Freitag, 6. März 2009

Was ich über Pichirilo erzählt habe

Reflexionen des Genossen Fidel: Was ich über Pichirilo erzählt habe

Ich habe versprochen, der Journalistin Daily bald zu antworten.

In dem Brief, den ich gestern erwähnte, sagte sie:

„Comandante:

Ich heiße Daily Sánchez Lemus. Im Jahr 2006 habe ich mein Journalistikstudium abgeschlossen und arbeite seitdem im Informationssystem des kubanischen Fernsehens.

Mein Studium habe ich mit der Diplomarbeit über die journalistische Tätigkeit von Raúl Gómez García abgeschlossen. Ich erinnere mich, dass ich Ihnen deshalb Ende 2005 und Anfang 2006 drei Mal geschrieben habe, um Sie um Informationen über die illegale Presse, d.h. Son los Mismos (Das sind dieselben) und El Acusador (Der Ankläger), sowie um Details oder besondere Kommentare über Gómez García zu ersuchen.

Zu jener Zeit war es nicht möglich, ich habe zwar Antwort auf alle drei Briefe bekommen, aber man bat mich, dass ich mich an das Büro für historische Angelegenheiten beim Staatsrat wenden sollte. Ich weiß sehr gut um ihre viele Arbeit und Verantwortung. Deshalb habe ich verstanden, dass ich meine Diplomarbeit ohne Ihre Kommentare beenden musste. Ich kann Ihnen mitteilen, dass ich sie beendet habe. „Raúl Gómez García, der Journalist der Moncada“, so habe ich sie betitelt. Damit wollte ich aufzeigen, dass dieser junge Mann nicht nur ein Dichter, sondern auch ein erstrangiger Journalist war.

Nachdem ich meine Diplomarbeit beendet hatte, hat mir ein sehr lieber Freund –den ich immer noch sehr schätze -, Lehrer vieler Journalisten, Guillermo Cabrera Álvarez, gesagt: „Ich habe so viele Sache zu schreiben, dass ich jetzt schon weiß, dass ich nicht genug Zeit haben werde, um alle gleichzeitig zu erledigen. Ich werde dir eine Geschichte schenken.“ Dann hat er, ich weiß nicht wovon inspiriert, ein Schubfach seines Schreibtisches geöffnet und mir die ersten Seiten eines Liebesromans in einem gelben Umschlag gegeben. So habe ich den Dominikaner Pichirilo kennen gelernt, der auf der Jacht Granma war und den Sie unter dem Namen Cayo Confites kannten.

Diese Geschichte zu schreiben bedeutet für mich etwas ganz besonderes und gleichzeitig eine noch ausstehende Huldigung an die Geschichte meines Landes, an die Dominikanische Republik und für Guillermo. Ich fühle mich genau so, als wäre ich selbst auf der Granma gewesen, als wäre ich gemeinsam mit Ihnen an jener Küste gelandet, und als wenn ich neben Caamaño gekämpft hätte. Jetzt ist mir die Dominikanische Republik viel näher. Ich muss noch viel nachforschen und lesen, aber ich versuche, diese Nachforschungen mit meiner Arbeit zu kombinieren.

Ramón Emilio Mejías del Castillo, Pichirilo, ist auf der Granma mitgefahren, weil Sie wussten, dass er sich in der Schifffahrt auskannte und ein mutiger Mann war und gegen Diktatoren wie Trujillo und Batista kämpfen wollte. Als ich Ende 2006 Collado interviewt habe, hat er Pichirilo auf eine romantische und aufschlussreiche Weise definiert: „Pichirilo machte das Meer seekrank.“ Aber zweifellos sind Sie die Person, die ihn am besten gekannt hat, vor allem seine Charakterzüge und seine Eigenheiten, die sehr wichtig sind, dass man darüber schreibt, damit andere Menschen davon Kenntnis haben.“


Was ich über Pichirilo weiß, ist für die Menschen sehr interessant, aber leider viel zu wenig. Deshalb bedeutet es unendliche Mühe für den, der über ihn schreiben will, um alle nötigen Daten über seine Person zu sammeln, die mir bisher nur über einen ganz kurzen Zeitabschnitt seines Lebens zugänglich waren.

Nicht einmal im Traum habe ich daran gedacht, dass wir irgendwann Rechenschaft über unseres bescheidendes Leben ablegen müssen.

Ich weiß nicht, woher Pichirilo gekommen ist. Er war ein Dominikaner, der im Jahr 1947 an der Bewegung zum Sturz Trujillos beteiligt war.

Als ich von der nordwestlichen Antillenküste Richtung der abgelegenen Insel Cayo Confites, nordöstlich von Nuevitas und ganz in der Nähe der Insel Cayo Lobo, die zu den englischen Bahamas gehört, ein paar Seemeilen entfernt, abgefahren bin, habe ich so etwas wie ein kleines Patrouillenboot benutzt, von einem kleinwüchsigen Seemann geführt, dessen Gesicht von der Sonne gegerbt war. Sein Name war Pichirilo. Nach stundenlanger Fahrt erreichten wir die Insel.

Danach habe ich ihn wieder gesehen, als ich im Juli bis zum Hafen von Nuevitas gefahren bin, um mit meiner Familie in Verbindung zu treten und ihr Nachricht zu geben, dass ich lebe.

Ich kehrte noch mal zur Insel Cayo Confites zurück. Während dieser Fahrten habe ich mit Pichirilo Freundschaft geschlossen. Er war etliche Jahre älter, ich war nicht einmal 21 und nur einer von über tausend Männern, die an dieser Aktion teilgenommen haben.

