Samstag, 28. April 2001

Deklaration des Comandante en Jefe: Ich glaube an die Extraterritorialität der Ehre und der Würde des Menschen

Die Nachrichtenagentur NOTIMEX meldet, Richter Garzón habe auf die Frage einer Journalistin des Listín Diario, ob er es wagen würde, Fidel Castro zu einer Haftstrafe zu verurteilen, geantwortet: Es darf nicht gegen im Amt stehende Staatsoberhäupter wegen eines Delikts, ganz gleich welcher Art, vorgegangen werden und es finden die gleichen Normen der Vereinbarungen von 1969 sowie der Nichthaftbarkeit der Staatschefs Anwendung. Nur ein internationaler Gerichtshof darf dies tun. Der genannten Meldung zufolge äußerte Garzón, es sei ihm unbekannt, ob Castro die Verhaftung Pinochets erschrocken habe, erinnerte jedoch daran, daß das kubanische Regierungsoberhaupt in Spanien ein Gespräch geführt hatte, bei dem er nicht die dafür vorgesehene Zeit blieb und es nach ein paar Stunden verließ.

Der Richter bejahte, einige gegen das kubanische Oberhaupt sprechende Dossiers erhalten, sie jedoch nicht eingehend geprüft zu haben, da es aufgrund der durch die internationalen Normen festgelegten Grenzen kein ausübbares Klagerecht gäbe. Andere Agenturen verbreiten mehr oder weniger die gleiche Meldung.

Garzón hat seine Antwort bereits gegeben und seine Meinung zum Ausdruck gebracht. Nun steht es mir zu, die meine zu äußern.

Hinsichtlich der dem Richter Garzón übersandten Unterlagen weiß ich recht wohl, daß die kubanisch-amerikanische Terroristenmafia hinter jenen Umtrieben stand und große Hoffnungen auf ihn gesetzt hatte.

Nie empfand ich auch nur die geringste Befürchtung im Hinblick auf den Herrn Garzón und empfinde sie auch jetzt nicht. Schlicht und einfach befinde ich mich nicht in seinem noch in dem Zuständigkeitsbereich der spanischen Gesetze.

Es gibt keine internationale Norm, die ihm Befugnisse der Rechtsprechung über einen Bürger eines anderen Landes zuerkennt, der in Spanien weder lebt noch irgendeine Übertretung begangen hat. Die spanischen Landesgesetze tragen keinen extraterritorialen Charakter, wie ihn auch das Helms-Burton-Gesetz und die Landesgesetze der Vereinigten Staaten nicht haben dürfen. Das diente lediglich als gefährliche Waffe in der Hand der mächtigsten Staaten gegen die kleinen Länder, die sich gegen deren Interessen auflehnen. Die Führer einer jeden revolutionären Bewegung - so ethisch ihr Verhalten und so gerecht ihre Sache auch sein mag -, dürften sonst, sollten sie dem Imperialismus nicht genehm sein, von diesem nach seinem Gutdünken nach seinen nationalen Gesetzen und der Willkür seiner oftmals bestechlichen und korrupten Richter gerichtet werden.

Das durch Pinochet und die widerwärtigen Verberchen der argentinischen Militärregierung mit ihren Zehntausenden Gefolterten und Vermißten hervorgebrachte allgemeine Gefühl des Hasses darf keine Rechtfertigung sein, um den Vereinigten Staaten und ihren NATO-Verbündeten die Extraterritorialität ihrer Gesetze und Richter zu gewähren.

Als ich bei dem spanischen König Juan Carlos in den frühen Vormittagsstunden an einem Tag des Iberoamerikanischen Gipfeltreffens in Porto zum Gespräch war, überbrachte mir jemand die Mitteilung, daß man Pinochet in Großbritannien verhaftet hatte. Dabei fiel mir ein: Wie seltsam, wo doch Pinochet derjenige war, der den Engländern im Krieg um die Falklandinseln die meiste Unterstützung geleistet hatte!

Nach Abschluß des Gipfels fuhr ich über Land, der freundschaftlichen Einladung des Herrn Juan Carlos Rodríguez Ibarra, Vorsitzender des Rates des Autonomen Gemeindeverbandes Extremadura Folge leistend, in dessen Hauptstadt Mérida, in der wir nach Mitternacht anlangten, er uns mit großer Gastfreundlichkeit und Herzlichkeit empfing. Wir übernachteten dort.

Am folgenden Tag beantwortete ich nach dem Besuch des Nationalmuseums für Römische Kunst und - neben anderen historisch bedeutsamen Stätten - der Ruinen des Amphitheaters aus jener Zeit Fragen einiger Journalisten zum Thema der in Großbritannien erfolgten Festnahme und dem möglicherweise in Spanien zu führenden Prozeß gegen den Herren Pinochet und sagte ihnen:

"Moralisch gesehen sind Festnahme und Sanktion gerecht.

Vom Gesetz her ist das Vorgehen fragwürdig.

Politisch gesehen meine ich, daß es in Chile zu einer komplizierten Situation führen wird aufgrund der Art und Weise, wie sich in jenem Land der politische Prozeß entwickelt hat."

Ferner fügte ich hinzu:

"Pinochet hat nicht allein gehandelt. Der Präsident der Vereinigten Staaten, seine Regierung und die obere Staatsführung haben entschieden, Allende zu stürzen, und zwar von dem Tag seiner Wahl an. Sie haben bedeutende Mittel bereitsgestellt; sie haben angewiesen, erstens seine Amtsübernahme auf jegliche Weise zu verhindern und zweitens zu versuchen, ihn im Verlauf der gesamten darauffolgenden Zeit zu stürzen."

Ich war ganz enschieden dafür, über Pinochet in Chile zu richten und zu bestrafen.

Ich verstehe vollkommen das Empfinden derer, die so viele absolut straffrei verübten Verbrechen an den Völkern erlebt haben. Es war in der politischen Geschichte Lateinamerikas zur Tradition geworden. Das kubanische Volk hat sie mehr als einmal zu spüren bekommen. Doch nachdem die Revolution gesiegt hatte, wurden die Kriegsverbrecher, so wie es dem Volk versprochen worden war, vor Gericht gestellt und bestraft; ausgenommen jene, die nach Foltern und Morden Zehntausender Kubaner in den Vereinigten Staaten Zuflucht fanden. Das ungesetzlich erworbene Vermögen der Veruntreuer wurde beschlagnahmt. Es war das erste Mal in der Geschichte Lateinamerikas, daß eine derartig umfassende und geregelte Gerechtigkeit durchgesetzt wurde.

Alle Welt weiß, daß es die Regierung der Vereinigten Staaten war, die nicht nur den Staatsstreich in Chile förderte, sondern auch die Militärregierungen Argentiniens und Uruguays, die Konterrevolution in Guatemala, den schmutzigen Krieg in Nicaragua und die blutigen Repressionen in El Salvador förderte und unterstützte. Sie lieferte ihnen Waffen und leistete Wirtschaftshilfe; übernahm, auf dem Boden der Vereinigten Staaten selbst, die Ausbildung von Tausenden von Folterknechten in den für den Erhalt von Information und das Verbreiten von Terror raffiniertesten Techniken. Nicht einmal Hitlers Gestapo hatte solch extreme Greueltaten verübt. Jene Regimes ließen mehr als 150 000 Personen verschwinden und ließen Hunderttausende mit dem Leben bezahlen. Das ist bewiesen und gestanden in den amtlichen aus der Geheimhaltung freigegebenen Unterlagen. So fragt man sich mit Recht, warum keiner der für diese verbrecherische Politik verantwortlichen US-Beamten in den Pinochet-Prozeß aufgenommen wurde.

Es ist eine internationale Gesetzesordnung mit strikten und präzisen Normen gegen Völkermord und Kriegsverbrechen einzurichten sowie ein vollkommen unabhängiges Justizorgan unter Federführung der UN-Vollversammlung, niemals unter der des Sicherheitsrates, solange es das Vetorecht gibt, das einer Gruppe von nur fünf Ländern, darunter die hegemonistische Supermacht, die mehr als die anderen ständigen Mitglieder des Rates zusammengenommen davon Gebrauch gemacht hat, außergewöhnliche Vorrechte einräumt.

Kuba erleidet einen Wirtschaftskrieg, der bereits mehr als 42 Jahre andauert. Gegen Kuba sind schwere Verbrechen und Akte des Völkermords begangen worden, wie es die Blockade des Handels mit Nahrungsmitteln und Medikamenten ist, die als solch ein Verbrechen - auch in Kriegszeiten - in den von Kuba und den Vereinigten Staaten unterzeichneten Konventionen von 1948 und 1949 gelten, vorgesehen sind und verurteilt werden. Und nicht nur das. Diese Konventionen berechtigen die Gerichte des Opferlandes, über die Verantwortlichen zu richten, solange kein internationaler Gerichtshof mit Befugnissen dafür ausgestattet ist.

Der Fall Pinochet muß warnendes Beispiel sein, damit die unterentwickelten und militärisch schwachen Völker, die die übergroße Mehrheit der Länder der Welt bilden, nicht das selbstmörderische Risiko eingehen, der Supermacht und ihren NATO-Verbündeten das Privileg einzuräumen, über alle anderen Länder zu richten, sondern daß von den Vereinten Nationen entsprechende Maßnahmen gefordert werden, die Gerechtigkeit und Schutz für alle Völker der Welt gegen Kriegsverbrechen und Taten des Völkermords gewährleisten. Kuba wird in der Unterstützung dieser Forderung den ersten Platz einnehmen.

Wie gesagt, ich danke Richter Garzón für seine vernünftige Antwort an die Journalistin des Listín Diario; und das nicht für seine Worte, noch weil er unterließ, die von Mafia Miamis erstellten Unterlagen im Detail zu prüfen oder weil ich das Amt eines Staatschefs bekleide, was ihm zufolge die Möglichkeit einer Rechtshandlung ausschließt. Klarstellen muß ich jedoch, daß ich meine Abreise aus Spanien um keine Minute vorverlegt habe. Von Mérida fuhr ich per Auto zum Palast Moncloa zum Höflichkeitsbesuch beim Präsidenten der spanischen Regierung, José María Aznar, als elementare und im voraus mit ihm vereinbarte Aktivität. Es war dieses das einzige vereinbarte Madrider Gespräch. Vom Palast Moncloa fuhr ich zum Flughafen. Es war bereits Abend. Ehrlich gesagt war ich der vielen Autobahnen überdrüssig; der vielen Autoschlangen, der vielen Staus und der großen Verschwendung von Beleuchtung und Strom, von denen die Hauptstadt Spaniens überhäuft ist, so daß ich nicht den geringsten Wunsch verspürte, durch die verstopften Straßen von Madrid zu gehen. Vom Flughafen aus grüßte ich per Telefon den damaligen Koordinator der Vereinten Linken und treuen Freund Julio Anguita und startete nach Kuba in meiner lieben und alten IL-62, mich auf die sowjetische Technik verlassend.

Ich entschuldige Herrn Garzón dafür, daß er die Kubaner nicht kennt, und sicher hat er sich nur sehr wenig mit der Geschichte ihrer Kämpfe gegen Hunderttausende mutiger spanischer Soldaten befassen können. Ungeachtet des enormen Unterschiedes an Truppenstärke und Waffen sind die kubanischen Patrioten, einer kriegstüchtigen Armee gegenüber, niemals der Gefahr ausgewichen.

Obwohl nach der opportunistischen Intervention des im Entstehen befindlichen US-amerikanischen Imperiums Kuba von der Kolonialmacht an die Vereinigten Staaten abgetreten wurde und uns dieses im Kommen befindliche Imperium einen Verfassungszusatz aufzwang, der ihm das Recht zu intervenieren gab, sind wir heute ein freies Volk, das ehrenhaft seine Unabhängigkeit gegen die Aggressionen, die Anfeindung und den Haß der nun schon gigantischen Macht, die wir zum Nachbarn haben, verteidigt.

Kein Sterblicher darf sich der Illusion hingeben, gefürchteter als die Götter zu sein.

Ich bin stets unbesorgt gewesen und werde es auch für den Rest meines Lebens sein, denn ich weiß die Rechte meines Volkes und die Ehre der kleinen, armen und schwachen Nationen mit Würde zu verteidigen, und stets war ich von einem tiefen Gerechtigkeitssinn beseelt. Ich bin Revolutionär und werde es bis zu meinem Tode bleiben. Sollte ein Richter oder eine Behörde Spaniens oder eines anderen NATO-Landes unter Gebrauch willkürlicher extraterritorialer Befugnisse und unter Verletzung von Rechten, die mir heilig sind, einmal versuchen, mich festzunehmen, so sollte man im voraus wissen, daß es zum Gefecht kommen wird, ganz gleich, an welchem Ort sie diesen Versuch starten. Ich glaube an die Extraterritorialität der Ehre und der Würde des Menschen.

Fidel Castro

28. April 2001

Mittwoch, 25. April 2001

Die Geschichte wird bestimmen, wer im Recht ist

Antwort des Comandante en Jefe Fidel Castro Ruz gegenüber dem Moderator der informativen Podiumsdebatte vom 25. April 2001, bezüglich Erklärungen des kanadischen Premierministers Jean Chrétien während des 3. Amerikagipfels.

Comandante: Sehr gut, so, nun Geduld. Vielleicht ist dieses Material von Interesse, wenn du mir das Wort erteilst.



Mir schien, es würde sich lohnen, dafür einige Minuten zu verwenden.



Wirst du vom Austragungsort sprechen?



Randy Alonso: Vom Austragungsort des 3. Gipfeltreffens und den Erklärungen, die der kanadische Premierminister abgab.... Es gab einige Erklärungen des Premierministers, und es gab auch Erklärungen des Außenministers.



Comandante: Ja, ich wählte eine aus, denn derjenige, den ich am meisten kenne, ist der Premierminister, und mit ihm bin ich am meisten befreundet.



Gut, damit das Volk versteht, um was es sich handelt:



„Quebec (Kanada), 19. April (EFE): der kanadische Premierminister Jean Chrétien rechtfertigte heute den Ausschluß Kubas vom 3. Amerikagipfel aufgrund des Fehlens von Gesten des kubanischen Regimes bei Themen im Zusammenhang mit den Menschenrechten, obgleich er ‚Stunden damit verbracht habe‘, Fidel Castro zu überzeugen, seine Politik zu verändern.



Bei seiner Ankunft im Kongreßzentrum von Quebec, wo an diesem Wochenende das Gipfeltreffen stattfinden wird, wurde Chrétien gefragt, ob er seine Position bezüglich des Einschlusses Kubas in den Prozeß der Gipfeltreffen der Länder des amerikanischen Kontinents verändert habe, da er bei den vorhergehenden Gipfeltreffen in Miami und Santiago die Präsenz des Castro-Regimes gefordert hatte.



‚ Ich habe meine Meinung nicht geändert‘, antwortete Chrétien.



Der kanadische Premierminister zeigte sich zugeknöpft, als man ihn fragte, ob Kuba aufgrund der Ablehnung Washingtons nicht in Quebec zugegen sei.



Als man ihn drängte, zu benennen, welches andere Land des Kontinents sich der Teilnahme Castros am 3. Amerikagipfel widersetzt habe, antwortete Chrétien gleichfalls: ‚ Fragen sie das diese Länder‘.



Der kanadische Premierminister fügte hinzu, daß er ‚ viele Stunden damit verbracht‘ habe, ‚ Castro zu überzeugen´, einige Vereinbarungen über Menschenrechte zu unterzeichnen, doch er empfing keine Geste des Regimes von Havanna.



‚ Ich verbrachte Stunden mit ihm (Fidel Castro) bei dem Versuch, ihn davon zu überzeugen, daß er einige Resolutionen der Vereinten Nationen unterzeichnet‘, beharrte Chrétien.“



Ich habe viel über diese Aussage des Herrn Chrétien nachgedacht. Es bestand keinerlei Erfordernis, eine vorschnelle und improvisierte öffentliche Bewertung jenes Treffens zu verbreiten.



Ich habe daran gearbeitet, Daten zu suchen und mit der größtmöglichen Objektivität das zu rekonstruieren, was wir dort besprachen, und die Atmosphäre, in der unsere Gespräche vonstatten ging.



Ich bringe hier eine schriftliche Reflexion, und zwar wegen der Notwendigkeit der Präzision aufgrund des delikaten Charakters der Themen.



Kurz nach Beginn des Teffens legte er auf eine fast abrupte Art und Weise eine kleine Namensliste auf den Tisch, die er offensichtlich erst kurz zuvor erhalten hatte. Ich erriet fast, um was es sich handelte. Das war immer dann etwas Gewöhnliches, wenn uns eine politische Persönlichkeit irgendeines mit den Vereinigten Staaten verbündeten Landes oder irgendein US-Politiker besuchten: das State Department übergab ihm eine Liste mit Personen, die wegen konterrevolutionären Aktivitäten angeklagt oder verurteilt wurden. Die Listen waren immer von denen angeführt, die von größter Wichtigkeit oder größtem Interesse für die Geheimdienste oder die Regierung der Vereinigten Staaten waren. Er forderte deren Begnadigung oder Freilassung. Dies war eine unveränderte Taktik der US-Regierung, um zugunsten ihrer Freunde Druck auszuüben, unter Ausnutzung jeglichen freundschaftlichen Besuches in Kuba. Da man in unserem Land mit der größtmöglichen Toleranz vorzugehen pflegt, nehmen die Behörden nur in Ausnahmefällen die Verhaftung und Aburteilung der verwickelten Personen vor, wenn deren provokative Handlungen schwerwiegend oder total unannehmbar sind.



Der kanadische Premierminister erinnerte mich daran, daß aus Anlaß des Papstbesuches eine Anzahl von wegen konterrevolutionären Straftaten verurteilten Personen begnadigt worden war, und er hatte sich verpflichtet, um das Gleiche für die in der Liste enthaltenen Personen zu bitten.



In Wirklichkeit behandelte der Papst dieses Thema niemals während seines Gesprächs mit mir, und er hatte dies über seinen Staatssekretär bei einem anderen Gespräch mit dem Außenminister getan.



