verteidiger des Sozialismus sei, das einzige System, das geeignet ist, um allen Völker Lateinamerikas Gerechtigkeit zu bringen.

In Beijing genießt der bolivarianische Staatsmann ein gutes Ansehen.

Der Präsident Hu Jintao wiederholte seinen Wunsch, die Beziehungen zu Kuba, einem Land, das er sehr respektiere, weiter zu entwickeln.

Der Gedankenaustausch dauerte eine Stunde und achtunddreißig Minuten. Er war warmherzig, freundschaftlich, bescheiden und versicherte uns seiner Gefühle der Zuneigung. Er schien mir jung, stark und gesund. Wir wünschen unserem bedeutenden und brüderlichen Freund größte Erfolge in seiner Tätigkeit. Danke für seinen anregenden Besuch und für die Ehre, die er mir zuteil werden ließ, sich für eine persönliche Begegnung mit mir interessiert zu haben.


Fidel Castro Ruz

19. November 2008
13.12 Uhr

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