Dienstag, 17. Juli 2007

Reflexion des Comandante en Jefe: Brain Drain - Abwerbung von qualifizierten Fachkräften

Ich habe zu dem Thema etwas bei meinen letzten Reflexionen „Bush, die Gesundheit und die Bildung“, die ich den Kindern widmete, erwähnt und ein Beispiel zitiert. Bei diesen, die an den ersten Absolventenjahrgang der Universität für Informatikwissenschaften (UCI) gerichtet sind, werde ich dieses dornige Thema etwas gründlicher behandeln.

Sie waren die Wegbereiter, von denen ich so viel über die Intelligenz und die Werte unserer Jugendlichen gelernt habe, wenn sie mit Sorgfalt gepflegt werden. Viel habe ich auch von dem ausgezeichneten Lehrkörper gelernt, von denen ein Großteil in der Universitätsstadt „José Antonio Echevarría“ (CUJAE) studiert hat.

Ich kann ebenfalls weder das Beispiel der Sozialarbeiter vergessen, die mit ihrer Organisationsfähigkeit und ihrem Opfergeist meine Kenntnisse und meine Erfahrung bereichert haben, noch die Tausenden Erzieher, die vor kurzem ihren Abschluss gemacht haben, und die Absicht erfüllt haben, einen Lehrer je 15 Schüler in der siebenten, achten und neunten Mittelschulklasse zu erreichen. Sie alle haben ihr Universitätsstudium fast gleichzeitig begonnen, im Eifer der Ideen, die bei der Schlacht zur Rückgabe eines entführten Kindes von 6 Jahren an seine Familie und sein Vaterland geboren und angewendet wurden, für den wir bereit waren, alles zu geben.

In zwei Tagen werden 1 334 Studenten der UCI aus dem ganzen Land ihren Fachabschluss als Informatikingenieur erhalten, die ihren Studienplatz aufgrund ihrer beispielhaften Verhaltensweise und ihrer Kenntnisse bekamen. Von ihnen wurden 1 134 auf die Ministerien aufgeteilt, die unserem Volk wichtige Dienstleistungen bieten und den Organen, welche die hauptsächlichen wirtschaftlichen Ressourcen handhaben. Es verblieb eine zentrale Reserve von 200 gut ausgewählten jungen Menschen, die von Jahr zu Jahr zunehmen wird. Ihre Zweckbestimmung wird vielfältig sein. Diese Reserve besteht aus Abgängern aller Landesprovinzen und wird in der UCI selbst untergebracht sein. Von ihnen sind 56% männlichen und 44% weiblichen Geschlechts.

Die UCI öffnet Jugendlichen der 169 Kreise von Kuba ihre Tore. Ihre Grundlagen beruhen nicht auf dem Ausschließungsmodell und der Konkurrenz zwischen den menschlichen Wesen, welche die entwickelten kapitalistischen Länder lobpreisen.

Die Realitäten der Welt scheinen darauf ausgerichtet zu sein, um den Egoismus, den Individualismus und die Entmenschlichung des Menschen zu säen.

Eine am 3. Mai 2006 veröffentlichte Reuters-Agenturmeldung behauptet unter dem Titel „Die Abwanderung afrikanischer Fachkräfte beraubt den Kontinent seiner qualifizierten Arbeitskräfte und behindert seine Entwicklung“: „es wird eingeschätzt, dass“ in Afrika „jedes Jahr 20 000 Fachkräfte in den Westen auswandern“, was den Kontinent der „Ärzte, Krankenpfleger, Lehrer und Ingenieure beraubt, die er zur Zerschlagung eines Armuts- und Unterentwicklungszyklus benötigt.“

Reuters fügt hinzu: „Die Weltgesundheitsorganisation behauptet, dass Schwarzafrika das Gewicht von 24 Prozent der Krankheiten auf der Welt trägt, einschließlich AIDS, Malaria und Tuberkulose. Um gegen diese Herausforderung anzukämpfen hat es nur 3 Prozent der qualifizierten Arbeitskräfte der Welt zur Verfügung.“

In Malawi „ sind nur 5 Prozent der Arztstellen besetzt und 65 Prozent der freien Stellen für Krankenschwestern. In jenem 10 Millionen-Einwohner-Land betreut ein Arzt 50 000 Menschen“.