Ohne auf die Antwort zu warten, schlägt er unmittelbar darauf vor, daß Kuba die UN-Konvention über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte unterzeichnet, da Kuba in diesem Bereich genauso viel oder mehr als jedes andere Land der Erde getan habe. Dies war ohne Zweifel ein einschmeichelnder Satz und eine äußerst geschickte und zweckmäßige Art, etwas vorzubringen.



Ich erinnere mich, daß er daraufhin das Freihandelsabkommen zwischen Kanada, Mexiko und den USA erwähnt, und die Vorhaben, dies auf den Rest Lateinamerikas auszudehnen, wobei er seine Meinung zum Ausdruck bringt, daß Kuba einen wichtigen Beitrag leisten könne.



Und schließlich bezieht er sich auf den Vertrag gegen Anti-Personen-Minen, wobei er bedauert, daß Kuba ihn nicht unterzeichnet habe, und darum bat, daß es dies tue. Das waren die vier Punkte, mit denen er seine Gespräche begann. Alle schienen sie sehr einfach zu sein; trotzdem waren diese vier Punkte äußerst kompliziert.



Ich fragte ihn, ob es bei den kanadischen Politikern normal wäre, mit dem Schwierigsten zu beginnen, und ich fügte ihm gegenüber scherzhaft hinzu, daß wir im Falle eines Nichtbestehens dieser Proben den Besuch platzen lassen müßten.



Ich glaube mich zu erinnern, daß das Treffen etwa zwei Stunden dauerte, in höflichem und respektvollem, aber offenem Ton. Ich muß gestehen, daß ich den Großteil der Zeit verwendete, denn es war notwendig, mit einer bestimmten Tiefgründigkeit den Grund für unsere Positionen argumentativ vorzubringen, besonders hinsichtlich dreier der erwähnten Punkte.



Es ist unmöglich, hier jedes dieser Argumente zu wiederholen. Nur eine sehr kurze Zusammenfassung, mit den wichtigsten Antworten.



Ich sagte ihm, daß ich nicht persönlich und unmittelbar entscheiden oder mich hinsichtlich einer der Fragen verpflichten müßte, genauso wenig wie die Schaffung von falschen Hoffnungen bezüglich der zu treffenden Entscheidungen. Ich sagte, daß die weithin veröffentlichte Frage der angeblichen Gewissensgefangenen eine alte Geschichte sei, nach fast 40 Jahren jeder Art von Missetaten und Verbrechen gegen Kuba von Seiten der US-Regierung. Ich zählte sie ausführlich und detailliert auf und stellte sie der tadellosen Haltung und der Ethik unserer Revolution gegenüber, trotz der Flut von über Kuba ausgestreuten Gemeinheiten und Verleumdungen. Ich erläuterte die Scheinheiligkeit und Doppelmoral der gegen die Revolution verfolgten Politik. Die Umstände, die uns gezwungen hatten, inhaftierte Personen zu haben. Daß wir allein in Girón 1 200 Invasoren gefangengenommen hatten, und daß die Revolution selbst seit den ersten Jahren diejenigen nach und nach in Freiheit gesetzt hatte, die im Dienste einer ausländischen Macht über vier Jahrzehnte hinweg versucht hatten, sie zu zerstören. Das Thema derer, die aus diesem Grund inhaftiert seien, werde ständig dazu benutzt, um Druck auf Kuba auszuüben, das Land, das die Feindschaft und von außen kommende Aggression erlitt. Ich erwähnte die schwerwiegenden Bedrohungen, denen wir immer noch ausgesetzt waren, wie die von den Vereinigten Staaten organisierten und bezahlten Terrorakte.



Zu einem Zeitpunkt sagte er mir, daß er wünsche, diese Situation zu überwinden, damit wir zu der großen Familie zurückkehrten. Ich sagte ihm, daß wir Lateinamerikaner seien und fragte ihn, ob es sich darum handele, daß wir zur großen Familie zurückkehrten oder daß die große Familie zu uns zurückkehrte. Ich beendete diesen Punkt, indem ich ihm antwortete, daß er eine Liste von Personen gebracht habe, die Söldner im Dienst der Vereinigten Staaten und von diesen bezahlt seien, und daß sie in Komplizenschaft mit den USA versuchten, die Revolution zu zerstören. Als Freund müsse ich ihm sagen, daß diese Liste erniedrigend für Kuba sei. Er bemühte sich zu erklären, daß dies nicht seine Absicht sei und daß er die Liste vielleicht zu früh vorgelegt hätte.



Nicht alles war dramatisch. Es gab Scherze und sogar eingeschobene Witze. Dieser mit einer gewissen Ausführlichkeit behandelte Teil kann eine Idee von der Intensität der ersten Stunde des Gesprächs vermitteln.



Bezüglich seiner Betonung der hemisphärischen Familie sagte ich ihm, daß ich mich darüber sehr freue, doch ich dächte auch an die universale Familie: Europa, Asien und Afrika.



Hinsichtlich des zweiten Punktes, der UN-Konvention über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte, zögerte ich nicht ihm zu sagen, daß wir alle Artikel unterzeichnen könnten, außer zweien, den Artikeln 8 und 13. Der erste könne sehr gut für ein kapitalistisches Land wie Kanada, USA oder eines aus Lateinamerika gelten, denn in einen regierten die Unternehmer oder die Oligarchen und in anderen die großen Multis. Dort spalteten, zersplitterten und, wenn dies möglich sei, korrumpierten und entfremdeten sie die Arbeiter, die nur sehr wenig machen könnten gegen die politische Macht der Arbeitgeber. Es handele sich um Wirtschaftssysteme, die sich von unserem unterschieden.



Im Zusammenhang mit diesem Artikel der Konvention, wo man davon spricht, daß jede Person das Recht hat, Gewerkschaften zu gründen und sich denjenigen seiner Wahl anzuschließen, einzig den Statuten der entsprechenden Organisation untergeordnet, um ihre wirtschaftlichen und sozialen Interessen zu fördern und zu schützen, sagte ich, daß ein solches Gebot in einem Land wie Kuba, wo alle Hand- und Kopfarbeiter in ihren jeweiligen Gewerkschaften organisiert und fest vereint sind als revolutionäre Klasse, welche die Macht mit dem Rest des Volkes, den Bauer, Frauen, Studenten, Nachbarn und den Bürgern im Allgemeinen teilt, als Waffe und Vorwand des Imperialismus dienen würde, um den Versuch der Spaltung und Zersplitterung der Arbeiter zu unternehmen, künstliche Gerwerkschaften zu schaffen und ihre Schlagkraft und ihren politischen und gesellschaftlichen Einfluß zu mindern. In den Vereinigten Staaten und vielen Ländern Europas und anderer Regionen bestehe die Strategie des Imperialismus darin, die Gewerkschaftsbewegung zu spalten, zu schwächen und zu korrumpieren, bis sie sich den Arbeitgebern völlig wehrlos gegenüber sieht. In Kuba wäre das Ziel hauptsächlich subversiver und destabilisierender Natur und darauf gerichtet, die politische Macht zu unterhöhlen, die außergewöhnliche Kraft und den außerordentlichen Einfluß unserer Arbeiter zu verringern und den heldenhaften Widerstand des einzigen sozialistischen Staates in der westlichen Hemisphäre gegenüber der hegemonischen Supermacht zu erodieren.



Das andere Gebot könne man auch nicht unterschreiben, da es die Türen öffenen würde für die Privatisierung der Bildung, die in der Vergangenheit zu schmerzhaften Differenzen und lästigen Privilegien und Ungerechtigkeiten geführt hätte, einschließlich der Rassendiskriminierung, die unsere Kinder niemals mehr erfahren werden. Ein Land, dem es in nur einem Jahr gelang, das Analphabetentum auszurotten, das eine durchschnittliche Schulbildung von neun Jahren erreichte, über ein außerordentliches und massenhaftes Kontingent von Dozenten und Lehrern und das gesündeste und erfolgreichste Bildungssystem der Welt verfügte, brauche keine Verpflichtung hinsichtlich eines solchen Gebotes eingehen.



Ich sagte Chrétien, daß Lateinamerika seit fast 200 Jahren versuche, das Analphabetentum zu beenden, und es habe es immer noch nicht geschafft.



Chrétien schlug vor, daß wir die Konvention unterzeichnen und die Einschränkung bezüglich der beiden Artikel machen. Wir antworteten ihm, daß man später von Nichteinhaltung der Konvention spräche und niemand von den Einschränkungen, mit denen sie unterzeichnet wurde, wisse oder sich an sie erinnere. Damit könne man nicht spielen!



Bezüglich des Vertrages über die Minen sprachen wir nicht viel bei diesem Treffen. Ich informierte ihn im Voraus darüber, daß wir ihn nicht unterzeichnen würden. Daß wir sogar einen Militärstützpunkt der Vereinigten Saaten auf unserem eigenen Territorium hätten. Daß die Minen einzig zwischen der Grenze des Stützpunktes und dem Rest unseres Staatsgebiets installiert seien. Daß die Minen für uns eine defensive Waffe darstellten und wir nicht den Fehler begehen würden, auf sie zu verzichten; daß wir keine Atomwaffen und keine intelligenten Bomben oder Raketen besäßen, genauso wenig wie andere moderne Kriegsmittel, welche die USA besitzen. Daß über unserem Land eine reale Bedrohung schwebe und wir aus diesem Grund nicht daran dächten, den Vertrag zu unterzeichnen.



Später kam er erneut auf das Thema aus einer Perspektive zurück, die ich zu diesem Zeitpunkt nicht hätte erahnen können. Bei Beendigung dieses ersten Treffens versicherte er mir mit offensichtlicher Zufriedenheit und Aufrichtigkeit, daß es eine exzellente Diskussion gewesen sei. Die Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte der bei unserem ersten Gespräch behandelten Themen kann den Eindruck verleiten, es sei schroff gewesen. Nichts ist weiter von der Wirklichkeit erntfernt. Zu jedem Zeitpunkt dominierte eine herzliche und freundliche Atmosphäre.



Mir schien es deutlich wahrzunehmen – wenn er es auch nicht sagte, doch ich entnahm es sehr wohl der Gesamtheit dessen, was Herr Chrétien sagte -, daß er angesichts der Gegenwart eines so mächtigen Nachbarn, mit dem er eine 8 644 km lange Grenze teilt, Furcht wegen der Zukunft seines Landes verspührte. Im Bewußtsein der zwei starken Kulturen und tief verwurzelten unterschiedlichen Traditionen beunruhigt ihn das Risiko für die Einheit seines Staates durch jegliche Ambition, einen Fehler oder eine einfache Erschütterung des Nachbarn, die das Land auflösen könnten. Für dieses enorme und reiche Territorium, bewohnt von nur 32 Millionen Menschen, wo sich nebem anderen Ressourcen - wie mir Chrétien selbst sagte – ein Viertel der weltweiten Trinkwasserreserven befindet, stellen die Vereinigten Staaten – vielleicht noch mehr als für Kuba -, einen starken Kopfschmerz dar.



Zu dem vielleicht interessantesten Moment des Gesprächs, bei dem Chrétien seine intelligenteste Idee vorstellte, die fähig war, selbst bei einem seiner Ideologie ziemlich weit entfernten Gesprächspartner ein Gefühl der Solidarität hervorzurufen, kam es, als er erzählte, daß er sich der Idee eines einzig mit den USA geschlossenen Freihandelsabkommens widersetzt hatte. Man mußte wenigstens einen Dritten finden, und es tauchte Mexiko auf, mit dem er bei vielen Gelegenheiten Positionen im Gegensatz zu den Manövern der Vereinigten Staaten teilte. Im Jahr 2005 seien es 34 Länder, und hoffentlich 35 (eine offensichtliche Anspielung auf Kuba), um die Balance mit den USA zu finden.



Bei einer Gelegenheit sagte er mir, daß Kanada ein sehr über seine Unabhängigkeit in Bezug auf die USA wachendes Land sei, daß es von großer Wichtigkeit sei, die Unabhängigkeit von den Vereinigten Staaten zu bewahren, und daß seine Politik darin bestünde, enge und freundschaftliche, aber sehr unabhängige Beziehungen zu jenem Land beizubehalten. Er bekräftigte mir gegenüber stolz, daß Kanada bereits mit dem Silicon Valley in Kalifornien wetteifere, wo die ganze Hochtechnologie produziert wird.



Das zweite Treffen mit Chrétien und seiner Delegation findet am Abend statt. Es gab ein Abendessen und einen noch weitergehenden Meinungsaustausch. Als bei einer bestimmten Gelegenheit der von der berühmt-berüchtigten Stiftung organisierte Attentatsplan gegen mich auf der Isla de Margarita angesprochen wurde, sagte er mir, daß dies oftmals der Grund für große Schwierigkeiten sei, denn der Zwischenfall mit den Flugzeugen hätte der US-Regierung dieses Problem gebracht, die bereit gewesen sei, einen positiven Schritt im Hinblick auf Kuba zu unternehmen. Ich erzählte ihm vom Cuban Adjustment Act und seinen absurden und irrationalen Folgen.



Wir sprachen auch vom Helms-Burton-Gesetz. Er sagte mir, daß sich die USA bezüglich dieses Gesetzes in der Isolation befänden. Er persönlich sei der erste gewesen, der eine Erklärung abgegeben habe, als es verabschiedet wurde. Bei einem Treffen mit den Premierministern der Karibik gaben sie gemeinsam die erste Erklärung gegen das Helms-Burton-Gesetz ab.



Im Zusammenhang mit dem Zwischenfall der Flugzeuge im Jahr 1996, der als Vorwand zur Verabschiedung des Helms-Burton-Gesetzes genommen wurde, sagte ich ihm, daß die nahezu komplette Geschichte des Zwischenfalls in der Zeitung The New Yorker vom 26. Januar 1998 nachzulesen sei.



Als er mich über die Freihandelszone auf dem amerikanischen Kontinent (ALCA) befragte, sagte ich ihm, daß man Geduld haben und wissen müsse, was in Lateinamerika mit diesem Freihandelsabkommen geschehen würde, welche die Folgen nicht nur für unsere Länder seien, sondern auch für den Rest der Welt, sowie die Kniffe, um eine multilaterale Investionsvereinbarung aufzuzwingen. Diese Fragen besorgten uns sehr. Es sei notwendig, diese Fragen tiefgreifend zu untersuchen. Ich erzählte ihm von konkreten Aspekten unserer Wirtschaft, von ergriffenen Maßnahmen, um der Spezialperiode zu begegnen; der Unmöglichkeit des Verzichtes auf Zölle für viele Länder Lateinamerikas und der Karibik, von denen einige auf diesem Weg bis zu 80 % der Haushaltseinnahmen erzielten. Auf meine Frage, ob die Integration Europas und das Auftauchen des Euros sein Land in irgendeiner Weise schädige, antwortete er mir mit Nein, da 82 % des kanadischen Handels mit den USA abgewickelt würde. Unser Handel mit den Vereinigten Staaten hat einen täglichen Umfang von 1 Milliarde Dollar, sagte er uns.



Ich teilte ihm meinerseits mit Offenheit meine Meinung mit, daß es für die Länder Lateinamerikas von Nutzen sei, wenn die europäische Integration Erfolg hat und Europa mit den USA in einen Wettbewerb tritt um die Märkte und Investitionen in Lateinamerika. Es sei besser, wenn es zwei, drei, vier starke Wirtschaftsmächte gebe, damit die Weltwirtschaft nicht allein von einem mächtigen Land und einer einzigen Währung anhänge.



Wir sprachen sogar über die kanadische Technologie im Bereich der Atomenergie und die zukünftigen Möglichkeiten für unser Land, kanadische Reaktoren zu erwerben, wenn dies auch zu diesem Zeitpunkt für uns nicht die beste oder wirtschaftlichste Option für ein schnelles Wachstum bei der mit gewisser Dringlichkeit benötigten Stromerzeugung sei.



Ich erzählte ihm auch von den Mexikanern, die an der Grenze zu den Vereinigten Staaten starben, wo pro Jahr bereits sehr viel mehr Menschen ums Leben kämen als in den 30 Jahren des Bestehens der Berliner Mauer.



Nur wenige wichtige Themen wurden bei unserem Meinungsaustausch nicht behandelt.



In der angemessenen Atmosphäre, die entstanden war, und in Anbetracht der Teilnahme Kanadas an den sich bereits normalisierenden politischen Geschehnissen in Haiti und der kanadischen Präsenz in jenem Land sagte ich ihm, daß Haiti ein naher Nachbar und eines der ärmsten Länder der Welt sei, mit schrecklichen Kennziffern im Bereich des Gesundheitswesens, einschließlich AIDS, was zur Gefahr einer menschlichen Katastrophe geführt habe, und ich fragte ihn, warum wir kein Vorbild an Zusammenarbeit abgeben und ein Gesundheitsprogramm für Haiti ausarbeiten sollten. Kuba würde medizinisches Personal entsenden und Kanada die erforderlichen Medikamente und Geräte liefern.



Er fragte mich, ob ich dies mit dem Präsidenten Haitis besprochen hätte, worauf ich antwortete, daß ich das Angebot nicht unterbreiten könne, ohne es vorher mit der kanadischen Regierung zu koordinieren, wobei ich meiner Überzeugung Ausdruck verlieh, daß sie es akzeptieren würden.



Er sprach von seinem besonderen Interesse für ein französischsprachiges Land, denn ein bedeutender Teil der kanadischen Bevölkerung spricht diese Sprache, und aus diesem Grund habe er Interesse an Programmen für Haiti. Er würde den Vorschlag analysieren. Ich teilte ihm mit, daß ich mit der Regierung Haitis sprechen würde.



