Sonntag, 2. Dezember 2001

Fidel Castro zum Gedenken an den 45. Jahrestag der Landung der Granma und der Geburt der Revolutionären Streitkräfte

Ansprache des Präsidenten der Republik Kuba, Fidel Castro Ruz, bei der Veranstaltung zum Gedenken an den 45. Jahrestag der Landung der Expeditionsteilnehmer der Granma und der Geburt der Revolutionären Streitkräfte, auf dem „Antonio Maceo"-Platz in Santiago de Cuba am 2. Dezember 2001


Mitbürger:

Die Ungewißheit war groß. Die öffentlichen Nachrichten vom Aufstand des 30. November, zu dem es nach und nicht vor unserer Landung kommen sollte, es geschah umgekehrt aufgrund des unaufhaltsamen Eifers der Kämpfer aus Santiago und der 48-stündigen Verspätung bei der riskanten und langen Reise von 1 235 Meilen; ein Mann, der im Morgengrauen des 2. Dezember in das aufgewühlte und dunkle Meer fällt und nicht aufgegeben werden konnte, auch wenn man dadurch der knapp bemessenen Zeit Minuten von Leben oder Tod raubte, all dies waren Umstände, die die Ungeduld vervielfältigten, vor dem Tagesanbruch an dem genauen programmierten Punkt an der ersehnten Küste unseres Vaterlandes anzukommen.

Mit der unermeßlichen Erleichterung der Rettung sahen wir beim ersten Licht des Tagesanbruchs das Festland und eine Gruppe von beleuchteten Bojen an der Stelle, wo die Nordküste von Santiago kommend nach Norden in Richtung Manzanillo abknickt.

Neue und unerwartete Hindernisse: zwei Mal versuchte der Kapitän, der die Granma steuerte – ein Ex-Kommandant der kubanischen Kriegsmarine, der sich unserer Bewegung angeschlossen hatte -, der angemessenen Route durch das Labyrinth zu folgen, die durch die Bojen angezeigt wurde, und zwei Mal kehrte er zum Ausgangspunkt zurück. Er versuchte es ein drittes Mal. Es war unmöglich, die verzweifelte Suche fortzusetzen. Es blieben nur einige Liter Treibstoff. Es war bereits hellichter Tag. Der Feind kontrollierte unaufhörlich zu Wasser und in der Luft. Das Schiff ging das große Risiko ein, wenige Kilometer vom Ufer mit der ganzen Truppe an Bord zerstört zu werden.

Wir sahen die nahe und sichtbar niedriggelegene Küste. Dem Kapitän wird der Befehl erteilt, direkt mit voller Maschinenstärke auf die Küste zuzusteuern. Die Granma setzt auf dem Schlammboden auf und kommt etwa 60 Meter vom Ufer entfernt zum Stehen. Die Landung von Männern und Waffen. Schweres Fortbewegen durch das Wasser auf beweglichem Schlammboden, der die mit übermäßigem Gewicht beladenen Männer zu verschlingen drohte. Der Uferboden war scheinbar fest, doch einige Meter danach kam ein schlammiges Gelände, ähnlich der ausgedehnten Küstenlagune, die sich zwischen dem Ankunftspunkt und dem Festland befand. Die Überquerung jenes höllischen Sumpfes dauerte fast zwei Stunden. Direkt nach dem Erreichen von festem Untergrund hört man bereits die Schüsse aus einer schweren Waffe, die auf das Landungsgebiet in der Nähe der verlassenen Granma gezielt waren. Ihre Präsenz war bereits gemeldet und dem feindlichen Kommando übermittelt worden, das sofort reagierte, indem es auf dem Meer die Landungstruppe attackierte und aus der Luft die Zone unter Maschinengewehrfeuer nahm, in deren Richtung die kleine Landungstruppe marschierte: 82 Männer.

Ich füge nichts hinzu über die Schwäche, die Müdigkeit und den Hunger in den folgenden sieben Tagen. Es ist nicht nötig, das zu dramatisieren, das offensichtlich dramatisch, aber auszuhalten war für Männer, die bereit waren, entweder frei oder Märtyrer zu sein, wie versprochen worden war.

Dies geschah zu dieser selben Uhrzeit vor genau 45 Jahren, am 2. Dezember 1956. Von denen, die wir an dieser Episode beteiligt waren, haben durch die Launen des Schicksals nur einige wenige das seltene Privileg gehabt, bis heute zu leben und den Kampf fortzusetzen.

