Montag, 21. September 2009

Eine vom aussterben bedrohte Art

Reflexionen des Genossen Fidel: Eine vom aussterben bedrohte Art

Mir hätte es gefallen, heute über das vor 24 Stunden auf dem Revolutionsplatz stattgefundene, außerordentliche Konzert “Paz sin Fronteras” „Frieden ohne Grenzen“ zu sprechen, aber die starrköpfige Realität zwingt mich, über eine Gefahr zu schreiben, welche nicht nur den Frieden sondern ebenfalls das Überleben unserer Art bedroht.

Die Organisation der Vereinten Nationen, deren Aufgabe darin besteht, über den Frieden, die Sicherheit und die Rechte von knapp 200 Staaten zu wachen, die dort über 6,5 Milliarden Erdeinwohner vertreten, wird am kommenden Mittwoch unter Teilnahme der Staatschefs die Debatte in ihrer Vollversammlung eröffnen. Diesmal wird sie aufgrund der außerordentlichen Bedeutung des Themas Dienstag, den 22. September, einer Tagung auf höchster Ebene über den Klimawechsel widmen, die zur Vorbereitung der Konferenz von Kopenhagen vom 7 bis 18. Dezember dieses Jahres dienen soll.

Auf der von der UNO in Rio de Janeiro einberufenen Weltumweltkonferenz habe ich als damaliger kubanischer Staatschef Folgendes behauptet: „Eine Gattung ist vom Aussterben bedroht: der Mensch.“ Als ich jene Worte aussprach und begründete, die mit Applaus von den dort anwesenden Staatschefs empfangen wurden, – einschließlich vom Präsidenten der Vereinigten Staaten, einem in geringerem Maße düsteren Bush, als sein Sohn George W. – glaubten diese, noch über mehrere Jahrhunderte zu verfügen, um sich dem Problem zu stellen. Ich selbst sah es nicht in so naher Zukunft wie 60 bzw. 80 Jahre.

Jetzt handelt es sich um eine wirklich nahe bevorstehende Gefahr und ihre Auswirkungen sind schon sichtbar. Ich werde mich auf einige wenige Details beschränken, die unser, in New York im Namen von Kuba auftretender Außenminister dort ausführlich behandeln wird.

Gemäß Untersuchungen des Instituts für Raumforschungen der NASA ist die Durchschnittstemperatur seit 1980 um 0,8 Grad Celsius angestiegen. Die letzten zwei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts waren die wärmsten über mehrere Jahrhunderte. Der Temperaturanstieg in Alaska, dem kanadischen Westen und dem Osten von Russland ist dermaßen groß, dass er den Weltdurchschnitt verdoppelt. Das Eis des Nordpols schwindet schnellstens dahin und es kann sein, dass dieses Gebiet zu einem so nahen Zeitpunkt wie das Jahr 2040 seinen ersten Sommer vollkommen frei von Eis erleben wird. Die Auswirkungen sind an den über zwei Kilometer hohen, schmelzenden Eismassen von Grönland sichtbar, an den Gletschern von Südamerika, von Ecuador bis zum Kap Hoorn, die bedeutende Wasserquellen sind, und an der riesigen, die ausgedehnte Antarktis bedeckenden Eiskappe.

Die jetzigen Kohlendioxidkonzentrationen haben ein Äquivalent von 380 Teilen Kohlendioxid je Million Teile Luft erreicht, eine Menge, welche das natürliche Maß der letzten 650 000 Jahre übersteigt. Die Erderwärmung beginnt schon, die natürlichen Systeme auf der ganzen Welt zu beeinträchtigen. Wenn das voll geschehen würde, wäre es zerstörerisch für alle Völker.