Scheinbar kam ihm nach dieser Idee sofort eine andere. Er sagte mir unmittelbar darauf, daß er einen Vorschlag über ein gemeinsames Programm zu unterbreiten habe: ein gemeinsames Programm mit Angola und Mozambik zur Beseitigung der Anti-Personen-Minen. Ihr könnt die Arbeiter stellen, wir das Geld, fügte er hinzu. Diese Länder hätten bereits den Vertrag unterzeichnet. Man wies ihn von unserer Seite darauf hin, daß allein Militärs diese Arbeit verrichten könnten. Er antwortete, daß wir Kubaner die Experten hätten und sie, die Kanadier, würden das Geld für das Programm bereitstellen, denn das Budget dafür wäre bereits verabschiedet.



Einige Länder hätten sich zur Bereitstellung von Mitteln für die Säuberung der Minenfelder verpflichtet, darunter Japan, Schweden, Norwegen, Dänemark und andere, und da wir über Experten verfügten, dachte er, daß wir Kubaner diese Arbeit verrichten könnten.



Es ist unzweifelhaft, daß er nicht bemerkte, wie verletzend das sein konnte, was er vorschlug. Es handelte sich um eine humanitäre Zusammenarbeit, bei der Kanada und andere reiche Länder das Geld und wir die Risiken von Verstümmelung und Tod unserer Soldaten beisteuerten. Vielleicht hat er niemals darüber nachgedacht, oder er war sich nicht dessen bewußt, was er vorschlug, doch ich hatte den starken Eindruck, als ob sie uns als Söldner anmieten wollten.



Für einige Sekunden spürte ich ein Gefühl der Kränkung, wobei ich mich an den selbstlosen Opfergeist und die saubere und noble Geschichte eines Volkes erinnerte, das sich einem intensiven Wirtschaftskrieg und der Spezialperiode entgegenstellte und dabei bereit war, für seine Ideen zu sterben. Hätte jemand die Absicht, diese Situation auszunutzen, um uns zu Einsätzen dieser Art zu verführen?



In Anbetracht der Eigenschaften meines Gesprächspartners und des feundschaftlichen, offenen, vertraulichen und sogar humorvollen Tons, mit dem sich unsere Gespräche meiner Erinnerung nach entwickelten, glaube ich immer noch, daß das, was er sagte und die Form, in der er es sagte, nicht dem Bewußtsein dessen entsprach, was man objektiverweise aus seinen Worten interpretieren konnte.



Ich erklärte ihm, daß es in Angola immer noch schwierig sei, die Minen zu beseitigen, denn dort seien die von den USA und Südafrika bewaffneten Banden, daß alle diese Minen von den USA und dem Apartheid-Südafrika an Sawimbi übergeben wurden. Dies könne Verstümmelungen und den Verlust von Menschenleben zur Folge haben. Wie könnte man vor unserem Volk eine kubanische Beteiligung rechtfertigen?



Mit der größten Unparteilichkeit schlug ich ihm das vor, was ich als eine vernünftige Lösung bezeichnete: wir wären bereit, das gesamte erforderliche Personal Angolas, Mozambiks und aus jeglichem anderen von Problemen dieser Art betroffenen Land auszubilden, damit sie diese Aufgabe in ihren eigenen Ländern durchführen.



Dieses Thema nahm fast den ganzen letzten Teil des zweiten Gesprächs in Anspruch, obgleich dieses noch einige Minuten im gleichen freundschaftlichen und herzlichen Ton weiterging.



Der unangenehme Punkt war von unserer Seite in gelassener und vernünftiger Form angesprochen und von der kanadischen Delagation zur Kenntnis genommen und scheinbar verstanden und akzeptiert worden.



Die Grundlagen der zwei wichtigen Kooperationsprogramme mit dritten Ländern waren im Prinzip vereinbart worden und man würde in der Folgezeit weiter daran arbeiten.



Ich beobachtete den Charakter und die Persönlichkeit des kanadischen Premierministers genau. Er ist ein Mann mit angenehmer Gesprächsart und gutem Humor, mit dem man einen interessanten Austausch über verschiedene Themen beginnen kann. Er sorgt sich um bestimmte Probleme der heutigen Welt und begeistert sich für Projekte seiner Präferenz, er kennt viele politische Persönlichkeiten, weiß seine Erfahrung zu nutzen und genießt es, in der Regel interessante und angebrachte Anekdoten zu erzählen. Er erschien mir als aufrichtig patriotisch. Es ist sehr treu gegenüber seinem Land und ist stolz auf Kanada. Er glaubt fanatisch an die kapitalistische Produktionsweise, als ob sie eine monotheistische Religion sei, und an die naive Idee, daß dies für alle Länder, aller Kontinente, aller Epochen, aller Klimazonen und aller Weltregionen auf gleiche Weise die Lösung sei. Mit dieser Philosophie ist er aufgewachsen. Ich bin nicht sicher, ob er damit die Realitäten der heutigen Welt genau verstehen kann.



Ich kannte Trudeau, ein außergewöhnlicher Staatsmann, von großer Bescheidenheit und Einfachheit, mit tiefgehenden Gedanken und ein Mann des Friedens; ich bin sicher, daß er die Welt und auch Kuba gut verstand.



Danach gab es andere Aktivitäten. Ich nahm an einem Empfang Chrétiens im Garten der kanadischen Botschaft teil. Er war fröhlich, gesprächig und guter Laune. Bald würde er sich mit Clinton treffen. Ich begleitete ihn bis zum Flughafen. Bereits in der Nähe von Boyeros bat ich ihn, Clinton einen Gruß zu übermitteln und ihm zu sagen, daß von unserer Seite keine feindlichen Gefühle gegenüber ihm existierten. Die Worte waren wohl abgewägt. Es war mehr eine Höflichkeit gegenüber dem Besucher als etwas Anderes. Ich bezahlte diese Höflichkeit teuer. Einige Zeit danach erhielt ich von Chrétien einen eigenhändig geschriebenen Brief, in dem er mir erzählt, daß er Clinton meine Wünsche für bessere Beziehungen zu ihm übermittelt habe. Das war nicht genau das, was ich ihm sagte. Das ist nicht mein Stil; es ist nicht mit meiner Haltung während meines ganzen Lebens vereinbar. Es könnte wie eine lächerliche Bitte an den mächtigen US-Präsidenten erscheinen. Ich schrieb Chrétien – ebenfalls per Hand – einen Brief, in dem ich ihm erläuterte, daß diese Botschaft nicht meine Botschaft gewesen sei. Die Angelegenheit wurde lästig. Es war nicht leicht, den Unmut mit den erforderlichen genauen Termini bei der Abfassung des Briefes zu vereinen, und in gewisser Weise wurde die Klarstellung ihrerseits zu einer Art Kritik an unserem Freund. Fast konnte ich es schaffen, doch schließlich gab ich die Idee auf und hob die Vorlage des geplanten Briefes sogar auf. Vielleicht ist es möglich, sie in irgend einem alten Notizblock zu finden. Danach vergaß ich die Angelegenheit. Nicht einmal seine delikate Geste, mir eigenhändig zu schreiben, konnte erwidert werden. Möglicherweise glaubte er, ich sei ein unverbesserlicher Rüpel.



Es vergingen die Monate und es gab keinerlei Nachricht von dem Haiti-Projekt, das für unsere Seite nur auf eine kurze Antwort wartete. Es kam der Hurrikan Georges, der Santo Domingo verwüstete und das benachbarte Haiti hart traf, das nur von den grenznahen 3 000 Meter hohen dominikanischen Bergen geschützt ist, die als Windbrecher fungierten. Danach zog der Wirbelsturm weiter nach Kuba.



Als noch immer die letzten Windböen von Georges im Norden des Westteils des Landes bliesen, in der regnerischen Nacht des 28. September, sagte ich während einer Ansprache bei der Abschlußveranstaltung des 5. Kongresses der Komitees zur Verteidigung der Revolution:



„ Ich frage die internationale Gemeinschaft: Wollen Sie diesem Land helfen, das vor nicht langer Zeit einer militärischen Invasion ausgesetzt und besetzt war? Wollen Sie Leben retten? Wollen Sie einen Beweis für den humanitären Geist ablegen? Wir sprechen jetzt von humanitärem Geist und von den Rechten des Menschen.



[...] Wir wissen, wie man pro Jahr 25 000 Menschenleben in Haiti retten kann. Man weiß, daß jedes Jahr von 1 000 Lebendgeborenen 135 Kinder bis 5 Jahren sterben.



[...]



Ausgehend von der Prämisse, daß die Regierung und das Volk Haitis mit Vergnügen eine wichtige und vitale Hilfe in diesem Bereich akzeptieren, schlagen wir vor, daß in dem Fall, wenn ein Land wie Kanada, das enge Beziehungen zu Haiti unterhält, oder ein Land wie Frankreich, das enge historische und kulturelle Beziehungen zu Haiti hat, oder die Länder der Europäischen Union, die eine Integration vornehmen und bereits den Euro haben, oder Japan die Medikamente zur Verfügung stellt, wir bereit sind, die Ärzte für dieses Programm zu schicken, alle Ärzte, die benötigt werden, wenn man auch einen kompletten Absolventenjahrgang oder etwas Entsprechendes schicken muß.



Haiti benötigt keine Soldaten, es benötigt keine Invasionen von Soldaten; Haiti benötigt Invasionen von Ärzten, um zu beginnen. Was Haiti außerdem benötigt, sind Invasionen von Millionen von Dollar für seine Entwicklung.“



November 1998. Es sind sieben Monate vergangen und es gibt keine Nachricht von Chrétien hinsichtlich der behandelten Themen. Der kanadische Gesundheitsminister Alan Rock besucht Kuba. Ich treffe mich mit ihm. Er hatte kurz zuvor in Kanada die südafrikanische Gesundheitsministerin Dr. Nkosazana Dlamini-Zuma empfangen und kam außerordentlich beeindruckt durch das, was sie ihm über die Arbeit der kubanischen Ärzte in den Weilern Südafrikas erzählte



Ich erkläre ihm detailliert das gemeinsame Kooperationsprogramm, das wir vorschlugen. Ich nahm in ihm einen sensiblen und fähigen Mann wahr, der die Möglichkeiten und Bedeutung solcher Programme begriff. Ich bat ihn, die Betreibungen im Zusammenhang mit dem Kooperationsprogramm in Haiti zu beschleunigen, und um eine Antwort Kanadas auf das, was ich seinem Land vorgeschlagen hatte, und zwar nicht nur persönlich seinem Premierminister, sondern auch öffentlich. Er verpflichtete sich, dem Premierminister und dem Kabinett ein Vorhaben vorzulegen.



Am 4. Dezember schickt Kuba auf eigene Rechnung eine erste Notfall-Brigade zur Betreuung der Opfer des Hurrikans Georges. In den folgenden Wochen kamen weitere medizinische Brigaden in Haiti an, bis man die Zahl 12 erreichte, mit einer Gesamtzahl von 388 kubanischen Helfern, und immer noch hatten unsere kanadischen Freunde kein Lebenszeichen gegeben. Das medizinische Programm, das wir als Gemeinschaftsprojekt mit Kanada vorgeschlagen hatten, wurde durch die Anstrengung Kubas, der Regierung Haitis und die Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen in Gang gesetzt.



Ende Februar gibt das kubanische Außenministerium bekannt, auf inoffiziellem Weg erfahren zu haben, daß die Regierung Kanadas 300 000 Dollar für das medizinische Programm in Haiti spenden würde. Diese Nachricht stellte uns logischerweise sehr zufrieden



Am 4. März waren mehr als zehn Monate ohne offizielle Antwort Kanadas vergangen. An diesem Tag erreichte uns trotzdem eine wahrhaft überraschende Nachricht. Der kanadische Außenminister, Herr Lloyd Axworthy, schickte dem kubanischen Außenminister Roberto Robaina einen Brief, in dem unter anderem mitgeteilt wird:



„ [...] ich wurde informiert über ein kürzlich von der kubanischen Nationalversammlung am 16. Februar 1999 verabschiedetes Gesetz mit dem Titel «Gesetz zum Schutz der Nationalen Unabhängigkeit und der Wirtschaft Kubas», das darauf zielt, dem Anstieg der Kriminalität und der subversiven Aktivitäten zu begegnen.



[...]



Ich habe meine Beamten gebeten, eine Analyse der kürzlich von Kuba ergriffenen Maßnahmen vorzubereiten, einschließlich der kommenden Verurteilung der Mitglieder der Arbeitsgruppe der Internen Dissidenten, mit Blick auf die Bestimmung von dessen Auswirkung auf eine Reihe von Aktivitäten, die wir im Einklang mit der bilateralen gemeinsamen Erklärung unternommen haben. Bis zum Abschluß dieser Bewertung habe ich meine Beamten gebeten, von neuen gemeinsamen Initiativen Abstand zu nehmen. Ich werde meinen Kabinettskollegen schreiben, damit sie sich über die Situation informieren, um in ihren eigenen bilateralen Kooperationsprogrammen mit Kuba Überlegungen anzustellen. Mit sofortiger Wirkung habe ich die gemeinsame Analyse von Seiten meines Ministeriums, der CIDA (Canadian International Development Agency) und von Health Canada bezüglich der Bitte Kubas zur Ingangsetzung der medizinischen Zusammenarbeit mit einem Drittland in Haiti gestoppt.



[...]



Die kommenden Tage werden für die Analyse wichtig sein, ob Kuba die Annäherungs- und Integrationspolitik gegenüber der internationalen Staatengemeinschaft wählt oder sich weiter in der unsicheren Richtung der vergangenen Tage bewegt. Ich hoffe, Sie sind fähig, ein Signal auszusenden, das zur Klärung der kubanischen Absichten beiträgt. Im Besonderen wäre ein solches Signal von großer Nützlichkeit, um sicherzustellen, daß die kürzlichen Ereignisse nicht zu einer unbegründeten Besorgnis in der Menschenrechtskommission in Genf werden.“



Zufall? Ein Vorwand zur Rechtfertigung von starkem Druck ihrer südlichen Nachbarn? Totale Gefühllosigkeit angesichts der haitianischen Tragödie? Ich möchte hier keinerlei Behauptung aufstellen. Doch wie erklärt sich, daß zehn Monate vergingen und während dieser Zeit – als die angeführten Geschehnisse, die zu einer solch drastischen Entscheidung und einem so ungewöhnlichen Brief führten, noch gar nicht stattgefunden hatten -, keinerlei offizielle Antwort gegeben wurde?



Auch wenn ich niemanden beleidigen möchte, nicht einmal den illustren Autor des Briefes, ist es unmöglich, nicht auf den arroganten, anmaßenden, einmischenden und rachsüchtigen Ton hinzuweisen, mit dem dieser Brief abgefaßt wurde.



Was mich persönlich am meisten verbitterte, waren nicht die Bestrafungsmaßnahmen und Drohungen gegen Kuba – an diese Strafen sind wir bereits seit 42 Jahren gewöhnt -, sondern die Tatsache, daß die 300 000 Dollar, von denen ich nicht einmal weiß, ob es US-amerikanische oder kanadische Dollar waren – 0,64 US-Cent zum Kurs vom 24. April 2001, da ich keine Zeit gehabt habe, nachzuprüfen, wieviel dies am 15. April jenes Jahres ausmachte -, niemals die haitianischen Kranken erreichen würden. Ich konnte nicht einsehen, daß man uns bestraft auf Kosten des Lebens von vielleicht Tausenden von haitianischen Kindern, die man hätte retten können, da in diesem Land zu jenem Zeitpunkt nicht weniger als 25 000 Kinder pro Jahr starben. Den Großteil dieser Todesfälle könnte man mit einfachen Impfungen verhindern, die mit jenen Dollars erworben werden könnten, seien sie US-Dollar oder Kanadische Dollar. Zweifellos beging jemand einen schweren Fehler.



Als etwas elementar Logisches hatte ich die inoffizielle Information geglaubt, die mir vom Außenministerium mitgeteilt wurde. Man kann zu diesem Zeitpunkt nicht einmal mehr behaupten, ob sie zutreffend war oder nicht.



Es gibt nichts mehr zu bedauern. In Haiti arbeiten heute 469 kubanische Ärzte und Gesundheitshelfer. In zweieinhalb Jahren, bis April, haben dort 861 Helfer gearbeitet, ohne vom haitianischen Volk für ihren Dienst einen einzigen Cent zu verlangen. Sie betreuen 5 072 000 der 7 803 230 Einwohner Haitis; 62 % der haitianischen Bevölkerung. Sie haben viele Tausende Leben gerettet und den Schmerz Hunderttausender Menschen gestillt oder deren Gesundheit wiederhergestellt.



In diesem Jahr begann mit der Übergabe aller Impfstoffe von Seiten Japans, mit Beteiligung von UNICEF, die erste Phase der massenhaften Impfkampagne gegen acht immunvermeidbare Krankheiten, wobei Kuba die Durchführung des Programms mit dem sich im Land befindlichen medizinischen Personal übernimmt, dessen Zahl sich im laufenden Jahr auf 600 beläuft. Wir wissen zudem, daß in der Zukunft mit der kombinierten Anstrengung Frankreichs, Japans, Kubas und Haitis eine neue Impfkampagne vorbereitet wird, die diesem äußerst armen und zur Dritten Welt gehörigen Land in fünf Jahren das Erreichen eines Immunisierungsniveaus von 95 % ermöglicht.



Ich denke, daß mit dem Sieg Südafrikas und Brasiliens gegen die unerschwinglichen Preise der AIDS-Medikamente der Tag nicht weit ist, an dem die Haitianer mittels der Unterstützung von kooperationswilligen Regierungen mit finanziellen Mitteln, der Institutionen der Vereinten Nationen und NGO´s auch gegen diese schreckliche Geißel geschützt sein werden.



Haiti ist nicht das einzige Land, mit dem Kuba bei Gesundheitsprogrammen unter dem selben Prinzip zusammenarbeitet. Es sind bereits 15. Bei diesen Programmen gibt es die Zusammenarbeit von 61 NGO´s mit der Beteiligung von mehr als 2 272 kubanischen Gesundheitsarbeitern, darunter 1 775 Ärzten.