Bei einer Veranstaltung wie dieser, bei der jenes Datums gedacht wird und bei der sehr geschätzte Genossen aus jenen Tagen mich inständig baten, hier das Wort zu ergreifen, kann ich aus elementarer Scham nicht die Geschehnisse und die Geschichte loben – und noch weniger glorifizieren -, die auf diesen Tag folgte, an dem der vor heute genau 48 Jahren, 4 Monaten und 6 Tagen, am 26. Juli 1953, begonnene Kampf wieder aufgenommen wurde.

Nur im Telegrammstil fahre ich fort, dies ist die einzige Form, wie man mit der erforderlichen Kürze bei einer Veranstaltung wie dieser sprechen kann. Es steht anderen zu, über die Geschehnisse zu urteilen, in die wir als aktive Teilnehmer verwickelt waren.

5. Dezember. Überraschungsangriff des Feindes in einem kleinen Wald, wo man auf das Einbrechen der Dunkelheit wartete, um den Marsch in Richtung des Sierra Maestra-Gebirges fortzusetzen. Schrecklicher Rückschlag, völlige Zerstreuung; hartnäckige Suche und Verfolgung der zerstreuten Männer; enormer Verlust von Menschenleben bei den Kämpfern, wobei die Mehrheit von ihnen nach ihrer Gefangennahme ermordet wurden; fast alle Waffen verlorengegangen.

Mit sieben bewaffneten Männern, denen es gelingt, sich am 18. Dezember zu versammeln, würde man den Kampf wieder aufnehmen.

Neue Genossen der Granma reihen sich ein. Jeder von ihnen hatte seine eigene dramatische Odyssee durchlebt. Einige verstreute Waffen werden wiedergefunden.

Eine kleine Truppe von höchstens 18 gelandeten Kämpfern und einigen jungen Bauern aus dem Gebirge erreicht am 17. und 22. Januar 1957 die ersten Siege. Es werden Waffen erbeutet.

Heftige Reaktion des Feindes. Harte Tage der unerbittlichen Verfolgung und tödliche Risiken, ausgelöscht zu werden. Hartnäckiger Widerstand; unermeßliche Unterstützung aus Manzanillo mit Ressourcen und Personal; Bauern, die sich anschließen; Nachschub mit Kämpfern aus Santiago de Cuba und einigen Dutzend Waffen. Weiträumige Erkundung des Geländes. Unaufhörliche Märsche. Training für den Kampf unter den harten Bedingungen der Sierra Maestra.

Grausamer und risikoreicher Kampf am 28. Mai 1957, fünf Monate nach der Landung, gegen befestigte feindliche Einheiten am Ufer des Meeres. Verlustreicher Sieg. Erbeuten zahlreicher Waffen. Erneut eine sehr heftige Reaktion des Feindes. Erfolgreicher Widerstand.

Bildung der zweiten Truppe mit Personal der Kolonne Nummer Eins, und der Eingliederung zahlreicher Bauern, unter Führung von Che, am 17. Juli 1957. Am 30. Juli stirbt Frank País. Tiefe Bestürzung. Zahlreiche Kampfhandlungen in der Sierra Maestra über Monate hinweg. Fortwährendes Dazulernen.

Bildung einer dritten Kolonne am 27. Februar 1958 unter Führung von Raúl, mit der Mission, die Tiefebene zu überqueren und die Zweite Ostfront in dem Bergmassiv im Nordostgebiet der damaligen Provinz Oriente aufzubauen. An diesem selben Tag kam es zur Bildung einer vierten Einheit unter der Führung von Juan Almeida, mit dem Auftrag, in dem Gebiet der Sierra Maestra in der Nähe von Santiago de Cuba zu operieren. Beide Einheiten, die sich aus erfahrenen und geschätzten Kämpfern der ersten Kolonne zusammensetzten, marschieren gemeinsam einen langen Weg im Gebirge in Richtung Osten.

Vervielfältigung der Kämpfe bereits in vier wichtigen Operationszonen.

Eine kleine Einheit unter der Führung von Camilo wird losgeschickt, um in der Tiefebene des Flusses Cauto und in der Nähe von Bayamo zu operieren.

April-Streik. Heldenhaftes Verhalten. Starker Rückschlag. Trotzdem führten die Kräfte aller Kolonnen entschiedene und erfolgreiche militärische Aktionen zur Unterstützung des Streiks durch.