Pichirilo fuhr zwischen der Insel und Nuevitas hin und her, um die Kämpfer mit Lebensmittel zu versorgen.

Ich habe viel mit ihm gesprochen, als wir Trujillos Schoner Angélica überfallen haben, der von Miami nach Santo Domingo unterwegs war und sehr nah an der Insel Cayo Confites vorbeifuhr. Ich erinnere mich, dass Pichirilo ihn aus ziemlich großer Entfernung entdeckte und das auf der Insel stationierte Kommando informierte.

Die Jagdflieger T-33 der gegen Trujillo kämpfenden Truppen sind ab und zu im Schauflug und als Mutprobe über die kubanische Felseninsel geflogen. Mehr wusste ich damals nicht.

Wir waren dort schon seit mehreren Monaten, als die Orfila-Ereignisse die Truppe erschüttert haben, die ohnehin schon lange den Wunsch hatte, zu einer Aktion aufzubrechen, als auf dieser unwirtlichen Insel zu bleiben.

Das erste Manöver vollzog sich unter dem befremdlichen Kommando von pseudorevolutionären und korrupten kubanischen Führern in Richtung Osten, als Drohmanöver gegenüber der Führung der Nationalen Armee.

Auf der Insel Cayo Santa María, nördlich von Caibarién, kam es zu einer massiven Fahnenflucht. Auf dem Landungsschiff Aurora befanden sich das Bataillon Sandino und andere Mitkämpfer. Ich war Leutnant und stellvertretender Chef der Vorhutkompanie eines Bataillons, das am Schiffsbug mit einem Maschinengewehr zur Flugabwehr postiert war.

Das ist nur aus dem Grund erwähnenswert, weil mein Freund Pichirilo der zweite Kapitän der Aurora war, auf der sich Rodríguez, ehemaliger dominikanischer Senator und Leiter dieser Kampagne befand; außerdem Maderme, kubanischer Staatsbürger, Regimentschef mit großen historischen Verdiensten, als Anführer der Bewegung gegen Machado in Gibara, im Norden Kubas. Und es fuhren noch andere wichtige Führer mit.

Der Verrat von Masferrer, dem die Fantasma unterstand, einem weiteren Landungsschiff mit viel besserer technischer Ausstattung, hat meinen Widerstand hervorgerufen, da ich mich mit der Herausgabe des Schiffes nicht abfinden konnte. Nur darauf war der Befehl der Marine beschränkt.

Genovevo Pérez Dámera, Chef der kubanischen Armee, hatte sich für einige Millionen Dollar an Trujillo verkauft.

Ich zolle Pichirilo große Anerkennung, weil er das Kommando über das Schiff übernommen hat, um mich zu unterstützen, und gemeinsam mit mir hat er große und verwegenen Anstrengungen unternommen, um die Korvette der kubanischen Marine hinters Licht zu führen, die uns mit schussbereiten Bugkanonen im äußersten Osten Kubas befahl, zum Hafen von Antilla in der Bucht von Nipe zurückzukehren, wo die restlichen Männer schon in Gefangenschaft genommen waren. Mein Ziel war es, die Mehrheit der Waffen der Aurora zu retten.

Alles drehte sich um dieses Ziel.

Ich will hier nicht wiedergeben, was alles noch an diesem Nachmittag geschah und alles, was ich an diesem Tag erlebte und was damit im Zusammenhang stand.

Zehn Jahre später, als die Granma aus Mexiko auslief, hatte sich uns Pichirilo erneut angeschlossen, und mit seiner ganzen Verwegenheit und seinem Mut war er der zweite Schiffsführer. Es wäre schön gewesen, wenn er der erste Kapitän gewesen wäre, aber diese Aufgabe stand einem Kommandeur der kubanischen Marine zu, der den Ruf eines Experten der Küsten und Häfen unseres Landes hatte.

Ich wusste wirklich nicht, wie Pichirilo sein Leben nach der Landung der Granma retten konnte, als unsere Abteilung praktisch vernichtet wurde.

Vor kurzen habe ich erfahren, dass er zu den 19 Expeditionsteilnehmern der Granma gehörte, die ungeschoren davon kamen, ohne gefoltert, ermordet oder in Gefangenschaft gekommen zu sein.

Diejenigen, die das Leben des dominikanischen Mitkämpfers erforschen, haben die Aufgabe, mehr Wissen über ihn zu erlangen. Ich weiß nur, dass er als Kommandeur unter dem Befehl Caamaños gegen die Soldaten der 82. Luftlandedivision gekämpft hat, die zusätzlich zu den über 40.000 Marineinfanteristen in Quisqueya gelandet sind. Er wurde am 12. August 1966 vom Geheimdienst der Dominikanischen Republik, als Joaquin Balaguer Präsident war, angeschossen. Dieser Geheimdienst stand unter dem Schutz der Vereinigten Staaten. Er ist einige Stunden später, am 13. August, an meinem 40. Geburtstag, verstorben. Sein Tod hat eine Protestwelle in der Stadt Santo Domingo ausgelöst und seine Beisetzung wurde zu einer kämpferischen Manifestation gegen die schwache Regierung von Balaguer.

Niemand wird dankbarer sein für eine Biographie von Ramón Emilio Mejías del Castillo als ich, so bescheiden diese auch sein mag. Es lohnt die Mühe, dass man das Leben von Männern wie Jiménez Moya und anderen heldenhaften Kämpfern kennen lernt, sei es, dass man sie als Dominikaner oder Kubaner kennt.



Fidel Castro Ruz

6. März 2009
13:56 Uhr

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