Die Agentur drückt mit einem wörtlichen Zitat eines Weltbankberichts Folgendes aus: „Stagniert durch die inneren Konflikte, die Armut und die Krankheiten, von denen viele heilbar sind, aber keine ärztliche Betreuung erfahren, ist ein Großteil Afrikas nicht in der Lage, mit den reichen Ländern, die bessere Gehälter, bessere Arbeitsbedingungen und politische Stabilität bieten, in den Wettkampf zu treten.“

„Die Abwanderung von qualifizierten Fachkräften ist ein doppelter Schlag für die schwachen Wirtschaften, die nicht nur ihre besten Humanressourcen und das Geld für ihre Ausbildung verlieren, sondern dann ungefähr 5,6 Milliarden Dollar pro Jahr zahlen sollen, um die Ausgewanderten anzustellen.“

Die Redewendung „Abwanderung von qualifizierten Fachkräften“ wurde in den 60er Jahren geprägt, als die Vereinigten Staaten die Ärzte von Großbritannien für sich aufkauften. In jenem Fall fand der Raub zwischen zwei entwickelten Ländern statt, einem, das im Jahr 1944 aus dem zweiten Weltkrieg mit 80 Prozent der Goldbarren hervorging und dem anderen, das in jenem Krieg stark mitgenommen und seines Imperiums beraubt worden war.

Ein Weltbankbericht unter dem Titel "Internationale Migration, Geldüberweisungen und Abwanderung qualifizierter Fachkräfte“, der im Oktober 2005 bekannt gegeben wurde, ergab folgende Ergebnisse:

In den letzten 40 Jahren sind mehr als 1 200 000 Fachkräfte aus Lateinamerika und der Karibik in die Vereinigten Staaten, nach Kanada und in das Vereinigte Königreich emigriert. Aus Lateinamerika sind während 40 Jahren im Durchschnitt mehr als 70 Wissenschaftler pro Tag emigriert.

Von den 150 Millionen Menschen auf der Welt, die an wissenschaftlichen und technologischen Aktivitäten teilnehmen, sind 90 Prozent in den sieben Nationen mit dem höchsten industriellen Entwicklungsstand konzentriert.

Mehrere Länder, vor allem kleine von Afrika, der Karibik und von Mittelamerika haben durch Migration mehr als 30 Prozent ihrer Bevölkerung mit akademischem Abschluss verloren.

Die Inselkaribik, wo Englisch in fast allen Ländern Landessprache ist, weist die höchste Fachkräfte-Abwanderungsrate der Welt auf. In einigen ihrer Länder sind 8 von 10 Universitätsabgängern aus dem Land weggegangen.

Mehr als 70 Prozent der Software-Programmierer des US-Unternehmens Microsoft Corporation stammen aus Indien und Lateinamerika.

Besonderer Erwähnung sind die intensiven Migrationsbewegungen wert, die, ausgehend von der Auflösung des sozialistischen Lagers, von Osteuropa und der Sowjetunion nach Westeuropa und Nordamerika entstanden.

Die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) zeigt auf, dass die Zahl der Wissenschaftler und Ingenieure, die ihre Herkunftsländer verlassen und in Industrienationen gehen, circa ein Drittel der Anzahl beträgt, die in ihren Ursprungsländern verbleiben, was eine bedeutende Verminderung des unumgänglichen Menschenkapitals hervorruft.