Die Wissenschaftler haben entdeckt, dass vor mehr als 3 Milliarden Jahren die ersten Formen elementaren Lebens auf der Erde entstanden sind. Seitdem haben dieselben auf der Grundlage von unerbittlichen biologischen Gesetzen eine ständige Evolution zu höheren, komplexeren Formen durchlaufen. Unsere heutige Art, den Homo sapiens, gibt es seit kaum 150.000 Jahren, einem unbedeutenden Bruchteil der Zeitspanne, seit welcher das Leben entstand. Obwohl die Griechen schon mehrere Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung bestimmte astronomische Kenntnisse besaßen, ist dem Menschen erst vor knapp über 500 Jahren, nach einer langen mittelalterlichen Dunkelheit, bekannt geworden, dass die Erde rund und nicht eben ist. Ein kühner, aus Genua stammender Admiral mit soliden Kenntnissen nahm sich vor, auf der Suche nach Indien mit Schiffen in Richtung Osten zu fahren, anstelle Afrika südlich zu umfahren. So begann die europäische Kolonisierung dieser Hemisphäre und vom Rest der Welt.

Die menschliche Art konnte mit recht großer Genauigkeit die volle Erdumdrehung alle 24 Stunden und die Translation des Planeten um die riesige glühende Sonnenmasse innerhalb von ungefähr 365 Tagen bestimmen. Diese und andere singuläre Umstände waren mit der Existenz und dem Leben aller bis dahin vorhandenen Arten verbunden.

Seit der Antike waren die fortschrittlichsten Philosophen und Denker auf der Suche nach der sozialen Gerechtigkeit. Trotz alledem hat die direkte Sklaverei noch rechtlich bis vor 129 Jahren angedauert, Zeitpunkt, zu dem die Abschaffung der Sklaverei in der spanischen Kolonie Kuba erklärt wurde.

Von meinem Standpunkt aus gesehen war die von Darwin in seinem Buch „Über die Entstehung der Arten“ dargelegte Evolutionstheorie eine der zwei wichtigsten wissenschaftlichen Entdeckungen. Manche sahen in ihr einen Antagonismus zu den verschiedenen religiösen Glaubensrichtungen; jedoch kein Wissenschaftler verneint sie heutzutage und viele von ihnen, die sich aufrichtig zu religiösen Glaubensrichtungen bekennen, sehen in der Evolution den Ausdruck des göttlichen Willens.

Die allgemeine Relativitätstheorie von Albert Einstein war der andere entscheidende Beitrag. Diese wurde 1915 dargelegt und war Ausgangspunkt für viele andere Forschungen nach dem Tod des Autors im April 1955. Wenige Menschen haben so großen Einfluss auf das Schicksal der Welt ausgeübt wie er. Aus Besorgnis, dass die Nazis die Atombombe herstellen könnten, überzeugte Einstein Roosevelt, die Forschungen zur Herstellung derselben zu beginnen. Als Truman sie über den wehrlosen zivilen Städten Hiroshima und Nagasaki zum Explodieren brachte, hat diese Tatsache ihn so mitgenommen, dass er zu einem überzeugten Pazifisten wurde. Heutzutage besitzen die Vereinigten Staaten tausende Atomwaffen, die mächtiger als jene sind und welche die Weltbevölkerung mehrfach ausrotten könnten. Sie sind gleichzeitig die größten Hersteller und Exporteure von Waffen aller Art.

Der beschleunigte Rhythmus der wissenschaftlichen Forschungen auf allen Gebieten der materiellen Produktion und der Dienstleistungen unter den Bedingungen der nach dem Zweiten Weltkrieg der Welt auferlegten Wirtschaftsordnung hat die Menschheit zu einer unhaltbaren Situation geführt.

Es ist unsere Pflicht, die Wahrheit zu fordern. Die Bevölkerung aller Länder hat das Recht, die Faktoren zu kennen, welche den Klimawechsel hervorrufen, und zu erfahren, welche die heutigen Möglichkeiten der Wissenschaft zur Umkehrung der Tendenz sind, wenn es sie wirklich noch gibt.

Das kubanische Volk, besonders seine wunderbare Jugend, hat gestern bewiesen, dass es möglich ist, selbst unter einer brutalen Wirtschaftsblockade unvorstellbare Hindernisse zu überwinden.


Fidel Castro Ruz

21. September 2009
17:44 Uhr

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