Niemand kann mehr die Zusammenarbeit Kubas mit anderen Ländern der Dritten Welt sabotieren. Taten und nicht Worte. Schnelles Handeln und nicht Warten auf den Nimmermehrstag, wenn es Menschen aus armen Ländern gibt, die täglich und stündlich sterben. Unser kleines Land leistet gleichfalls eine besondere Unterstützung bei der Ausbildung von solidarischen und selbstlosen Ärzten mit Opfergeist. Das Voranschreiten ist möglich, das Besiegen von Verleumdungen und das Lindern der menschlichen Tragödie, die so viele Hundert Millionen Menschen trifft, sind keine unerreichbaren Ziele.



Heute bin ich für die Gespräche mit Chrétien dankbar. Sie dienten zum Beweis, daß die Initiativen möglich sind und ebenfalls die gemeinsamen Kooperationsprojekte mit zwei, drei oder vielen Ländern. Sie beweisen ebenfalls, daß die Stunden, die sowohl er als auch ich investierten, nicht unnütz waren, und ich folgte seinen Ratschlägen, indem ich mit noch größerem Eifer für die Menschenrechte und die Rettung von Menschenleben arbeitete, und für die Entschärfung von gigantischen Anti-Personen-Minen, die unsere Erde an den Rand von gewaltigen Explosionen bringen.



Kleine Beispiele für das, was jegliches kleine Land heutzutage anbieten kann, sind in der Gegenwart wichtiger als große Verträge, die die Mächtigen in tote Buchstaben und große Akte der Demagogie und Werbeposen zur Befriedigung von Eitelkeiten und persönlichen Ambitionen verwandeln.



Ich bin sicher, daß Trudeau niemals gesagt hätte, daß er vier Stunden damit verbracht habe, jemandem Ratschläge zu geben, der nicht darum gebeten habe, oder daß er Rechtfertigungen gesucht hätte, um ein würdiges Land, das ebenfalls niemals um seine Einbeziehung gebeten hat, von einem Gipfeltreffen auszuschließen, um eine Vereinbarung zu unterzeichnen, die er niemals unterzeichnet hätte.



Die Geschichte wird bestimmen, wer im Recht ist (Beifall)

Donnerstag, 19. April 2001

Fidel Castro anläßlich des 40. Jahrestages der Schlachten von Girón und der ersten großen Niederlage des Imperialismus in Amerika

Ansprache des Comandante en Jefe Fidel Castro Ruz, Präsident des Staatsrates und des Ministerrates der Republik Kuba, anläßlich des 40. Jahrestages der Schlachten von Girón und der ersten großen Niederlage des Imperialismus in Amerika, am 19 April 2001 in Playa Girón

Verwandte der Gefallenen;

Kämpfer von Playa Girón;

Mitbürger:

Vor drei Tagen gedachten wir der Proklamation des sozialistischen Charakters der Revolution und ehrten die jungen Artilleristen, die im Kampf fielen, als sie den feigen und überraschenden Angriff von Flugzeugen der US-Regierung zurückschlugen, die mit den Farben der kubanischen Luftwaffe getarnt waren. Heute gedenken wir dem überwältigenden Sieg der revolutionären Kräfte und der ersten Niederlage des Imperialismus in Amerika.

Die Tatsache, daß Playa Girón 66 Stunden nach dem Betreten der Küste unseres Vaterlandes durch Kundschafter der Invasionsarmee in unsere Hände fiel, beweist die Schlagkraft der fulminanten Gegenattacke, der die Eindringlinge ausgesetzt waren. Man kämpfte Tag und Nacht ohne Unterlaß, ohne eine einzige Minute Waffenstillstand. Drei Meilen von der Küste entfernt beobachtete ein starkes US-amerikanisches Geschwader, das einen Flugzeugträger und zum Eingreifen bereitstehende Marineinfanterie-Einheiten einschloß, den Fortgang der revolutionären Gegenoffensive, die so schnell vonstatten ging, daß es im Fall eines Befehls zum Eingreifen keine zu unterstützende Invasionsarmee oder keine sichere Flugpiste mehr gegeben hätte, wo eine Marionettenregierung hätte landen können.

Es ist nicht nötig, in Einzelheiten einzudringen. Bei der kürzlich veranstalteten Konferenz mit dem Titel „Girón: 40 Jahre danach" nahm man eine ziemlich detaillierte Beschreibung der Ereignisse vor, die danach 9 Tage lang für das ganze Volk in der Sendung der Podiumsdiskussionen im Fernsehen ausgestrahlt wurde. Neun Bücher wurden zu dem Thema verfaßt und es werden weitere geschrieben. Zwei Generationen von Kubanern hatten das Bedürfnis, auf eine möglichst lebendige und realistische Weise von den äußerst wichtigen Ereignissen zu erfahren, an denen ihre Väter und Großväter teilnahmen oder die sie aus nächster Nähe erlebten.

Die Begierde, davon zu erfahren, wuchs in den letzten Wochen nach der erwähnten Konferenz und als sich das Ereignis genau zum vierzigsten Mal jährte. Ohne Zweifel ist es nicht das Gleiche, die Geschehnisse aus dem Mund derer geschildert zu bekommen, die die Geschichte mit immer noch frischen Erinnerungen und den erforderlichen Dokumenten schildern, als die Nachrichten über die kalten Erzählungen oder die alten Bilder der Ereignisse zu beziehen, wie zum Beispiel bei der Einnahme Havannas durch die Engländer und der Niederlage Napoleons in Waterloo. Nach dem Sieg der Revolution im Jahr 1959 hat kein Ereignis das Schicksal und die Zukunft unseres Volkes so geprägt wie die Schlacht von Playa Girón.

Am Montag sprachen wir davon, was der Sozialismus für unser Vaterland als revolutionärer Prozeß bedeutete, der uns auf den obersten Rang in der zeitgenössischen Geschichte Lateinamerikas und der Karibik brachte. Ich fühle in diesem Moment ein besonderes Bedürfnis, an José Martí zu erinnern und mich auf ihn zu berufen. Als er seinen berühmten unvollendeten Brief schrieb, gestand er, daß alles, was er bis zu diesem Tag gemacht habe und danach noch machen würde, dem Ziel diente, mit der Unabhängigkeit Kuba zu verhindern, daß die Vereinigten Staaten mit Hilfe einer weiteren Kraft über unsere Länder Amerikas herfielen. Zu jenem Zeitpunkt konnte er nicht wissen, daß er wenige Stunden danach sterben sollte. Und er starb physisch, um in Ideen verwandelt wieder aufzuerstehen und weiter das zu tun, was er laut seinen Aussagen tun wollte, und zwar nicht nur, um rechtzeitig zu verhindern, daß Kuba Teil einer Macht würde, die über die Völker Amerikas herfällt, sondern damit Kuba ein Schützengraben von Ideen und eine uneinnehmbare Festung gegenüber dem Feind der lateinamerikanischen Völker sei, und damit Kubas Söhne und Töchter, indem sie ihrem anderen Vaterland dienen, das er Menschheit nannte, ebenfalls die Sache vieler anderer Völker der Welt unterstützen (Ausrufe und Beifall).

Martís Revolution, die im selben Jahr des hundertsten Jahrestages seiner Geburt von denen wieder begonnen wurde, die wir das Privileg hatten, das inspirierende Licht seines unendlichen Patriotismus zu empfangen, trat nach dem wiederholten Überwinden von unheilvollen Rückschlägen und haufenweise scheinbar unbezwingbaren Hindernissen siegreich in das neue Jahrtausend ein.

Indem es 42 Jahre Blockade und Wirtschaftskrieg aushielt, die von jener Macht aufgezwungen wurden, die sich Kuba nicht bemächtigen konnte; indem es unerschütterlich nicht nur Sabotageakte, Terrorismus, Versuche der Ermordung seiner Führungspersönlichkeiten und biologische Aggressionen aushielt, sondern sogar auch die Risiken eines Atomkrieges, ohne einen Fußbreit von seinen Prinzipien abzuweichen; indem es 10 schreckliche Jahre lang die Sonderperiode durchlitt, als andere damit aufhörten, ihre heiligsten Pflichten zu erfüllen, die ihnen die Geschichte der Menschheit als großes Privileg verliehen hatte; und indem es nicht zögerte, weiter voranzuschreiten, als es sich alleine dem Imperium gegenüber sah, das Martí vorausgesehen hatte und das bereits zu einer hegemonischen Supermacht geworden war, die ihre gesamte politische, ideologische und wirtschaftliche Macht gegen es einsetzte, um sein Volk zu isolieren, zu ersticken und es durch Hunger und Krankheiten zur Aufgabe zu zwingen, konnte Kuba nicht vom mächtigen Imperium besiegt werden (Beifall und Ausrufe: „Und es wird niemals besiegt werden!")

An dem Tag, an dem wir das dritte Jahrtausend erreichten, am 1. Januar 2001, zu genau der Stunde des Beginns eines jeden neuen Jahrs, ebenfalls mit untilgbarem Erinnerungen und unübertrefflichem Symbolwert für die Kubanische Revolution, fügten wir dem Imperialismus vor den Augen Amerikas und der Welt seine zweite große Niederlage zu (Beifall).

Vaterland und Menschheit haben sich, für die Geschichte und für alle Zeiten, untrennbar im Geist und im Herzen des kubanischen Volkes vereint (Beifall).

Deine Ideen, Martí, die wir genauso wie die Ideen desjenigen verinnerlicht haben, dem – wie du uns sagtest – deswegen Ehre gebühre, weil er sich auf die Seite der Armen gestellt habe, und wie die Ideen des anderen Giganten, der das grundlegend studierte und mit unanfechtbaren Beweisen beschrieb, was du als erster entdeckt und im modernsten Sinn des Konzepts Imperialismus genannt hattest, haben bewiesen, daß sie stärker sind als die gesamte Macht des größten jemals existierenden Imperiums. Dir widmen wir den 40. Jahrestag des ersten Sieges! (Beifall) Vor dir schwören wir, bis zum letzen Blutstropfen für das Vaterland und die Menschheit zu kämpfen. Vor dir schwören wir, daß die Opfer derjenigen, die seit La Demajagua bis Girón fielen, und derer, die ihre jungen, großmütigen und noblen Leben gaben, indem sie in Ebenen, Gebirgen und Dörfern an jedem Ort des kleinen Vaterlandes kämpften, oder in anderen Ländern der Erde, die des Beitrags ihrer bescheidenen Anstrengungen an fernen Orten des großen Vaterlandes bedurften, nicht umsonst waren und niemals umsonst sein werden (Ausrufe: „Wir schwören es!") Ebensowenig waren der Schweiß und die Opferbereitschaft von Millionen von anonymen Helden umsonst, die mit ihrer Arbeit und Anstrengung fähig gewesen sind, das wunderschöne Kuba von heute aufzubauen und zu bewahren und zukünftigen Generationen das sehr viel schönere Kuba von morgen zu vererben, und sie werden niemals umsonst sein (Ausrufe).

Heute erhalten 11 Genossen ehrenvolle Auszeichnungen als Helden der Republik Kuba, die der Revolution, dem Vaterland und dem Sozialismus mehr als 40 Jahre lang gedient haben, seien sie Kämpfer von Girón oder nicht, da jeder von ihnen einige oder viele Momente unser Geschichte über fast ein halbes Jahrhundert hinweg mit sich getragen haben, seit dem Sturm auf die Moncada-Kaserne am 26. Juli 1953 bis zum heutigen 19. April 2001. Niemals baten sie darum, vielleicht dachten sie nie daran, keiner von ihnen weiß, daß er eine so hohe Ehrenauszeichnung erhalten wird, doch wir wollen sie hier auszeichnen, an diesem 40. Jahrestag des großen Sieges, als Tribut an alle diejenigen, die in jenen entscheidenden Tages fähig waren, um das Leben und das Schicksal der 11 Millionen Kubaner, die wir heute sind, zu kämpfen und zu sterben, für die Hunderte Millionen Bewohner Lateinamerikas und der Karibik, für die Milliarden heutzutage ausgeplünderten und ausgebeuteten Menschen in Ländern, die früher Sklaven, Rohstoff und Gold liefernde Kolonien waren und heute billige Arbeitskräfte und nicht erneuerbare materielle Ressourcen unter dem unerträglichen Gewicht des imperialistischen Joch bereitstellen.

Wir versprachen, über interessante Dinge im Zusammenhang mit dem Pyrrhussieg oder der moralischen Niederlage der Vereinigten Staaten in Genf zu sprechen. Gestern empfing unser Volk die ersten Nachrichten. Am Freitag beginnt die grundlegende Analyse. Das Imperium und seine Spießgesellen werden sich viel anhören müssen.

Heute ist ein glorreicher Tag, den niemand und nichts aus der Geschichte tilgen kann. In Erinnerung an die Heldentat, in Erinnerung an die Gefallenen, in Erinnerung an die einfachen Söhne und Töchter des Volkes, die dem Stolz und der Herrschsucht des Imperiums einen vernichtenden Schlag zufügten, an diesem heiligen und symbolträchtigen Ort werden wir bei dieser Gelegenheit nicht sagen: Vaterland oder Tod, Sozialismus oder Tod; laßt uns dagegen aus tiefstem Herzen sagen:

Es lebe das Vaterland! (Ausrufe: Es lebe!")

Es lebe der Sozialismus! (Ausrufe: Er lebe!")

Es lebe der Sieg! (Ausrufe: Er lebe!")

(Ausrufe: Es lebe Fidel!")

Montag, 16. April 2001

Fidel Castro anläßlich der Veranstaltung zum Gedenken an den 40. Jahrestag der Proklamation des sozialistischen Charakters der Revolution

Ansprache des Comandante en Jefe Fidel Castro Ruz, Präsident des Staatsrates und des Ministerrates der Republik Kuba, anläßlich der Veranstaltung zum Gedenken an den 40. Jahrestag der Proklamation des sozialistischen Charakters der Revolution an der historischen Straßenkreuzung 12 y 23, am 16. April 2001.

Mitbürger:

Vor genau vierzig Jahren wurde zur gleichen Stunde am gleichen Ort der sozialistische Charakter der Revolution proklamiert. Wir hatten gerade die Opfer des Luftangriffes vom Morgengrauen des 15. April 1961 beerdigt.

Die Bombenflugzeuge B-26, Eigentum der Regierung der Vereinigten Staaten, die uns angriffen, waren von der Farbe unserer bescheidenen Luftstreitkräfte und führten auch ihre Insignien. An jenem verräterischen und blutigen Morgen erfolgte der Angriff auf unsere drei Hauptstützpunkte - Ciudad Libertad, San Antonio de Los Baños und Santiago de Cuba. Die attackierenden Flugzeuge hatten 10 000 kg Bomben, 64 Fünf-Zoll-Raketen und 23 040 Geschosse vom Kaliber 50 im Gepäck. In Sekundenschnelle erwiderten die noch in der Ausbildung stehenden jungen Artilleristen den Überraschungsangriff mit ihrer Flak. Der Feind konnte lediglich drei Kampfflugzeuge auf dem Boden zerstören.

Sieben Vaterlandsgenossen fielen und 53 wurden verletzt, darunter fünf Kinder, die in der Umgebung des Flugplatzes Ciudad Libertad wohnten.

Die Angreifer waren auf einer Basis in Nicaragua gestartet. Einer wurde vom Himmel geholt, zwei mußten an unterschiedlichen Orten notlanden, und alle zu ihrem Ausgangspunkt zurückkehrenden Flugzeuge hatten zahlreiche Einschläge von Flugabwehrgeschossen abbekommen.

Nach den Gefechten von Girón hatte der listige Feind einen Verlustsaldo von 14 Piloten - darunter vier US-Amerikaner - sowie 62 Prozent der von den Vereinigten Staaten bereitgestellten Flugzeuge zu verzeichnen.

Nach dem Abwehren des Angriffs vom 15. April verfügte die Revolution über noch mehr Kampfflugzeuge als über Piloten, die dann 48 Stunden später, bei Tagesanbruch des 17. April, den einfallenden Verbänden einen vernichtenden Schlag versetzen sollten. Dieser Luftangriff ließ uns - 36 Stunden vor der Landung - der drohenden Invasionsgefahr bewußt werden. Sämtliche Einheiten wurden mobil gemacht und in totale Alarmbereitschaft versetzt.

So leitete die Supermacht unter flagranter Verletzung des Völkerrechts ihre plumpe und feige militärische Aggression gegen unser kleines Land ein.

Wie zu erwarten war, trat sofort der mächtige Apparat der imperialistischen Publicity und des Betruges in Aktion. Welche Erklärung gaben nun die Vereinigten Staaten der Welt über den Tatbestand?

Um dies für die neuen Generationen zu veranschaulichen, die danach geboren wurden, verlese ich Ausschnitte der gleichen Meldungen, die ich an jenem 16. April benutzte, um das zynische Verhalten der Regierenden jenes Landes anzuprangern.

„Miami, 15. April (UPI). Aus den Luftstreitkräften Fidel Castros ausgebrochene kubanische Piloten landeten heute nach der Sprengung kubanischer Militäreinrichtungen mit Bombenflugzeugen aus dem Zweiten Weltkrieg in Florida. (...) Einer der B-26-Bomber der Luftstreitkräfte Kubas landete, durchlöchert von Flak- und Maschinengewehrfeuer und mit nur einem seiner beiden Motoren in Funktion, auf dem internationalen Flugplatz von Miami. Ein weiteres Bombenflugzeug landete auf dem Marinestützpunkt in Key West und ein drittes in einem anderen Land, das im Plan für das Anfliegen nach dem Angriff nicht dafür vorgesehen war. Es schweben unbestätigte Gerüchte, ein weiteres Flugzeug sei im Meer in der Nähe der Insel Tortuga zerschellt. Die Marine der Vereinigten Staaten prüft den Fall. Die Piloten, die nicht genannt zu werden baten, stiegen in Kampfuniform aus ihren Flugzeugen und bewarben sich unmittelbar um Asyl in den Vereinigten Staaten."