In der Untersuchung der IAO wird behauptet, dass die Migration von Studenten eine Vorlauf-Erscheinung zur Abwanderung von qualifizierten Fachkräften ist. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) behauptete, dass zu Beginn des jetzigen Millenniums knapp über „1,5 Millionen ausländischer Studenten Hochschulstudien in den Mitgliedsstaaten absolvierten, von denen mehr als die Hälfte aus nicht zur OECD gehörigen Ländern stammen. Von jener Gesamtzahl seien knapp eine halbe Million in den Vereinigten Staaten, eine viertel Million im Vereinigten Königreich und ungefähr 200 000 in Deutschland“.

Zwischen 1960 und 1990 haben die Vereinigten Staaten und Kanada mehr als eine Million Einwanderer - Akademiker und Fachleute - aus Ländern der Dritten Welt akzeptiert.

Die Zahlen sind nur eine schwache Widerspiegelung der Tragödie.

In den letzten Jahren ist die Förderung dieser Emigration zu einer offiziellen Staatspolitik in mehreren Ländern des Nordens geworden, mit speziell zu diesem Zweck entworfenen Anreizen und Sonderbehandlungen:

Der im Jahr 2000 vom Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten verabschiedete “American Competitiviness in the 21st Century Act“ erhöhte die Anzahl der Visa für Zeitarbeit, die als H-1B bekannt sind, von 65 000 auf 115 000 im Steuerjahr 2000, und anschließend bis auf 195 000 für die Jahre 2001, 2002 und 2003. Zielstellung bei dieser Erhöhung war es, den Eintritt von hoch qualifizierten Einwanderern in die Vereinigten Staaten zu fördern, welche Arbeitsplätze im Bereich der Hochtechnologie einnehmen könnten. Obwohl diese Zahl im Steuerjahr 2005 auf 65 000 verringert wurde, hielt der Fachkräfte-Strom in jenes Land unveränderlich an.

Ähnliche Maßnahmen wurden vom Vereinigten Königreich, von Deutschland, Kanada und Australien erlassen. Letzteres Land erteilte ab 1990 der Einwanderung von hoch qualifizierten Fachkräften vor allem in den Bereichen Bank- und Versicherungswesen und der so genannten Kenntniswirtschaft Vorrang.

Bei fast allen beruht das Auswahlkriterium auf der hohen Qualifizierung, der Sprache, dem Alter, der Berufserfahrung und den beruflichen Ergebnissen. Das Programm des Vereinigten Königreiches erteilt Ärzten Zusatzpunkte.

Diese fortgesetzte Ausplünderung von qualifizierten Fachkräften der Länder des Südens annulliert und schwächt die Ausbildungsprogramme des Humankapitals, einer notwendigen Ressource, um aus der Unterentwicklung emporzusteigen. Es geht nicht nur um den Kapitaltransfer, sondern um die Einfuhr der grauen Substanz, wobei von der Wurzel her die Intelligenz und die Zukunft der Volker gekappt wird.

In den Jahren 1959 bis 2004 erreichten in Kuba 805 903 Akademiker ihren Abschluss, einschließlich Ärzte. Die ungerechte Politik der Vereinigten Staaten gegen unser Land hat uns 5,16 Prozent unserer von der Revolution graduierten Hochschulabgänger genommen.

Dennoch sind die Arbeitsbedingungen und die Vergütung nicht einmal für die Elite der Beschäftigten unter den Einwanderern genauso wie für die einheimischen US-Amerikaner. Um den von der Arbeitsgesetzgebung auferlegten komplizierten Papierkram und den Aufwand der Einwanderungsformalitäten zu umgehen, ist man in den Vereinigten Staaten so weit gegangen, ein Softwarefabrik-Schiff zu schaffen, dass hoch qualifizierte Sklaven in internationalen Hoheitsgewässern verankert hält, eine Art Maquila-Betrieb zur Herstellung aller denkbarer Arten von digitalen Geräten. Das Projekt SeaCode besteht darin, ein Schiff mehr als dreitausend Meilen von der kalifornischen Küste entfernt (internationale Hoheitsgewässer) mit 600 Informatikern aus Indien an Bord verankert zu haben, die während vier Monaten auf dem Meer täglich 12 Stunden ohne Pause arbeiten.