Stimuliert durch das Scheitern des Streiks und die dadurch entstandene Niedergeschlagenheit in den Reihen des Volkes glaubt der Feind, daß die Stunde gekommen sei, einen entscheidenden Schlag gegen die Guerillatruppen zu unternehmen. Er plant und organisiert das, was seine letzte strategische Aktion sein sollte. Der Feind konzentriert 10 000 Männer mit Unterstützung von Panzern, Artillerie und Luft- und Seekräften und beginnt am 25. Mai 1958 eine mächtige Offensive gegen die Kolonne Nummer Eins, in deren Gebiet sich alle weiteren Kolonnen bildeten und wo sich die Generalkommandantur, Radio Rebelde, ein wichtiges Krankenhaus und andere wertvolle Einrichtungen und Dienste befanden.

Fast gleichzeitig kam es zu einer anderen Offensive gegen die Zweite Ostfront „Frank País" mit heftigen Attacken aus zwei Hauptrichtungen, die in einem mehrwöchigen Kampf mit hohen Verlusten und dem Verlust von Waffen seitens des Feindes zurückgeschlagen werden.

An der Front der Kolonne Nummer Eins zerstören etwa 300 Männer, einschließlich des Nachschubs der Kolonnen von Che und Almeida und der Männer von Camilo – die an diesem Punkt zusammengerufen wurden und an 74 aufeinanderfolgenden Tagen kämpften, zunächst in der Defensive und danach durch heftige Gegenangriffe – die Offensive und fügen den Elitetruppen des Gegners Verluste von mehr als eintausend Männern zu. Es werden 443 Gefangene gemacht und mehr als fünfhundert wertvolle Waffen und Zehntausende von Kugeln erbeutet.

Die alten und neuen Kolonnen der Sierra Maestra und der Zweiten Ostfront dringen in das gesamte östliche Territorium ein, wo sich neue Operationsgebiete eröffnen.

Zwei Kolonnen unter der Führung von Camilo und Che werden nach Zentralkuba entsandt: eine mit 94 und die andere mit 142 Männern. Nach der Großtat des Zurücklegens von mehr als 500 Kilometern durch ebenes, sumpfiges, schwieriges und riskantes Gebiet kommen sie erfolgreich am Ziel an.

Im September wird in der Generalkommandantur von La Plata der erste weibliche Trupp „Mariana Grajales" gebildet, der zusammen mit der Kolonne Nummer Eins in diesem selben Monat in Aktion tritt.

Heftige Offensive der Zweiten Ostfront, wobei seit Oktober wichtige Stellungen des Feindes besetzt und zahlreiche Waffen erbeutet werden.

Die kampfstarken und erfahrenen Kolonnen von Che und Camilo befinden sich bereits im Zentrum der Insel, am 11. November begann die Kolonne Nummer Eins mit einer kleinen bewaffneten Vorhut und unter Mitnahme von eintausend unbewaffneten jungen Freiwilligen der Rekrutenschule im Norden des Gebirgszugs in Richtung Santiago de Cuba ihren Vormarsch. Kleine Einheiten gliedern sich nach und nach ein. Zwei Trupps der feindlichen Armee übergeben freiwillig ihre Waffen.

Auf dem Weg kommt es zur Schlacht von Guisa, ganz in der Nähe von Bayamo, Sitz des Führungsstabs der feindlichen Einsatzkräfte. Erneut 180 Kämpfer, deren Zahl in dem Maße stieg, in dem Waffen erbeutet wurden, sie kämpfen zehn Tage lang und besiegen die gegnerischen Elitetruppen. Guisa wird am 30. November eingenommen. Dieses Mal wird die Schlacht auf einem Gebiet mit wenigen Anhöhen und mit asphaltierten Straßen geschlagen, gegen Truppen, die zusammen die Zahl von 5 000 Soldaten erreichten und von leichten und schweren Panzern, Artillerie und Luftwaffe unterstützt werden.

In den ersten Dezembertagen verbinden sich die Einheiten der Front Nummer Eins mit den Einheiten der Dritten Front und der Zweiten Ostfront. In diesem letzten Monat des Jahres 1958 nehmen alle Rebellenkolonnen des Ostens und des Zentrums der Insel in einer offenen und kühnen Offensive zahlreiche Städte ein, umzingeln Santiago de Cuba und attackieren die Stadt Santa Clara.