Eine weitere Meldung einige Minuten später:

„Miami (UPI). Der in Miami gelandete Pilot des Bombenflugzeuges erklärte, er sei einer der 12 in den Luftstreitkräften Kubas verbliebenen B-26-Piloten. (...) 'Meine Kollegen waren zum Angriff auf die Flugplätze, die wir dafür bestimmt hatten, zeitiger gestartet. Da mir der Treibstoff ausging, mußte ich Miami anfliegen, denn zu unserem vereinbarten Ziel war ich nicht in der Lage zu gelangen.

Miami, 15. April (AP). Aus Angst, ihr Plan, der Regierung Fidel Castros zu entrinnen, könne verraten werden, flohen heute drei kubanische Bomberpiloten, nachdem sie die Flugplätze in Santiago und Havanna bombardiert und sie unter Maschinengewehrfeuer genommen hatten, in die Vereinigten Staaten.

Einer der beiden zweimotorigen Bomber landete auf dem internationalen Flughafen Miami und der Pilot berichtete, wie er und noch drei der zwölf Piloten der Maschinen B-26, die den kubanischen Luftstreitkräften verblieben, seit Monaten schon ihre Flucht aus Kuba planen. (...) Die Einreisebehörde nahm die Kubaner in Gewahrsam und beschlagnahmte die Flugzeuge." Sie beschlagnahmten ihre eigenen Flugzeuge.

„Mexiko, F.D., 15. April (AP) Das Bombardieren kubanischer Flugzeugbasen durch desertierte kubanische Flugzeuge wurde von den meisten Tageszeitungen mit Zeichen des Wohlgefallens aufgenommen. Sie schlossen sich den Gruppen der Exilkubaner an und schrieben, der Bombenangriff sei der Beginn einer Befreiung vom Kommunismus. (...) Bei den Exilkubanern herrschte eifriges Treiben. Eine kubanische Quelle kommentierte, die neue kubanische Regierung im Exil werde kurz nach der ersten Invasionswelle gegen das Regime Fidel Castros ihren Sitz nach Kuba verlegen, um dort eine provisorische Regierung zu bilden, von der man meine, sie werde schnellstens von vielen gegen Castro eingestellten lateinamerikanischen Regierungen anerkannt. Amado Hernández Valdés des hiesigen Frente Revolucionario Democrático Cubano sagte, der Zeitpunkt der Befreiung rücke näher. Er erklärte, es seien vier kubanische Stützpunkte gewesen, die von drei kubanischen Flugzeugen angegriffen wurden, die danach desertierten."

Beide Agenturen erstatteten der Öffentlichkeit die folgende Meldung:

„Erklärung, abgegeben von Dr. Miró Cardona: Ein heldenhafter Schlag zugunsten der kubanischen Freiheit wurde heute morgen durch eine gewisse Anzahl Offiziere der kubanischen Luftstreitkräfte versetzt. Bevor sie mit ihren Maschinen in die Freiheit flogen, versuchten diese wahren Revolutionäre, die größtmögliche Anzahl von Castros Militärflugzeugen zu vernichten. Der Consejo Revolucionario (Revolutionsrat) ist stolz darauf, verkünden zu dürfen, daß ihre Pläne von Erfolg gekrönt waren, daß er Kontakt zu ihnen hielt und diese mutigen Piloten anspornte. Ihr Verhalten ist ein weiteres Beispiel der Verzweiflung, in die die Patrioten aller sozialen Schichten durch die unerbittliche Tyrannei Castros getrieben werden können. Während Castro und seine Anhänger die Welt zu überzeugen trachten, Kuba sei von einer Invasion von außen bedroht gewesen, wurde dieser Schlag zugunsten der Freiheit - ebenso wie andere vorher - von in Kuba ansässigen Kubanern versetzt, die sich entschlossen hatten, gegen die Tyrannei und Unterdrückung zu kämpfen oder bei dem Vorhaben umzukommen. Aus Gründen der Sicherheit werden keine weiteren Einzelheiten bekanntgegeben."

Ausgerechnet Miró Cardona war der Chef der Provisorischen Regierung, von den Vereinigten Staaten zusammen mit anderen politischen Rädelsführern in der Baracke eines Stützpunktes rekrutiert, auf gepackten Koffern sitzend und mit einem bereitstehenden Flugzeug, um in Playa Girón zu landen, sobald der Brückenkopf abgesichert sei.

Die Fülle von Lügen ist hier noch nicht zu Ende. In den Nachmittagsstunden des gleichen Tages berichteten die Nachrichtenagenturen:

„Der US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, Adlai Stevenson, wies die Behauptungen Roas zurück (...) und zeigte der Kommission Fotos von United Press International, auf denen zwei Flugzeuge zu sehen sind, die heute in Florida landeten, nachdem sie an einem Angriff auf drei kubanische Städte teilgenommen hatten. 'Sie tragen das Zeichen der Luftstreitkräfte Castros am Rumpfhinterteil; sie tragen den Stern und die kubanischen Initialen. Sie sind deutlich zu erkennen. Mit Vergnügen zeige ich diese Fotos.' Stevenson fügte hinzu, die beiden besagten Flugzeuge seien von Offizieren der kubanischen Luftstreitkräfte geführt worden und die Crew habe aus Männern bestanden, die aus dem Castro-Regime desertiert seien. 'An dem heutigen Vorfall ist keinerlei Personal der Vereinigten Staaten beteiligt gewesen, auch die Flugzeuge gehörten nicht den Vereinigten Staaten. Es waren Flugzeuge von Castro selbst, die auf seinem eigenen Boden gestartet waren.'"

Es kann sein, daß die Nachrichtenagenturen durch die Ränke und falschen Versionen der US-Regierung hinters Licht geführt wurden.

Es liegt klar auf der Hand, wie diese Legende im voraus zurechtgezimmert und den Piloten vorgespielt wurde. Jeder von ihnen ausposaunte die gleiche Lüge mit den gleichen Einzelheiten.

Vom gescheiterten Präsidenten der Provisorischen Regierung konnte nichts anderes erwartet werden als die Wiederholung der gleichen Version.

Der Fall des US-Botschafters bei den Vereinten Nationen war peinlich. Er war Präsidentschaftskandidat gewesen und genoß bei der Öffentlichkeit und den Politikern jenes Landes ein gewisses Prestige. Viele sind der Meinung, er wurde rücksichtslos betrogen.

Vierzig Jahre sind vergangen, doch die Lügen- und Betrugsmethoden des Imperiums und seiner Söldnerverbündeten haben sich nicht geändert. Als vor knapp vier Jahren Bomben in den Hotels der Hauptstadt zu explodieren begannen, finanziert von der Cuban-American National Foundation und aus Mittelamerika von blutrünstigen Terroristen nach Kuba gebracht, lautete ihre verbreitete Version, es handle sich um Aktionen von Mitgliedern der Staatssicherheit Kubas, die mit der Revolution unzufrieden seien.

Kurz vor Schluß der Rede, die ich vor vierzig Jahren hielt, sagte ich: "Was uns die Imperialisten nicht verzeihen können, ist, daß wir hier angelangt sind. Was sie uns nicht verzeihen können, ist die Würde, die Redlichkeit, der Mut, die ideologische Standhaftigkeit, die Opferbereitschaft und der revolutionäre Geist des kubanischen Volkes und die Tatsache, daß die unsere eine Sozialistische Revolution ist. Diese Sozialistische Revolution verteidigen wir mit diesen Gewehren (Beifall und Ausrufe: „Es lebe Fidel!"). Diese Sozialistische Revolution verteidigen wir mit dem Mut, mit dem gestern unsere Flakartilleristen die Flugzeuge des Aggressors durchlöcherten! Nicht mit Söldnern verteidigen wir sie; wir verteidigen sie mit den Männern und Frauen aus dem Volk!

Sind es vielleicht die Millionäre, die die Waffen tragen? (Ausrufe: „Nein!")

Sind es vielleicht die Söhnchen der Reichen, die die Waffen tragen? (Ausrufe: „Nein!"). So sagte ich es damals und so antwortet ihr heute.

Sind es vielleicht die Landaufseher, die die Waffen tragen? (Ausrufe: „Nein!")

Wer ist es, der die Waffen trägt? (Ausrufe: „Das kubanische Volk!")

Welche Hände sind es, die diese Waffen heben? (Ausrufe: „Die Hände des Volkes!")

Sind es Hände von Herrensöhnen? (Ausrufe: „Nein!")

Sind es Hände von Reichen? (Ausrufe: „Nein!")

Sind es Hände von Ausbeutern? (Ausrufe: „Nein!")

Welche Hände sind es, die diese Waffen heben? (Ausrufe: Die Hände des Volkes!")

Sind es nicht etwa Arbeiterhände; sind es nicht etwa Bauernhände; sind es nicht etwa durch Arbeit gehärtete Hände; sind es nicht etwa kreative Hände; sind es nicht etwa die einfachen Hände des Volkes? (Ausrufe: Ja!")

Und wer bildet die Mehrheit des Volkes? Sind es die Millionäre oder die Arbeiter (Ausrufe: „Die Arbeiter!"); die Ausbeuter oder die Ausgebeuteten (Ausrufe: Die Ausgebeuteten!"); die privilegierten oder die einfachen Menschen? (Ausrufe: Die einfachen Menschen!")

Tragen die privilegierten Menschen die Waffen? (Ausrufe: Nein!")

Tragen die einfachen Menschen die Waffen? (Ausrufe: Ja!")

Sind die privilegierten Menschen in der Minderheit? (Ausrufe: Ja!")

Sind die einfachen Menschen in der Mehrheit? (Ausrufe: Ja!")

Ist eine Revolution, in der die einfachen Menschen die Waffen tragen, eine demokratische Revolution? (Ausrufe: Ja!")

Genossen Arbeiter und Bauern! Diese ist die sozialistische und demokratische Revolution der Armen, mit den Armen und für die Armen! (Beifall und Ausrufe: Es lebe der Comandante en Jefe!") Und für diese Revolution der Armen, der Armen wegen und für die Armen sind wir bereit, unser Leben zu geben!

Der gestrige Angriff, der sieben heldenhafte Leben forderte, verfolgte das Ziel, unsere Flugzeuge am Boden zu zerstören. Doch sie schlugen fehl; sie zerstörten nur drei, und das Gros der feindlichen Maschinen wurde beschädigt oder vom Himmel geholt."

Mitbürger von gestern, heute und morgen:

In Girón hat unser patriotisches und heldenhaftes Volk, das in nur zwei Jahren der Auseinandersetzung gegen das mächtige Imperium außerordentlich reif geworden war, ohne Furcht und ohne Zögern für den Sozialismus gekämpft.

Für immer begraben wurde die sonderbare Idee, das erduldete Leid, das vergossenen Blut und die vergossenen Tränen während des fast hundertjährigen Kampfes für die Unabhängigkeit und die Gerechtigkeit gegen den spanischen Kolonialismus und seine sklavereimäßige Ausbeutung und danach gegen die imperialistische Herrschaft und die von den Vereinigten Staaten Kuba aufgezwungenen korrupten und blutigen Regierungen, das alles sei für den Wiederaufbau einer neokolonialialistischen, kapitalistischen und bürgerlichen Gesellschaft gewesen. Das Verfolgen viel höherer Ziele in der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung Kubas wurde dringend erforderlich.

Es war erforderlich und es war möglich. Wir taten es zu dem historisch exakten und präzisen Zeitpunkt, weder eine Minute zu früh noch eine Minute zu spät; und wir waren mutig genug, den Versuch zu starten.

Betrachten wir südlich des Río Grande jene Gruppe balkanisierter Länder, obwohl doch alle die gleiche Sprache sprechen, die gleiche Kultur, die gleichen historischen und ethnischen Wurzeln besitzen und doch im Begriff sind, von der starken, expansionistischen und unersättlichen Macht des lärmenden und brutalen Nordens, der uns verachtet, verschlungen zu werden, dann können wir Kubaner ausrufen: Tausendfach glorreich war jener Tag, an dem hier der sozialistische Charakter der Kubanischen Revolution proklamiert wurde! (Beifall und Ausrufe: Fidel, Fidel, Fidel!") Heute wäre es eventuell schon zu spät. Der Sieg am 1. Januar 1959 bot hierfür die außergewöhnliche Gelegenheit.

Ohne den Sozialismus hätten wir das Analphabetentum nicht auf Null bringen können.

Ohne den Sozialismus hätten wir nicht für ausnahmslos alle Kinder, auch in den entferntesten Ecken des Landes, Schulen und Lehrer; hätten wir keine Sonderschulen für all jene, die sie brauchen, auch keine 100 Prozent Einschulung in der Grundschule noch 98,8 Prozent in der Mittelschulbildung; wir hätten keine Schulen für besonders begabte Kinder in Naturwissenschaften, keine Gymnasien, Kadettenschulen, EIDES und Pre-EIDES (Sportschulen und Schulen für Leistungssportler), keine Schulen für Techniker und Lehrer für Körperkultur und Sport, keine Berufsschulen, technologische und polytechnische Berufsschulen, Arbeiter- und Bauernfakultäten, Sprachschulen, Kunstschulen in allen Provinzen des Landes.

Ohne den Sozialismus gäbe es heute keine 700 000 Hochschulabsolventen, keine 15 pädagogischen Hochschulen, keine 22 medizinischen Fakultäten, keine insgesamt 51 Hochschuleinrichtungen, keine mehr als 12 Zweigstellen und eigenständigen Fakultäten mit 137 000 Studenten.

Ohne den Sozialismus hätten wir keine 67 500 Ärzte, mehr als 250 000 Lehrer und Dozenten, 34 000 Lehrer für Körperkultur und Sport. Unter allen Ländern der Welt ist dies die höchste Pro-Kopf-Zahl in diesen drei Kategorien.

Ohne den Sozialismus wäre der Sport nicht ein Recht des Volkes, noch erkämpfte Kuba bei den Olympischen Spielen pro Kopf mehr Goldmedaillen als irgendein anderes Land.

Ohne den Sozialismus hätten wir nicht den hohen Grad an politischer Kultur, wie wir ihn heute besitzen.

Ohne den Sozialismus gäbe es keine 30 133 Familienärzte, 436 Polikliniken, 275 chirurgische Kliniken, Kinderkliniken und Frauenkliniken, Fachkliniken und 13 medizinische Facheinrichtungen.

Ohne den Sozialismus gäbe es in unserer Heimat keine 133 wissenschaftliche Forschungszentren und Zehntausende von wissenschaftlichen Forschern und Forschern mit Master- und Doktortiteln.

Ohne den Sozialismus könnten 1 012 000 Rentner, 325 500 Pensionäre und

120 000 Sozialhilfeempfänger ohne Ausnahme nicht durch die soziale Sicherheit begünstigt werden, noch würde diese für die Gesamtheit der Bürger da sein, die sie bei Bedarf in Anspruch nehmen können.

Ohne den Sozialismus wären nicht 163 000 Bauern Herren des Bodens, den sie in Form von eigenen Grundstücken oder in Form von landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften bearbeiten; noch wären 252 000 Landarbeiter in den Poduktionskooperativen die Herren der Einrichtungen, Ausrüstungen und der Ernte.

Ohne den Sozialismus wären nicht bereits 85 Prozent der Familien Eigentümer ihrer Wohnung, gäbe es keine 95 Prozent Elektrifizierung des Landes, noch Trinkwasser für 95,3 Prozent der Bevölkerung; wären keine 48 540 km Straßen gebaut worden, noch gäbe es 1 005 Talsperren und Stauseen, die fast das gesamte Wasser speichern, das für die Benutzung in der Landwirtschaft, der Industrie und den Privathaushalten gestaut werden kann.

Ohne den Sozialismus läge die Säuglingsterblichkeit nicht unter 8 pro 1000 Lebendgeborenen; wären unsere Kinder nicht gegen 13 Krankheiten geimpft, noch betrüge die Lebenserwartung unserer Bürger 76 Jahre; läge unsere AIDS-Rate nicht bei 0,03 Prozent, die sich stark abhebt von den 0,6 Prozent der Vereinigten Staaten und anderen entwickelten und reichen Ländern, noch hätte es im Jahr 2000 mehr als 575 000 freiwillige Blutspenden gegeben.

Ohne den Sozialismus könnten wir nicht - wie es bereits der Fall ist - hundert Prozent der Jugendlichen eine anständige Arbeit versprechen und ihnen als einzige Bedingung dafür die Ausbildung stellen; noch käme es zur Umsetzung von Programmen, die allen zu einer Ausbildung Gelegenheit geben.

Ohne den Sozialismus hätten Hand- und Kopfarbeiter, die Produzenten der für das Leben unserer Gattung unerläßlichen materiellen und geistigen Güter, niemals die Rolle von Avantgardisten gespielt, die ihnen gerechterweise in der menschlichen Gesellschaft zukommt.

Ohne den Sozialismus würden die kubanischen Frauen, gestern noch diskriminiert und zu erniedrigenden Arbeiten verbannt, heute nicht 65 Prozent der technischen Arbeitskräfte des Landes darstellen, noch das Prinzip des gleichen Lohnes für gleiche Arbeit genießen können, das in fast der Gesamtheit der kapitalistischen Industrieländer keine Anwendung findet.

Ohne den Sozialismus gäbe es nicht die Massenorganisationen der Arbeiter, der Bauern, der Frauen, der in den Komitees zur Verteidigung der Revolution organisierten Bürger, der Pioniere, der Schüler der höheren Gymnasialstufe, der Studenten und der Kämpfer der Kubanischen Revolution, Organisationen, die die breiten Massen unseres Volkes verstehen und eine entscheidende Rolle im revolutionären Prozeß und einer wahrhaft demokratischen Partizipation aller Bürger an der Lenkung und dem Geschick des Landes spielen.

Ohne den Sozialismus wäre eine Gesellschaft nicht möglich, deren Straßen frei von verlassenen Bettlern sind, von barfüßigen um Almosen bettelnden der Schule fernbleibenden Kindern, die für ihren Unterhalt arbeiten oder Gegenstand sexueller Ausbeutung sind, oder zum Begehen von Verbrechen als Instrument benutzt werden, oder zu Banden gehören, so wie es in anderen Teilen der Welt einschließlich der Vereinigten Staaten der Fall ist.