Die Tendenzen zur Kenntnisprivatisierung und Internationalisierung der wissenschaftlichen Forschung in dem Großkapital unterstellten Unternehmen hat eine Art „Wissenschaftsapartheid“ für die große Mehrheit der Menschheit geschaffen.

Die Gruppe Vereinigte Staaten, Japan und Deutschland hat einen ähnlichen prozentmäßigen Anteil an der Weltbevölkerung wie Lateinamerika, aber die Investition in Forschung und Entwicklung beträgt 52,9 Prozent gegenüber 1,3 Prozent. Die heutige wirtschaftliche Lücke nimmt vorweg, wie weit die von Morgen gehen kann, wenn diese Tendenzen nicht rückläufig gemacht werden.

So eine Zukunft hat sich schon unter uns niedergelassen. Die so genannte neue Wirtschaft bewegt jedes Jahr enorme Kapitalströme. Gemäß einem Bericht von Digital Planet 2006, des World Information Technology and Services Alliance (WITZA), erreichte der Weltmarkt für Informations- und Nachrichtentechnologien (TIC) drei Billionen US-Dollar im Jahr 2006.

Jedes Mal mehr Menschen sind an Internet angeschlossen, – am 9. Juli 2007 wurden knapp 1,4 Milliarden Nutzer erreicht – dennoch sind in einem großen Teil der Länder, einschließlich vieler entwickelter, weiterhin die Bürger in der Überzahl, die keinen Anschluss an jenen Service haben. Die digitale Lücke übersetzt sich in dramatische Unterschiede, wo einem Teil der Menschheit, dem begünstigten und mit dem Netz verbundenen, mehr Information zur Verfügung steht, als je einer Generation zuvor.

Um eine Idee davon zu bekommen, was das bedeutet, ist es ausreichend zwei Realitäten zu vergleichen: Während in den Vereinigten Staaten etwas über 70 Prozent der Bevölkerung Internetzugang hat, sind das in ganz Afrika nur 3 Prozent. Die Internetservice-Anbieter befinden sich in Ländern mit hohen Einkommen, wo nur 16 Prozent der Weltbevölkerung lebt.

Es ist dringend, der Situation der Bedürftigkeit zu begegnen, in der sich die Gruppe unserer Länder auf diesem Schauplatz der weltweiten Informationsnetze, Internet und aller moderner Informations- und Bildübertragungsmittel befindet. Eine Gesellschaft, in der die menschlichen Wesen zu Millionen überzählig sind und die Abwerbung von qualifizierten Fachkräften aus den Ländern des Südens Gewohnheitspraxis ist, und die wirtschaftliche Macht und Nutznießung der neuen Technologien in wenigen Händen verewigt wird, kann nicht einmal mittelmäßig menschlich genannt werden. Dieses Dilemma zu lösen ist so transzendent für das Schicksal der Menschheit, wie sich der durch den Klimawechsel auf dem Planeten hervorgerufenen Krise zu stellen, Probleme, die vollkommen miteinander verbunden sind.

Als Schlussfolgerung füge ich euch hinzu:

Demjenigen, der einen Computer besitzt, stehen alle veröffentlichten Kenntnisse zur Verfügung. Das privilegierte automatische Gedächtnis gehört ihm ebenfalls.

Die Ideen haben ihren Ursprung in den Kenntnissen und den ethischen Werten. Ein wichtiger Teil des Problems würde technologisch gelöst sein, der andere Teil muss ununterbrochen gepflegt und verfeinert werden, sonst werden die ursprünglichen Instinkte sich durchsetzen.

Die vor den Absolventen der UCI stehende Aufgabe ist großartig. Ich hoffe, dass sie diese erfüllen werden und sie werden sie erfüllen.


Fidel Castro Ruz
17. Juli 2007
11.05 Uhr

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