Nur 24 Monate nach der Landung hatte die kleine Armee eine kolossale Erfahrung gewonnen. Diese kleine Armee, die zu diesem Zeitpunkt über gerade einmal 3 000 mit Kriegswaffen ausgestatteten Kämpfer verfügte – diese Zahl muß noch einmal genau präzisiert werden -, von denen mehr als 90 % dem Feind im Kampf entrissen wurde, und die gegen gut ausgebildete Soldaten kämpfte, welche über jede Art von Waffen verfügten und etwa 80 000 Mann zählten, hatte Ende Dezember de Feind besiegt.

Bei einem Treffen mit der Führung der Rebellen am 28. Dezember 1958 erkennt der Oberkommandierende General der feindlichen Armeeinheiten an, den Krieg verloren zu haben, und er bittet um eine Formel zur Beendigung der Kämpfe, die daraufhin präzise ausgearbeitet und von ihm akzeptiert wurde. Seine Nichteinhaltung dieser Vereinbarung führte zu dem endgültigen Ausgang mit der Beteiligung der Arbeiter und des gesamten Volkes, das uns immer im Kampf begleitete. Am 1. Januar wurde mit der entscheidenden Unterstützung des Volkes für das unaufhaltsame Handeln der Rebellentruppen der letzte Versuch der Oligarchie und des Imperialismus zur Verhinderung des Sieges der Revolution niedergeschlagen: der Staatsstreich in der Hauptstadt.

Die unmittelbare Antwort bestand in Anweisungen an die revolutionären Truppen, ihren Vormarsch ohne das Akzeptieren eines Waffenstillstands fortzusetzen, und im Aufruf zum Generalstreik. Das Land kam vom einen Ende zum anderen zum Stillstand. Die Radiostationen gingen eine Verbindung ein mit Radio Rebelde und übertrugen die Anweisungen der revolutionären Führung. Auf diese Weise konnte dem plumpen und verzweifelten Manöver zum Entreißen des Sieges ein vernichtender Gegenschlag versetzt werden. Innerhalb von 72 Stunden wurden alle Städte eingenommen, etwa 100 000 Waffen – auch diese Zahl muß von den Historikern noch präzisiert werden – und alle schweren militärischen Geräte zu Luft, Wasser und am Boden befanden sich in der Hand des Volkes.

Eine besondere Erwähnung bei dieser kurzen Zusammenfassung verdienen wegen ihres unübertrefflichen Mutes und ihrer stillschweigenden und anonymen Rolle die im Geheimen agierenden Kämpfer. Die Namen von Frank País, Celia, Vilma, Haydée, Melba und vieler anderer rechtfertigen diese verdiente Anerkennung an einem Datum wie dem 2. Dezember.

Unser Volk, das in seiner großen Masse noch nicht die vielen Kenntnisse und die politische Kultur von heute hatte, doch über grenzenlosen Mut und Patriotismus verfügte, war zum ersten Mal frei, und unsere Nation, bereits herausgebildet und mit großen historischen Traditionen, war zum ersten Mal unabhängig. Der neue Kampf begann damals, wird mit wachsender Kraft weitergeführt und sein zukünftiges Schicksal, das heute eng verbunden ist mit dem Schicksal der Welt, muß noch entschieden werden.

Die Ereignisse im Escambray-Gebirge, der Sieg in der Schweinebucht, die Oktoberkrise, die totale Niederschlagung des schmutzigen Krieges, die Neutralisierung und Auflösung von Hunderten von konterevolutionären Organisationen, die Reduzierung der vom Ausland aus geförderten und unterstützten Sabotage- und Terrorakte auf ein Minimum, das wirksame Bekämpfen von Hunderten von Vorhaben zur physischen Beseitigung der revolutionären Führung, die konsequente Praxis des Internationalismus von Algerien bis Cuito Cuanavale, die Zehntausende von Ärzten, Lehrern und anderen Fachkräften, die vierzig Jahre lang ihre Dienste für die armen Brudervölker leisteten, die Tausende, die dies auch in der Sonderperiode noch weiterhin tun, all dies sind Siege, die ihre Inspiration aus der selben Philosophie beziehen, die uns an jenem 2. Dezember vor 45 Jahren leitete.

Wir konnten voranschreiten, als ein ganzer Sektor der fortschrittlichen Welt, der aus der tiefgreifenden sozialen Revolution hervorging, die zu Anfang des vergangenen Jahrhunderts stattfand, trotz grandioser Heldentaten bei der Auseinandersetzung mit dem alten kapitalistischen Widersacher zusammenbrach, weil er seine eigenen Fehler nicht überwinden und erfolgreich der anachronistischen Ideologie begegnen konnte, und den schmutzigen Tricks des unterdrückenden und ausbeutenden Systems, das man zu überwinden trachtete, um die Welt zu verändern.