Ohne den Sozialismus würde heute Kuba in seinem wachsenden, zähen und unaufhörlichen Kampf für den Schutz der Umwelt nicht an diesem hervorragenden Platz stehen.

Ohne den Sozialismus wäre das Kulturerbe wehrlos der Zerstörung und Plünderung ausgesetzt; wäre der Altstadtkern der ältesten Städte Kubas durch Gebäude ersetzt worden, die mit dem architektonischen Umfeld absolut nichts zu tun haben. Der älteste Teil der Hauptstadt, der beim Besucher heute immer stärkere Bewunderung findet aufgrund der Sorgfalt, mit der restauriert und gepflegt wird, würde gar nicht mehr existieren. Der hinter dem Palacio de los Capitanes Generales (Generalkapitanat) errichtete plumpe Bau, wo eine hundertjährige Universitätseinrichtung einem Hubschrauberlandeplatz weichen mußte, ist der beste Beweis für meine Behauptungen.

Ohne den Sozialismus wären wir nicht in der Lage gewesen, der erdrückenden Überfremdung standzuhalten, die vielen Völkern der Welt progressiv aufgezwungen wird; auch wären wir nicht Zeugen der starken kulturellen und künstlerischen Bewegung, die sich heute in unserer Heimat entwickelt; die von der Revolution geschaffene angesehene Kunsthochschule wird restauriert und erweitert; in 43 über das gesamte Land verteilten Kunstschulen für Begabte und Professionelle, die in nächster Zukunft noch Erweiterung erfahren, werden wertvolle Kenntnisse vermittelt. Kürzlich haben 4000 Jugendliche in 15 Schulen für Kunsterzieher (Ausrufe), die im vergangenen Jahr eröffnet wurden und deren Kapazität über 15 000 Schüler hinausgeht, den ersten Lehrgang begonnen. Hier werden sie außerdem die geisteswissenschaftliche Ausbildung für die Reifeprüfung erhalten. Jeden weiteren Lehrgang werden ebenfalls je 4000 Jugendliche absolvieren.

Es gibt bereits 306 Kulturhäuser, 292 Museen, 368 der Bevölkerung zur Verfügung stehende öffentliche Bibliotheken und 181 Kunstgalerien.

Ohne den Sozialismus gäbe es heute nicht die Fernsehsendung „Universität für Alle", deren erste Programme eine einschlagende Wirkung zeigen und die ein großes Versprechen in der Verfolgung einer integralen Allgemeinbildung beinhaltet, die die Kubaner zum gebildetsten Volk der Welt machen wird.

Es arbeiten bereits 300 Computer-Jugendklubs, und 20 000 Computer werden an die Mittelschulen und Gymnasien verteilt. Die Vermittlung der Computerkenntnisse wird Massencharakter tragen und von der Vorschulerziehung bis zum letzten Semester der Universitäten erfolgen.

Lang und unendlich ist die Liste der Gegenüberstellungen und schroffen Gegensätze. Doch es sind einige darunter, die ich aufgrund ihres patriotischen, internationalistischen und menschlichen Stellenwertes nicht auslassen darf:

Ohne Sozialismus hätte Kuba nicht 42 Jahre lang die Anfeindung, die Blockade und den Wirtschaftskrieg des Imperialismus aushalten können, und noch viel weniger eine seit 10 Jahren andauernde Sonderperiode, die noch nicht beendet ist; es hätte nicht seine Währung von 150 Pesos für einen Dollar im Jahr 1994 auf 20 Pesos pro Dollar im Jahr 1999 aufwerten können, eine von keinem Land erreichte Errungenschaft; ebensowenig wäre es möglich gewesen, inmitten von unglaublichen Schwierigkeiten ein bescheidenes, aber behauptetes und solides Wirtschaftswachstum in Gang zu setzen.

Ohne den Sozialismus wäre Kuba heute nicht das einzige Land der Welt, das den Handel mit den Vereinigten Staaten nicht benötigt, um zu überleben und sogar voranzuschreiten, sowohl im wirtschaftlichen als auch im sozialen Bereich. In letzterem ist es in der Gegenwart nicht einmal den reichsten Industrieländern möglich, mit Kuba wettzueifern.

Wir sind eines der wenigen Länder der Welt, das nicht zum Internationalen Währungsfonds, der zu einem eifrigen Wächter der Interessen des Imperiums geworden ist, gehört oder dies beabsichtigt. Nichts vom dem, was ich angesprochen habe, wäre möglich gewesen, wenn wir uns mit Händen und Füßen an diese finstere Bretton Woods- Institution gefesselt hätten, die diejenigen politisch ruiniert, die sich an sie wenden, die Regierungen destabilisiert und zerstört und der diejenigen nicht entkommen können, die an das doppelte Joch von IWF und Neoliberalismus gefesselt sind, beide Ausdruck der ungerechten und irrationalen Wirtschaftsordnung, die der Welt aufgezwungen wurde.

Ohne den Sozialismus hätte nicht jeder Bürger das gleiche Recht, kostenlos jegliche Bildungs- und Gesundheitsleistung zu erhalten, um jeden Preis und ohne daß jemand irgendwann dafür gefragt wurde, welche seine religiösen oder politischen Ideen seien.

Ohne den Sozialismus hätten wir kein Land ohne Drogen, Bordelle, Spielkasinos, organisierte Kriminalität, Verschwundene, Todesschwadrone, Lynchakte oder außergerichtliche Hinrichtungen.

Ohne den Sozialismus könnten die kubanischen Familien ihre Kinder nicht gesund, gebildet und ausgebildet aufwachsen sehen, ohne Furcht davor, daß irgend jemand sie zur Droge oder anderen Lastern verführt, oder daß sie in der Schule durch die Hände ihrer eigenen Klassenkameraden sterben.

Ohne den Sozialismus wäre Kuba nicht – so wie dies heute der Fall ist – die festeste Barriere in der Hemisphäre gegen den Drogenhandel, und zwar sogar zugunsten der US-amerikanischen Gesellschaft.

Ohne den Sozialismus wäre Kuba nicht ein Land, in dem man seit 42 Jahren keine Repression oder Polizeibrutalität kennt, was so gewöhnlich ist in Europa und anderen Regionen, wo Anti-Aufstands-Fahrzeuge, Männer mit seltsamen Anzügen, die von einem anderen Planeten zu kommen scheinen, Schildern, Schlagstöcken und Gummigeschossen, Tränengas, Pfeffergas und anderen Mitteln gegen die Bevölkerung vorgehen.

Die westlichen Ländern haben Mühe zu verstehen, warum in Kuba nichts dergleichen geschieht. Sie haben nicht einmal die geringste Idee davon, zu welchem Beitrag für die menschliche Gesellschaft die Einheit, das politische Bewußtsein, die Solidarität, die Selbstlosigkeit und Großzügigkeit, der Patriotismus, die moralischen Werte und die Verpflichtung fähig sind, die aus der Bildung, der Kultur und der gesamten von einer wahrhaften Revolution erkämpften Gerechtigkeit hervorgegangen ist.

Ohne den Sozialismus hätten keine Hunderttausende von Kubanern internationalistische Einsätze abgeleistet, unser Vaterland hätte kein einziges Sandkorn zum Kampf gegen den Kolonialismus in Afrika beitragen können und seine Söhne hätten nicht einen einzigen Blutstropfen im Kampf gegen die scheinbar unbesiegbaren Kräfte des schändlichen Apartheidsystems, des Rassismus und des Faschismus vergossen.

Kein einziger von denen, die damals mit Südafrika und anderen Ländern dieses Kontinents – wo Kuba keinen Zoll Land besaß oder danach trachtete - Handel trieben, dort investierten und heute dort große Reichtümer besitzen, trug auch nur die geringste Quote an Opfern bei.

Nicht einmal die enorme Entfernung, die uns von Afrika trennt, war ein unüberwindbares Hindernis für den solidarischen Geist der blockierten und angefeindeten kleinen Insel.

Ohne den Sozialismus hätten weder mehr als 40 000 Beschäftigte des Gesundheitssektors ihre noble internationalistische Zusammenarbeit in mehr als 90 Ländern geleistet noch führte man heutzutage in 16 Ländern Lateinamerikas, der Karibik und Afrikas dank des von der Revolution geschaffenen immensen Humankapitals integrale Gesundheitspläne durch.

Ohne den Sozialismus hätten in kubanischen Universitäten keine 15 600 Studenten aus der Dritten Welt ihren Abschluß gemacht, noch absolvierten zur Zeit

11 000 Studenten aus diesen Ländern ihre Hochschulstudien in Kuba.

Ohne den Sozialismus gäbe es heute nicht die angesehene Lateinamerikanische Hochschule für Medizin, wo zur Zeit Jugendliche aus 24 Ländern und von 63 Ethnien studieren, noch immatrikulierten dort pro Jahr mehr als 2 000 neue Studenten.

Ohne den Sozialismus hätte man keine Internationale Hochschule für Sport und Körperkultur mit einer Kapazität für 1 500 Studenten, in der heute 588 Jugendliche aus 50 Ländern das erste Studienjahr absolvieren, eröffnet, noch gäbe es eine solche Einrichtung.

Ohne den Sozialismus wären in Kuba keine 19 000 Kinder und Erwachsene aus den drei vom Atomunfall in Tschernobyl im Jahr 1986 betroffenen Republiken betreut worden, die Mehrheit davon inmitten der Sonderperiode, und 53 Personen, die durch den radiologischen Unfall im brasilianischen Bundesstaat Goiás geschädigt wurden.

Was wir mit anderen Völkern geteilt haben, hat keinen einzigen unserer Landsleute daran gehindert, die Möglichkeit zu haben, den Millionen von Technikern der Mittelstufe und Universitätsabsolventen, über die Kuba verfügt, anzugehören. Dies beweist, daß man mit wenig viel machen kann, und daß man mit viel weniger Mitteln als denjenigen, die heutzutage auf der Welt für Werbung, Waffen, Drogen und exzessiven Luxuskonsum aufgewendet werden, alles machen könnte.

Ohne den Sozialismus wäre Kuba – wenn es dies auch nicht beabsichtigt hat – nicht zu einem Vorbild für viele Menschen auf der Welt und zu einem treuen und beharrlichen Fürsprecher der gerechtesten Anliegen geworden; ein kleines Land, welches das beneidenswerte Privileg besitzt, fast das einzige zu sein, das auf jeder internationalen Veranstaltung und Tribüne mit völliger Freiheit und ohne irgendeine Furcht vor Repressalien und Aggressionen die ungerechte Wirtschaftsordnung und die unersättliche, raubgierige, scheinheilige und unmoralische Politik der Regierung der hegemonialen Supermacht anprangern kann.

Ohne den Sozialismus hätte Kuba nicht den Anfeindungen von neun US-Präsidenten widerstehen können, die mit Ausnahme von Carter – ich muß dies mit aller Aufrichtigkeit sagen – feindselig oder äußerst aggressiv und feindselig gegenüber unserem Land waren. Man müßte noch denjenigen hinzufügen, der gerade den Präsidententhron bestiegen hat. Bei der Bewertung der ersten Schritte auf internationaler Ebene und dem Diskurs seiner Berater und Verbündeten der terroristischen Mafia in Miami wird deutlich, daß wir uns einer kriegerischen und jeglicher Ethik entbehrenden Administration entgegensehen könnten.

An einem Tag wie dem heutigen wäre es gut, an jenen unsterblichen Satz des Bronzenen Titan zu erinnern: „Wer versucht, sich Kubas zu bemächtigen, wird nur den Staub seines blutgetränkten Bodens aufsammeln, wenn er nicht im Kampf stirbt!" (Ausrufe und Beifall)

Das kubanische Volk von heute, Erbe seines Denkens, gemeinsam mit dem Denken von José Martí und einer ganzen Legion von Helden, die den bis heute beschrittenen langen Weg vorzeichneten, ist in der Lage zu bekräftigen, daß diejenigen, die den Versuch unternehmen, sich Kubas zu bemächtigen, heutzutage nicht einmal den blutgetränkten Staub unseres Bodens aufsammeln würden, weil sie keine andere Alternative hätten, als im Kampf zu sterben (Beifall und Ausrufe: „Fidel, Fidel, Fidel!").

Wie ich bereits sagte, sind die lateinamerikanischen Nationen zu diesem historischen Zeitpunkt gerade dabei, von den Vereinigten Staaten, die heute zur hegemonischen Supermacht geworden sind, verschlungen zu werden. In den nächsten Tagen, vom 20. bis 22. April, findet in Quebec ein Gipfeltreffen der Länder der Hemisphäre statt. Dort wird die hegemonische Supermacht versuchen, die Kapitulationsbedingungen für die Regierungen Lateinamerikas zu diktieren. Die Dokumente für ein Freihandelsabkommen zwischen den Ländern der Hemisphäre sind schnell erarbeitet worden. Die Vereinigten Staaten möchten den Festschmaus beschleunigen, die angestrebten Privilegien werden der Handelskonkurrenz und den Investitionen Europas und der asiatischen Industrieländer einen Riegel vorschieben. Die Strategie besteht darin, auf alle Kosten zu verhindern, daß sich der MERCOSUR konsolidiert und daß sich die Integration der Länder Südamerikas so entwickelt, daß sie mit sehr viel stärkerer Kraft mit den Vereinigten Staaten verhandeln können.

Die US-Regierung bevorzugt, mit jedem Einzelnen von ihnen getrennt zu verhandeln, unter Ausnutzung der wirtschaftlichen Schwäche, der bestehenden ungleichen Entwicklung, der untereinander vorhandenen Widersprüche und der verzweifelten Situation durch die diese Länder erstickende Auslandsverschuldung.

Aufgrund der totalen Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten und den internationalen Finanzinstitutionen sind einige Länder nicht in der Lage, Widerstand zu leisten; andere sind sich der sie bedrohenden Gefahr, aufgesaugt zu werden, nicht bewußt, oder sie wollen keinerlei Widerstand leisten. Aber nicht alle sind bereit, einfach verschlungen zu werden, und es wird Widerstand geben.

Die dort vertretenen Völker – ein Großteil von ihnen in Unwissenheit, extremer Armut und Verzweiflung versunken – werden auf keine Weise an den Entscheidungen beteiligt sein und betrachten aus weiter Entfernung Verhandlungen, deren Ziele, Inhalt und Folgen sie nicht in der Lage sind zu erfahren und noch viel weniger zu verstehen. Die dringendste Aufgabe der politischen und gesellschaftlichen Führungspersönlichkeiten, der fortschrittlichen Wirtschaftswissenschaftler und Intellektuellen und aller linken Kräfte besteht heutzutage vielleicht in der Schaffung von Bewußtsein sowie der Anprangerung der imperialistischen Gefräßigkeit und des Risikos, dem die Völker Lateinamerikas und der Karibik unterworfen sind.

Wir, die wir auf die sozialen Realitäten und die Schwere und die Unlösbarkeit der Probleme aufmerksam geworden sind, die sich nie auf jene Weise lösen lassen und immer dramatischer werden, wissen, daß Lateinamerika und die Karibik zwar verschlungen, aber nicht verdaut werden können. Früher oder später werden sie wie die biblische Gestalt auf die eine oder andere Weise aus dem Bauch des Wals entkommen. Und das kubanische Volk würde sie dann draußen erwarten, da es vor langer Zeit lernte, in aufgewühlten Gewässern zu schwimmen, und weil es weiß, daß die Völker der Dritten Welt immer unregierbarer werden und die notwendigen Lösungen erzwingen, solange sich ihre Lebensbedingungen nicht radikal verbessern.

An einem Tag wie heute, während der Aufzählung des Werkes der Revolution, ist es erstaunlich zu entdecken, daß wir noch weit davon entfernt sind, die gesamte notwendige und mögliche Gerechtigkeit erreicht zu haben.

Die vergangenen Jahre haben unsere Erfahrung und unsere Kenntnisse seit damals außerordentlich bereichert. Vier Jahrzehnte von Kämpfen gegenüber enormen Schwierigkeiten haben unsere Überzeugungen und unser Vertrauen in den Menschen und seine unermeßlichen Möglichkeiten gestärkt.

Der Sozialismus, den wir heute entwerfen, übertrifft unsere Träume von damals bei weitem. Die Sonderperiode zwang uns, ein Stück des beschrittenen Weges zurückzugehen. Es entstanden schmerzhafte Ungleichheiten. Die am meisten Leidenden, diejenigen, die sich vor allem Anderen der revolutionären Sache am meisten verschrieben, unsere treusten Hand- und Kopfarbeiter, das einfachste und treuste Volk, die bewußtesten Revolutionäre, begriffen diesen unvermeidbaren Umstand, und wie es immer geschah und immer in schwierigen Zeiten zu geschehen hat, luden sie das Hauptgewicht der Aufgabe, das Vaterland und den Sozialismus um jeden Preis zu retten, auf ihre Schultern (Ausrufe).

Wir werden nicht nur viel höhere Ziele erreichen als diejenigen, die wir bereits erreicht hatten, sondern wir werden sie sogar noch übertreffen. Heute marschieren wir bereits in Richtung auf Ziele, von denen wir vor 40 Jahren nicht einmal hätten träumen können, und noch weniger in der äußerst schwierigen Etappe, die vor 10 Jahren begann und aus der wir siegreich hervorgehen. Ein neuer Tagesanbruch beginnt unsere Zukunft zu erleuchten; eine Zukunft, die brillanter sein wird, ein Sozialismus, der ausgefeilter sein wird, ein vielversprechenderes und tiefgreifenderes revolutionäres Werk.

Heute sind wir nicht gekommen, um dem 40. Jahrestag der Proklamation des sozialistischen Charakters der Revolution zu gedenken; wir sind gekommen, um ihn zu bekräftigen; wir sind gekommen, um erneut einen Schwur abzulegen.

Unter Verwendung genau der gleichen Worte wie an jenem unvergessenen Tag vor 40 Jahren frage ich euch: „ Arbeiter und Bauern, einfache Männer und Frauen des Vaterlandes, schwört ihr, diese Revolution der Armen, der Armen wegen und für die Armen bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen?" (Ausrufe: „Wir schwören es!")

„Hier, gegenüber dem Grab der gefallenen Genossen; hier, gemeinsam mit den sterblichen Überresten der heldenhaften Jugendlichen, Söhne von Arbeitern und armen Familien" – wozu ich heute zwei Sätze hinzufüge: in Erinnerung an alle in den letzten 133 Jahren für das Vaterland und die Gerechtigkeit Gefallenen, im Namen derer, die bei heldenhaften internationalistischen Einsätzen ihr Leben für die Menschheit gaben -, „bekräftigen wir unsere Entscheidung, daß wir alle - genau wie sie ihre Brust den Kugeln entgegenstreckten, genau wie sie ihr Leben gaben, wann die Söldner auch kommen mögen -, stolz auf unsere Revolution, stolz darauf, diese Revolution der Armen, der Armen wegen und für die Armen zu verteidigen, nicht zögern werden, sie gegenüber wem auch immer bis auf unseren letzten Blutstropfen zu verteidigen."

Immer bis zum Sieg!

Vaterland oder Tod!

Wir werden siegen!

(Ovation)

Donnerstag, 5. April 2001

Redebeitrag von Fidel Castro Ruz in der Plenarsitzung der 105. Konferenz der Interparlamentarischen Union

Redebeitrag von Fidel Castro Ruz, Präsident des Staatsrates und des Ministerrates der Republik Kuba, in der Plenarsitzung der 105. Konferenz der Interparlamentarischen Union im Kongreßzentrum Palacio de las Convenciones. Havanna, 5. April 2001

Frau Präsidentin und weitere Mitglieder der Sitzungsleitung;

Verehrte Parlamentarier:

Als ich im Jahr 1981 bei der 68. Interparlamentarischen Konferenz sprach, sagte ich – nach der Aufzählung von Prozentzahlen und Angaben zur Verdeutlichung der wachsenden Kluft zwischen der entwickelten und opulenten Welt und den Ländern, die deren Kolonien und Herrschaftsgebiete darstellten und über Jahrhunderte hinweg Opfer von ununterbrochener Ausplünderung waren – einen Satz, der damals übertrieben erscheinen konnte: „Wenn die Gegenwart tragisch ist, so lauert für die Zukunft Finsternis."

Niemand soll versuchen, uns mit den neuen Begriffen zu täuschen und zu verwirren, die der scheinheiligen Propaganda von Spezialisten in Lüge und Betrug entspringen, die im Dienst derer stehen, die der Menschheit eine immer ungleichere und ungerechtere politische und ökonomische Ordnung aufgezwungen haben. Diese Ordnung hat absolut nichts Solidarisches oder Demokratisches und nicht einmal einen Hauch von Respekt vor den minimalsten Rechten, auf die die Menschen einen Anspruch haben.

Ich übertrieb nicht, als ich jenen Satz sprach.

Die Auslandverschuldung der Dritten Welt, die sich 1981 auf 500 Milliarden Dollar belief, erhöhte sich bis zum Jahr 2000 auf 2,1 Billionen Dollar. Der auf Lateinamerika entfallende Anteil betrug damals 255,188 Milliarden Dollar. Diese Zahl erhöhte sich bis zum Jahr 2000 auf 750,855 Milliarden Dollar.

1981 betrug der Schuldendienst der Dritten Welt 44,2 Milliarden Dollar. Im Jahr 2000 waren es bereits 347,4 Milliarden Dollar.

Das Bruttosozialprodukt (BSP) pro Kopf in den entwickelten Ländern belief sich 1978 auf 8 070 Dollar; zwanzig Jahre später, 1998, betrug das BSP pro Kopf dieser Länder 25 870 Dollar, während das BSP pro Kopf in den Länder mit den niedrigsten Einkünften im gleichen Zeitraum nur von 200 Dollar auf 530 Dollar anstieg. Die abgrundtiefe Differenz hatte sich noch einmal vertieft.

Die Anzahl von unterernährten Personen, von denen fast alle aus den Ländern der Dritten Welt kamen, stieg von 570 Millionen im Jahr 1981 auf 800 Millionen im Jahr 2000.

Die Zahl der Arbeitslosen stieg im Zeitraum 1981-2000 von 1,103 Milliarden auf 1,6 Milliarden.

In der Gegenwart tätigen die reichsten 20 % der Weltbevölkerung 86 % der Ausgaben für privaten Konsum, während die ärmsten 20 % nur 1,3 % dieser Ausgaben tätigen.

In den reichen Ländern ist der Pro Kopf-Stromverbrauch zehnmal höher als in allen armen Ländern zusammen.

Laut Angaben der Vereinten Nationen hatten 1960 die 20 % der Weltbevölkerung in den reichsten Ländern dreißig Mal höhere Einnahmen als die ärmsten Nationen. 1997 betrug dieses Verhältnis bereits das 74-fache.

Gemäß zwischen 1987 und 1998 getätigten Studien der UN-Welternährungsorganisation FAO leiden 2 von 5 Kindern in der unterentwickelten Welt an Wachstumsstörungen und eines von drei Kindern hat nicht das seinem Alter entsprechende Gewicht.

Es gibt 1,3 Milliarden Arme in der Dritten Welt, das bedeutet, daß dort einer von drei Einwohnern in Armut lebt. Die Weltbank prognostiziert in ihrem letzten Bericht über die Armut, daß beim Eintritt in das neue Jahrtausend die Zahl von 1,5 Milliarden Personen in absoluter Armut erreicht werden könnte.

Die reichsten 25 % der Weltbevölkerung konsumieren 45 % des Fleisches und des Fisches, während die ärmsten 25 % nur 5 % davon zu sich nehmen.

In Afrika südlich der Sahara beträgt die Kindersterblichkeitsrate 107 pro eintausend Lebendgeborenen bis zum Erreichen des ersten Lebensjahres und 173 pro 1 000 vor dem fünften Lebensjahr. Im südlichen Asien betragen die entsprechenden Anteile 76 und 114 pro 1 000. Im Falle Lateinamerikas gibt es laut UNICEF eine Kindersterblichkeit bis zum fünften Lebensjahr von 39 pro 1 000.

Mehr als 800 Millionen Erwachsene sind weiterhin Analphabeten.

Mehr als 130 Millionen Kinder im Schulalter wachsen auf, ohne Zugang zur Grundschulbildung zu haben.

Es ist real und nicht zu verschleiern, daß heutzutage mehr als 800 Millionen Menschen an chronischem Hunger leiden und gleichzeitig keinen Zugang zu Gesundheitsdiensten haben, weshalb geschätzt wird, daß in der Dritten Welt 507 Millionen Menschen das vierzigste Lebensjahr nicht überschreiten. Südlich der Sahara sterben 30 % der Bevölkerung vor dem vierzigsten Lebensjahr.

1981 erwähnte man kaum die Klimaveränderung und das Wort AIDS hatten erst sehr wenige gerade zum ersten Mal gehört. Zwei furchterregende Bedrohungen, die sich zu den bereits erwähnten Katastrophen gesellen.

1981 betrug die Weltbevölkerung bereits 4 Milliarden, 75 % davon lebten in den Ländern der Dritten Welt. Im Jahr 2001 sind wir bereits mehr als 6 Milliarden Einwohner des Planeten. In nur 20 Jahren stieg die Weltbevölkerung um 1,7 Milliarden Menschen, mehr als im gesamten Zeitraum vom Entstehen der menschlichen Spezies bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts.

Zusammenfassend kann man sagen, daß auf diese Weise die Proportion des weltweiten Einkommens derjenigen Länder, die heute die Dritte Welt darstellen, zurückgegangen ist. Vor anderthalb Jahrhunderten betrug sie 56 % und heute nur noch 15 %, was in Wirklichkeit eine besondere Ausdrucksform dessen darstellt, was für die Dritte Welt und die überwiegende Mehrheit der Menschheit der Kolonialismus, der Kapitalismus und der Imperialismus mit ihren Krisen, ihren Chaoszuständen, ihrer Anarchie auf wirtschaftlichem Gebiet und ihren egoistischen und unmenschlichen Wertsystemen darstellen.

Unser Land, unsere arme Nation, wurde nach vier Jahrhunderten spanischer Kolonialherrschaft und 57 Jahren als Kolonie der Vereinigten Staaten einer brutalen Wirtschaftsblockade ausgesetzt, und zwar seit dem Augenblick, in dem wir zum ersten Mal in der Geschichte unsere doppelte Freiheit erlangten, denn wir befreiten uns zur gleichen Zeit von der Tyrannei und dem Imperium.

Dieses kleine und blockierte Land der Dritten Welt, gegen das alle Ressourcen der Vereinigten Staaten im Bereich der Subversion, Destabilisierung, Sabotage und piratenähnlichen Angriffe angewandt wurden, genauso wie Hunderte von Plänen zur Ermordung von Führern der Revolution, schmutziger Krieg, Wirtschaftskrieg, biologischer Krieg, militärische Invasion unter Verwendung von Personal, das von den USA rekrutiert, bezahlt, ausgerüstet und von US-amerikanischen Marineeinheiten eskortiert wurde, das Land, das schließlich bis zum Risiko der Vernichtung in einem Atomkrieg getrieben wurde, konnte ehrenvoll allen Angriffen der größten Supermacht der Geschichte widerstehen, eines aufgrund seiner politischen, wirtschaftlichen, militärischen und technologischen Macht tausendfachen Roms.

Der unerbittliche Wirtschaftskrieg und die Blockade dauern bereits zweiundvierzig Jahre. Zusätzlich dazu haben wir zehn Jahre Sonderperiode ausgehalten, als wir nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Blocks und der Desintegration der Sowjetunion ohne Märkte und Versorgungsquellen dastanden, unter Umständen, als die Vereinigten Staaten die Blockade mit dem Torricelli-Gesetz und dem Helms-Gesetz verschärften. Kein Land sah sich jemals einer ähnlichen Herausforderung ausgesetzt.

Viele glaubten, daß wir vulgäre Sateliten einer Großmacht gewesen seien. Man erwartete das Ende der Revolution innerhalb von Wochen oder maximal innerhalb von Monaten. Doch der Satelit bewies sein eigenes Licht und seine außerordentliche Kraft als eine kleine Sonne von wahrer Freiheit, Souveränität, Patriotismus, sozialer Gerechtigkeit, realer Chancengleichheit, Solidarität innerhalb und außerhalb seiner Grenzen und unumstürzlichen ethischen und menschlichen Prinzipien.

Dienen die Macht, das enorme Ansehen, die Kraft und die Einheit des Volkes, die von der Revolution erreicht wurden, etwa dazu, um Eitelkeiten, Machtambitionen oder das Streben nach materiellen Gütern zu befriedigen? Nein, sie würden dazu dienen, um heldenhaft dem Ansturm des Imperiums in einem der gefährlichsten und schwierigsten Augenblicke der Geschichte unseres Vaterlandes zu widerstehen.

Niemand verfolge die Absicht, uns Lektionen in Geschichte oder Politik zu geben, indem er die kubanischen Führer wie Vorschulkinder behandelt. Es ist sogar möglich, daß die kubanischen Vorschulkinder von diesem Bereich mehr verstehen als einige bekannte Politiker.

Es gibt ein unter schrecklichen Umständen geschaffenes soziales Werk, das überwältigend, unanfechtbar und unübertroffen ist. Innerhalb eines Jahres wurde das Analphabetentum ausgemerzt, das fast ein Drittel der Bevölkerung zwischen 15 und 60 Jahren umfaßte. Gleichzeitig schuf man Tausende von Schulräumen an den entlegendsten Orten und in fast unzugänglichen Regionen. Ebenfalls wurden ärztliche Betreuungsdienste auf dem Land und in den Städten aufgebaut, obwohl die Vereinigten Staaten mit der Gewährung von Visa und dem Versprechen eines besseren materiellen Lebens die Zahl von 6 000 Ärzten, über die wir verfügten, um die Hälfte reduzierte, und die Anzahl der Medizindozenten um mehr als die Hälfte. Man errichtete Tausende von Schulen und Lehrer für die Grund- und höhere Mittelstufe wurden ausgebildet; man schuf Gymnasien, polytechnische Institute, Ausbildungszentren für Lehrer und Dozenten in den Bereichen Musik, Tanz, Kunst, Körperkultur, Sport und anderen. Die Hochschuleinrichtungen im ganzen Land, von denen es vor der Revolution nur drei gab, wurden dutzendfach vermehrt, darunter 21 Fakultäten für Medizin – mit der Lateinamerikanischen Hochschule für Medizin sind es sogar 22 - und 15 Pädagogische Hochschulen.

In weniger als dreißig Jahren wurde Kuba zum ersten Land in Lateinamerika und der Dritten Welt, das eine Kindersterblichkeit von weniger als 10 pro 1 000 Lebendgeborenen im ersten Lebensjahr erreichte, und dies inmitten der Sonderperiode mit einem Wert von 6,4 und einer Lebenserwartung von 75 Jahren. Kuba weitete in diesem Zeitraum die kostenlosen medizinischen Dienste auf alle Bürger aus, erhöhte die durchschnittliche Schulbildung auf 9 Jahre, graduierte mehr als 700 000 Universitätsabsolventen, entwickelte eine mächtige Kunst- und Kulturbewegung, nahm einen der ersten zehn Ränge in den olympischen Medaillenspiegeln ein und erreichte hierbei pro Kopf mehr Goldmedaillen als irgendein anderes Land auf der Welt. Bei regionalen Wettbewerben und internationalen Sportveranstaltungen hat das Land Tausende von Medaillen errungen und hinter den Vereinigten Staaten den zweiten Platz in dieser Hemisphäre eingenommen. Die kubanischen Kinder erreichen Spitzenplätze bei Wettbewerben in Mathematik und anderen wissenschaftlichen Disziplinen.

Laut Forschungen der UNESCO sind die Kenntnisse unser Grundschüler fast doppelt so groß wie die durchschnittlichen Kenntnisse der Kinder in den restlichen Ländern Lateinamerikas. Heute nimmt unser Volk unter allen Ländern der Welt – entwickelte oder unterentwickelte - den ersten Rang ein in bezug auf die Pro Kopf-Anzahl von Dozenten und Lehrern, Ärzten und hochqualifizierten Ausbildern in Körperkultur und Sport, drei Sparten, die von entscheidender Bedeutung sind für das Wohlergehen und die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung eines jeden Landes.

Dies zeigt sich in mehr als 250 000 Lehrern, 67 500 Ärzten und 34 000 Dozenten und Technikern in Körperkultur und Sport.

Heute teilen wir dieses immense Humankapital mit anderen Bruderländern der Dritten Welt, ohne einen einzigen Cent dafür zu verlangen (Beifall). Unsere Mitarbeiter besitzen nicht nur eine tiefgehende technische und wissenschaftliche Fähigkeit, sondern auch das Wichtigste, nämlich eine außergewöhnliche menschliche Solidarität und einen unübertrefflichen Opfergeist.

Hunderttausende von Landsleuten nahmen an internationalistischen Einsätzen in vielen Ländern der Dritten Welt teil, besonders in Afrika, und zwar als technisches Personal und speziell als Kämpfer gegen den Kolonialismus und die rassistische und faschistische Apartheid.

Sie können sich fragen, warum ich mich bei der Aufzählung dieser Geschehnisse aufhalte.

Erstens: Weil ich mich frage, ob dies der Grund ist, warum man uns Jahr für Jahr in Genf verurteilen will.

Zweitens: Ob man uns wohl aus diesem Grund anfeindet, blockiert und uns einen Wirtschaftskrieg aufzwingt, der bereits 42 Jahre andauert.

Drittens: Ob man aus diesem Grund die Kubanische Revolution zerstören will.

Ich muß noch etwas anfügen: In 42 Jahren Revolution wurde niemals Tränengas gegen die Bevölkerung eingesetzt, noch kennt man hier das Spektakel mit Polizisten in Taucheranzügen, mit Pferden oder Fahrzeugen zur Auflösung von Aufruhr, die das Volk unterdrücken, etwas, was sehr häufig in Europa und den Vereinigten Staaten vorkommt. In unserem Land gab es nie Todesschwadrone oder auch nur einen einzigen Verschwundenen, einen einzigen politischen Mord, einen einzigen Gefolterten, und das trotz der Tausenden von infamen Verleumdungen, die von einem gescheiterten und skrupellosen Imperium verbreitet werden, das das Erscheinungsbild und das Vorbild Kubas von der Erde wegfegen möchte.

Man gehe durch unser Land, frage die Bevölkerung, suche einen einzigen Beweis. Wenn jemand nachweist, daß die Revolutionsregierung eine Tat dieser Art angeordnet oder toleriert hat, trete ich niemals mehr auf einer öffentlichen Tribüne auf.

Ziemliche Dummköpfe sind diejenigen, die glauben, daß man dieses Volk mit Gewalt regieren kann oder mit jeglicher anderen Form als der des Konsenses, der aus dem geschaffenen Werk, der hohen politischen Kultur unserer Bürger und der beneidenswerten Beziehung der Führung zu den Massen erwächst. Bei den Wahlen zu den Parlamenten auf den verschiedenen Ebenen nehmen mehr als 95 % der Wahlberechtigten auf bewußte und enthusiastische Weise teil.

Die Ethik und Politik des Imperialismus unterscheidet sich davon erheblich.

Als die Kubaner im Süden Angolas kämpften und im Jahr 1988 die Entscheidungsschlacht von Cuito Cuanavale gegen die südafrikanischen Truppen schlugen, und als im Südwesten dieses Landes 40 Tausend kubanische Soldaten und 30 Tausend Angolaner bis zur Grenze von Namibia vorrückten, besaßen die Rassisten sieben Atombomben ähnlich denen, die auf Hiroshima und Nagasaki geworfen wurden. Die NATO wußte davon, die USA wußten davon, und sie sagten kein einziges Wort, in der Hoffnung, daß die Atombomben auf die kubanisch-angolanischen Kräfte geworfen würden.