Mit der Erfahrung, die mir das außergewöhnliche Privileg verschafft, eine Revolution durchlebt zu haben, die unter Bedingungen vollzogen wurde, die sich die großen Ideologen und Protagonisten des Sozialismus nicht einmal vorstellen konnten, und mit der größten Bescheidenheit und Demut von jemandem, der sich der beschränkten Rolle der Individuen in der Geschichte bewußt ist, wage ich, euch, unseren Pionieren, unseren Schülern der Militärgymnasien „Camilo Cienfuegos", unseren Studenten, den Schülern und Lehrern unserer Militärschulen, den jungen Soldaten und Offizieren, allen unseren mutigen Kämpfern, Leitern und Soldaten im aktiven Dienst oder in der Reserve, zu sagen, daß auf dem politischen und revolutionären Gebiet für unser Volk nichts mehr unmöglich ist. Die gerechten Ideen haben eine größere Macht als alle reaktionären Kräfte zusammen.

Die modernsten Technologien, mit denen man uns zu Sklaven oder Untergebenen einer universellen imperialen Macht machen will, können heute und in der Zukunft niemals das Bewußtsein und die Intelligenz der Menschen besiegen.

Als wir mit sieben Gewehren unseren Kampf wiederaufnahmen, hätte sich niemand irgend eine Möglichkeit des Erfolgs vorstellen können. Wir konnten uns anpassen an die technischen Mittel und die enorme Macht des Gegners im Vergleich zu den unbedeutenden Kräften und Mitteln, über die wir verfügten. Die Ideen sind heute und werden immer die wichtigste Waffe sein. Die gelebte Erfahrung zeigt uns, daß, wenn unser Land eines Tages angegriffen oder sogar von mächtigen Kräften besetzt werden sollte, jeder Mann oder jede Frau, wo immer er oder sie sich befindet, eine Armee sein kann; wenn ein Kämpfer oder eine Gruppe von ihnen ohne Kommunikation mit der Außenwelt oder isoliert verbleibt, muß und kann er die Verantwortung für seine Taten übernehmen und den Kampf fortsetzen. Der Eindringling muß dann gegen eine Armee, zehn Armeen, hundert Armeen, tausend Armeen, eine Million Armeen kämpfen.

Es existiert keine mächtigere Waffe als die tiefe Überzeugung und die klare Idee davon, was man zu machen hat. Mit dieser Art von Waffen, die keine gewaltigen Geldsummen benötigen, sondern allein die Fähigkeit, gerechte Ideen und Werte zu erschaffen und zu übermitteln, wird unser Volk immer mehr ausgerüstet sein.

Die Welt wird von den Ideen und nicht von der Gewalt erobert werden, deren Macht zur Unterwerfung und Beherrschung der Menschheit immer geringer wird. Nur der Friede und die Zusammenarbeit zwischen den Völkern werden fähig sein, die Menschheit vor dem Tod zu bewahren, mit dem sie bedroht wird auf dem Weg der Ausplünderung, der Ausbeutung, der Kriege und der Zerstörung der Lebensbedingungen auf dem Planeten.

Euch kommt es zu, im schwierigsten und entscheidendsten Jahrhundert der Menschheitsgeschichte zu leben. Deshalb besteht die heiligste Pflicht darin, sich auszubilden; die Vertiefung der beruflichen und politischen Kenntnisse stellt eine unerläßliche Bedingung dar. Die massenhafte allgemeine integrale Kultur, etwas niemals von irgendeiner Gesellschaft Erträumtes, ist heute eine reale Möglichkeit, die allen Kubanern zugänglich ist.

Eine tiefe ethische, humanitäre, solidarische und internationalistische Ausbildung ist ein essentieller Teil dieser Kultur.

Wir, die wir an einem 26. Juli versuchten, in dieser selben Stadt die zweitgrößte militärische Festung Kubas einzunehmen, und die wir 3 Jahre, 4 Monate und 7 Tage danach mit der Yacht Granma landeten, um die Aufgabe durchzuführen, die ich euch zusammenfassend geschildert habe, würden jeden von Euch um den Kampf beneiden, den ihr heute mit noch viel weitergehenden Zielen vor euch habt: die Verteidigung und Weiterentwicklung dessen, was wir erreicht haben, und im Rahmen unserer Kräfte das für die Menschheit zu tun, was wir unserer Überzeugung nach für das Vaterland getan haben.