In den 15 langen Jahren, in denen wir im südlichen Afrika weilten und auf dem Wachposten waren gegen die Kräfte der Apartheid oder im Kampf gegen sie, unterhielten die wichtigsten kapitalistischen Länder wichtige Investitionen in Südafrika und hatten Jahr für Jahr im Handel mit dem Rassistenregime einen milliardenschweren Austausch. Die US-Investitionen in Südafrika beliefen sich zu jener Zeit auf 3 Milliarden Dollar, der jährliche Handel auf 6 Milliarden Dollar und die diesem Land gewährten Kredite betrugen weitere 3 Milliarden Dollar.

Es ist wohlbekannt, daß die Vereinigten Staaten ein militärischer Verbündeter Südafrikas waren – kann man das etwa vergessen? – und über das Rassistenregime der UNITA beträchtliche Summen an Waffenlieferungen zukommen ließen, was tragbare Luftabwehrraketen und Millionen von Antipersonen-Minen einschloß, die auf dem gesamten angolanischen Territorium eingegraben wurden. Diese Organisation metzelte ganze Ortschaften nieder und tötete Hunderttausende von Zivilisten, einschließlich Frauen und Kinder. Ich übertreibe nicht im Geringsten.

Nachdem der ehrenvolle kubanische internationalistische Einsatz abgeschlossen wurde – mit einer Vereinbarung, die zur Anwendung der UN-Resolution 435 und der Unabhängigkeit Namibias führte, wobei wir uns rigoros an die von den Teilnehmerländern eingegangen vertraglichen Verpflichtungen hielten -, zogen sich unsere Streitkräfte zurück, ohne etwas anderes aus Afrika mitzunehmen als die sterblichen Überreste der gefallenen Genossen, sie besaßen dort keinen Quadratmeter Land – wie ich vor einigen Tagen sagte – oder auch nur eine Schraube irgendeiner Fabrik. Kein westliches Land hatte dort auch nur einen einzigen Blutstropfen vergossen. Ein Land allein, klein und weit entfernt, 10 000 Kilometer von Afrika, hatte dies getan: Kuba. (Beifall)

Zu alldem, was ich am Beginn meiner Rede über die dramatische wirtschaftliche und soziale Situation der Völker der Dritten Welt sagte, gesellen sich die arroganten Schritte der neuen Administration der Vereinigten Staaten auf der internationalen Bühne, die zu schwerwiegenden Komplikationen in einem Moment führen können, in dem die Weltwirtschaft, und zu allererst die US-Wirtschaft, großen Risiken von Stagnation, Rezession und sogar Krise ausgesetzt sind, deren Auswirkungen man bereits an allen Ecken und Enden spürt, beim Rückgang des Exportvolumens, den Preisen für Grundprodukte, den niedrigen Kursen der Aktien an den Börsen, großflächigen Entlassungen und überall anzutreffenden Ankündigungen von neuen Entlassungen.

Die schwerwiegendsten Geschehnisse in wenigen Wochen waren folgende:

Erstens: Die Entscheidung zur Schaffung eines nuklearen Abwehrschirmes, womit einseitig die vertraglichen Verpflichtungen des ABM-Vertrages gebrochen werden, was unvermeidlich zu einer Wettrüstung führt.

Zweitens: Die Entscheidung, das Veto einzulegen gegen das Resolutionsvorhaben, das die Einsetzung einer Beobachtertruppe zum Schutz des palästinensischen Volkes vorschlug (Beifall) und von China, Rußland und weiteren 7 Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates unterstützt wurde, bei 4 Enthaltungen, darunter zwei weitere ständige Mitglieder des Sicherheitsrates.

Seit Mai 1990 haben die USA fünfmal ihr Veto eingelegt, viermal davon im Zusammenhang mit dem palästinensisch-israelischen Konflikt. Das letzte Veto der Vereinigten Staaten datiert auf den 21. März 1997 – zur Unterstützung der Interessen Israels und zum Nachteil der Palästinenser -, bei einer Resolution, die Israel aufforderte, den Bau einer Siedlung in Ost-Jerusalem zu stoppen.

Seit dem Jahr 1972 haben die USA 23 Mal bei Resolutionen über Initiativen zur Lösung des Palästina-Problems ihr Veto eingelegt.

Die komplizierte Situation im Nahen Osten verschärft sich durch das kürzliche Veto der Vereinigten Staaten, zu einem Zeitpunkt, als gerade eine rechtsextreme Regierung in Israel an die Macht gekommen ist.

Drittens: Die ebenfalls einseitige Entscheidung zum Bruch der Verpflichtungen, die bei der Dritten Konferenz der Teilnehmerstaaten an der UN-Konvention über Klimaveränderung eingegangen wurden, die Ende 1997 in Kyoto stattfand und bei der 34 Industrieländer vereinbarten, den Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2012 um 5,2 % zu reduzieren, was die Menschheit verzweifelt benötigt. Die USA hatten sich verpflichtet, die Treibhausgase um 7 % zu reduzieren. Es war ein harter Schlag für die Weltöffentlichkeit und im Besonderen für die europäischen Länder, die den größten Beitrag bei dieser Konvention zur Reduzierung der genannten Gase leisteten.

Viertens: Grobe und erniedrigende Erklärungen gegenüber Rußland und China, wobei dabei eine für den Kalten Krieg typische Sprache verwendet wurde. Dies ist der Ausdruck einer Mentalität, die man deutlich bei vielen Mitgliedern des Teams wahrnehmen kann, das den jetzigen US-Präsidenten umgibt und berät.

Fünftens: Eine spürbare, nicht zu verschleiernde Geringschätzung gegenüber Lateinamerika, indem die neue Administration als Unterstützenden Unterstaatssekretär für Lateinamerikanische Angelegenheiten eine schmutzige Person mit faschistischer Mentalität vorschlägt, die als Sondergesandter für öffentliche Diplomatie des Außenministers während der Reagan-Administration bekannt wurde durch die gemeinsame Teilnahme mit Oliver North an dem Skandal anläßlich des Verkaufs von Waffen zum Erhalt von Finanzmitteln, um den schmutzigen Krieg gegen die sandinistische Regierung in Nicaragua zu bestreiten, was zu jenem Zeitpunkt wegen Vereinbarungen des US-Kongresses verboten war. Er veröffentlichte Dokumente und von ihm unterzeichnete Erklärungen, wobei er die Namen von konterrevolutionären nicaraguanischen Anführern verwendete – von denen einige weder lesen noch schreiben konnten -, verletzte Gesetze und legte ein totales Fehlen von Ethik an den Tag. Nicht wenige US-amerikanische Presseorgane haben harte Kritik geübt und viele lateinamerikanische Regierungen sind alles andere als glücklich.

Auf alle Fälle umreißen diese Schritte mit aller Klarheit die Wesensmerkmale und den Charakter des neuen Besetzers des Präsidentensessels der Vereinigten Staaten.

Kuba erstaunt nichts, da es die engen Verbindungen des Herrn Bush mit der Cuban-American National Foundation und dessen Verpflichtungen dieser Organisation gegenüber kennt, einer terroristischen Mafia – ich wiederhole, terroristischen Mafia -, die das Anbringen von Bomben in Hotels in Havanna finanzierte, von denen einige explodierten, mit dem Ziel, die Tourismusindustrie in Kuba zu zerstören. Diese Stiftung organisierte den Plan eines Attentats in Isla Margarita auf denjenigen, der hier zu Ihnen spricht. Die Vollstrecker des Plans wurden durch einen Zufall von der US-Küstenwache verhaftet – vielleicht im Glauben, sie hätten Drogen bei sich -, als sie mit ihrem Boot an der Küste von Puerto Rico mit Kurs auf Isla Margarita fuhren. Die Verhafteten selbst enthüllten ihre Ziele und die Organisatoren des Plans. Trotz unanfechtbaren Urteil- und Beweiselementen wurden sie freigesprochen.

Die letzte große Untat der Cuban-American National Foundation war der gegen meine bescheidene Person gerichtete Attentatsversuch, der anläßlich des im vergangenen November in Panama stattgefundenen Iberoamerikanischen Gipfeltreffens organisiert wurde, wofür sie den bekanntesten Terroristen der Hemisphäre benutzten, den Autor der mitten im Flug durchgeführten Sprengung eines kubanischen Flugzeugs am 6. Oktober 1976, bei der 73 Menschen starben, darunter die gesamte Junioren-Nationalmannschaft im Fechten, die aus Venezuela kam, wo sie bei einem Wetttkampf gerade alle Goldmedaillen gewonnen hatte. Dieses Mal schleuste er von El Salvador aus gewaltige Sprengkörper ein, um sie in der Universität von Panama zur Explosion zu bringen, wo ich mich mit eintausend Studenten treffen sollte. Die rechtzeitige Denunzierung dieses Planes führte zur Verhaftung des Anführers und weiterer drei Terroristen kubanischer Herkunft, Mitglieder der Mafia aus Miami, mit einer blutigen Vorgeschichte im Dienst der US-amerikanischen Geheimdienstorgane. Die US-Behörden und die Regierung dieses Landes wissen haargenau von der Wahrhaftigkeit dessen, was ich hier darlege.

Bereits am 3. Januar dieses Jahres legte der Kongreßabgeordnete Bob Barr dem Ausschuß für Auswärtige Beziehungen des Repräsentantenhauses einen Gesetzentwurf vor, dessen Ziel darin besteht, eine von der Ford-Administration am 18. Februar 1976 erlassene Exekutivanordnung bezüglich der Geheimdienstaktivitäten der USA im Ausland zu annulieren. Im Abschnitt 5, Absatz g) dieser Anordnung heißt es, daß kein Angestellter der US-Regierung an politischen Morden teilnehmen oder sich an Verschwörungen mit diesem Ziel beteiligen darf.

Wer ist Bob Barr? Ein republikanischer Kongreßabgeordneter für den Bundesstaat Georgia. Er arbeitete mit der CIA zuasammen und wurde 1986 von Präsident Reagan zum US-Staatsanwalt für den Norddistrikt von Georgia ernannt. Barr ist Mitglied auf Lebenszeit der National Rifle Association und sitzt in deren Vorstand. Er wurde vom US-amerikanischen Rat für Schießsport als Kongreßführer des Jahres geeehrt und von der Bürgerkommission für das Recht auf Besitz und das Tragen von Waffen (was den Kindern dazu dient, sich untereinander in der Schule totzuschießen, neben dem Ansporn zur Gewalt, den sie permanent durch die Massenmedien vermittelt bekommen) als Kongreßabgeordneter des Jahres für seinen Einsatz zugunsten des Rechts zum Waffentragen. Zudem wurde er von der Kommission für Konservative Politische Aktion zum Kongreßneuling des Jahres erklärt.

Fieberhaft arbeiten die terroristische Mafia aus Miami und die extreme Rechte der Vereinigten Staaten am Ausfeilen von Plänen, Gesetzentwürfen und aggressiven Maßnahmen gegen Kuba. Unter diesen Vorhaben befinden sich, was offen erklärt wird, direkte Beziehungen mit der sogenannten Opposition und die Bewilligung von Millionensummen für die Subversion und Destabilisierung unseres Landes. Niemand sollte sich täuschen lassen. Kuba wird als Antwort die entsprechenden Maßnahmen treffen.

Die schmutzigen Hände der US-Regierung haben nicht davon abgelassen, alles Mögliche zu tun, diese Konferenz zu provozieren, zu diskreditieren und sogar für ihre perfiden Pläne zu benutzen. Die Botschaften der Vereinigten Staaten schickten Briefe an eine nicht präzisierte Zahl von Palamentariern, die an dieser Konferenz teilnehmen würden. Befreundete Hände ließen sie unseren Behörden zukommen.

Einer dieser Briefe lautet wörtlich wie folgt:

„Ihr Besuch in Kuba anläßlich des Treffens der Interparlamentarischen Union (IPU) bietet eine einzigartige Gelegenheit, damit Sie Ihre Solidarität mit der Demokratie und den Menschenrechtsaktivisten in Kuba zum Ausdruck bringen.

Wie Sie wissen, wurde Ihr tschechischer Kollege, der Parlamentsabgeordnete Ivan Pilip, im Februar wegen des ‚Delikts‘ des Zusammentreffens mit demokratischen Aktivisten verhaftet und drei Wochen lang von der kubanischen Geheimpolizei festgehalten.

Nachdem sich Syg Johnsson (IPU) und der Präsident der Menschenrechtskommission der IPU, Letelier, eingeschaltet hatten, entschieden die Kubaner, Pilip und seinen Kollegen Jan Bubenik freizulassen.

Die IPU steht deswegen in einer direkten Verbindung mit der Situation der Menschenrechte auf der Insel und hat nun die Gelegenheit, eine deutliche und prinzipienfeste Botschaft auszusenden, die die Unterstützung der IPU und der Parlamente, zu denen Sie gehören, für die Menschenrechte und für Kuba widerspiegelt, indem Sie sich mit den Aktivisten treffen.

Während des Iberoamerikanischen Gipfeltreffens in Havanna im Jahr 1999 setzen sich einige lateinamerikanische Führungspersönlichkeiten auf die gleiche Weise mit den kubanischen Aktivisten in Verbindung. Dies sendete ein deutliches Signal aus und diente den kubanischen Aktivisten als Ansporn.

Wir wissen, daß international angesehene Aktivisten von hoher Qualität begierig darauf sind, sich mit ausländischen Parlamentariern zu treffen, um ihre Ansichten über die Perspektiven einer demokratischen und wirtschaftlichen Öffnung kundzutun."

In einer anderen der abgeschickten Mitteilungen heißt es unter anderem:

„Obgleich viele die Hoffnung hatten, daß sich die Situation der Menschenrechte in Kuba nach dem Papstbesuch im Januar 1998 verbessern würde, hat sich die Situation in Wirklichkeit verschlechtert.

Diese Verschlechterung nahm in den letzten sechs Monaten zu. Allein seit Dezember wurden Hunderte von Aktivisten verhaftet.

(...)

Hunderte bleiben hinter Gittern, die Mehrheit wegen harmlosen Aktionen wie die Weitergabe von Exemplaren der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.

Kürzlich strich Kuba den Besuch des Staatsministers im Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland, Vollmer, da er den Vorschlag wagte, bei seiner Reise die Fragen der Menschenrechte anzusprechen.

Kuba griff im Februar auf harte Weise Argentinien an, nachdem eine argentinische Zeitung berichtet hatte, daß das südamerikanische Land die Kuba-Resolution in der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen (UNCHR) unterstützen würde.

Zu Anfang dieses Jahres, im Januar, wurden Ivan Pilip, Mitglied des tschechischen Parlaments, und Jan Bubenik, ehemaliger Parlamentsabgeordneter, einfach deswegen mehr als drei Wochen lang festgehalten, weil sie sich mit kubanischen Aktivisten und unabhängigen Journalisten trafen.

Kein Abgeordneter des US-Kongresses hat im Zeitraum von zehn Jahren an einem Treffen der IPU teigenommen.

1998 entschied der US-Kongreß, die Mitgliedschaft in der IPU aufzugeben, falls der Mitgliedsbeitrag der USA zu dieser Organisation nicht reduziert würde.

Der Mitgliedsbeitrag wurde nicht reduziert, so daß der Generalsekretär der IPU im Oktober 2000 offiziell über die Absicht der USA unterrichtet wurde, sich aus der IPU zurückzuziehen, was unmittelbar darauf geschah."

Nach der Lektüre dieser Dokumente können bei niemandem Zweifel darüber bleiben, wer Verschwörungen unternimmt, wer diese organisiert, wer lügt, wer Intrigen schmiedet, wer bezahlt und wer die Führung innehat. (AP)

Man benötigt keine besondere Anstrengung, um zu verstehen, bis zu welchem Punkt die US-Regierung durch Präpotenz, Frustration und unaufhörliches Scheitern zur Respektlosigkeit gegenüber den Institutionen und zur Provokation und Einmischung in internationale Organisationen und die inneren Angelegenheiten eines jeglichen Landes getrieben wird.

Seit vier Jahrzehnten rekrutieren sie Söldner. Heute ist unser Volk vereinter und die Revolution stärker als je zuvor. An ihr zerschellen alle Intrigen, Pläne, Verschwörungen und Verbrechen, die sie gegen unser Vaterland begehen. Wir werden ihre Manöver enthüllen und ihre Niedertracht und Lügen anprangern. Ebensowenig zögern wir, ihre Komplizen anzuklagen und aufzudecken. Keiner entgeht der gerechtesten und vernichtendsten Kritik, wie erhaben diese Person auch sei; kein wirtschaftliches Interesse und keine Drohung mit Repressalien werden die Würde und den Mut unseres Volkes bremsen. Deshalb zögern wir nicht zu bekräftigen, daß das Verhalten derjenigen von widerlichem Zynismus ist, die das naive und lächerliche Manöver verfechten oder sich ihm anhängen, das darin besteht, die Verurteilung der Blockade als Feigenblättchen mit der scheinheiligen Absicht zu benutzen, die Niederträchtigkeit einer Anklage Kubas wegen angeblicher Menschenrechtsverletzungen zu kompensieren.

Nichts kann jemals die Feigheit und die Lüge rechtfertigen.

Kuba verachtet diejenigen, die so handeln, und uns interessieren nicht die Stimmen gegen die Blockade von denjenigen, die auf zynische Weise die Argumente unterstützen, mit denen das Imperium versucht, seine Verbrechen zu rechtfertigen.

Nichts konnte und kann jemals die Würde, Ethik und Heldenhaftigkeit eines Volkes besiegen, das bereits eine untilgbare Seite in der Geschichte dieser Epoche geschrieben hat. (Beifall)

Ich bedanke mich für die noble Begleitung von so vielen und so würdigen Parlamentariern, die uns mit ihrer Anwesenheit eine Ehre erwiesen und uns mit ihrer Solidarität anspornten.

Ich bitte Sie um Entschuldigung für die in Anspruch genommene Zeit.

Ich bin Ihnen auf ewig zu Dank verpflichtet.

Ich wünsche dieser ausgezeichneten Konferenz allen Erfolg, die sie verdient.

Immer bis zum Sieg!

Vielen Dank!

(Ovation)