Für euch ist die Stunde gekommen, unter der Optik jener visionären Idee Martís zu kämpfen, als er ausrief: „Vaterland bedeutet Menschheit". Das was für ihn damals bei seinem Kampf für die Unabhängigkeit einer kleinen und kolonisierten Insel nicht mehr sein konnte als ein Traum, ein hohes, schönes und weit entferntes Prinzip, stellt heutzutage für alle Völker der Welt eine vitale Notwendigkeit dar. Ohne sie wird es für niemanden ein Vaterland geben. Und es ist nicht wenig, was die Revolution bereits auf diesem Weg unternommen hat. Das von Kuba bei seiner Unterstützung für die besten Anliegen der Länder der Dritten Welt erworbene Ansehen ist größer als je zuvor. Jeden Tag wird unser Volk eine größere Erfahrung und Kultur in vielen Bereichen besitzen.

Vor allem muß es ein Vorbild für immer perfektere und tiefgreifendere volle soziale Gerechtigkeit sein und mit der Welt seine Erfahrung teilen. Unsere Kraft wird in den Ideen liegen, und die Kraft der Ideen wird vor allem im Vorbild liegen.

Die Zeit ist begrenzt und ich muß schließen. Ich teile im Namen aller, die während eines halben Jahrhunderts des Kampfes für diese Ideale gefallen sind, den glühenden Wunsch und die tiefe Überzeugung, daß ihr dafür kämpfen werdet, diese Ideale zur Wirklichkeit werden zu lassen, so wie wir seit jenem 2. Dezember gekämpft haben, dessen 45. Jahrestag wir heute gedenken.

Wir werden rastlos immer bis zum Sieg kämpfen!

Vaterland oder Tod!

Wir werden siegen!

Dienstag, 27. November 2001

Ansprache des Präsidenten der Republik Kuba Fidel Castro Ruz, auf der antiimperialistischen Tribüne „Jose Marti" am 27. November 2001

Mitbürger:

Durch die US-amerikanischen Fernsehsender und die Nachrichtenagenturen erhielten wir die Nachricht, daß 30 Kubaner, darunter 13 Kinder, ums Leben gekommen waren bei einer Operation des Menschenschmuggels, die mit einem aus den USA kommenden Schnellboot mit US-amerikanischer Registernummer durchgeführt und von in jenem Land wohnenden Personen finanziert wurde.

Es war nicht das erste, sondern vielleicht das tausendste Mal, daß es als unheilvolle Frucht des mörderischen Cuban Adjustment Act zu solchen Geschehnissen gekommen war.

Immer wenn es zu einem dieser Ereignisse kommt, geben die US-Behörden keinerlei Informationen über Namen, Wohnort, Alter, Geschlecht oder jegliche andere Personalangabe der Opfer, die sie mit Hilfe der Informationen der Überlebenden und anderer Mittel identifizieren können. Die kubanischen Behörden sehen sich gezwungen, wie eine Stecknadel im Heuhaufen mittels langer und komplizierter Prozesse die entsprechenden Angaben zu suchen, um die Familien, Schulen, Gesundheitseinrichtungen, Sozialversicherungen und jegliche andere Institution darüber zu benachrichtigen, was mit Personen geschehen ist, die ohne irgendeine Nachricht plötzlich verschwunden sind.

Über enge Kontakte, die durch persönliche und familiäre Besuche in beiden Richtungen ermöglicht wurden, die unser Land erlaubt, organisieren skrupellose Menschenhändler kostspielige und riskante illegale Fahrten von Gruppen von Personen aus verschiedenen Orten, bei denen das Leben von zahlreichen Kindern, die sie auf unverantwortliche Weise mitnehmen, in Gefahr gebracht wird.

Bei dieser Gelegenheit wurde von unseren Behörden bereits die Identität von fast der Hälfte der 13 Kinder festgestellt, von denen die Agenturmeldungen sprechen. Diese Kinder wurden ihren Klassenzimmern und Schulen entrissen, in denen sie ihren Unterricht absolvierten, und sie hatten keinerlei Ahnung von dem schrecklichen Tod, in den sie getrieben wurden auf einem Punkt des Meeres, wo man nicht einmal Spuren von ihnen gefunden hat.

Viele Jahre lang haben wir die US-Regierungen davor gewarnt, daß der seit dem 2. November 1966 gültige Cuban Adjustment Act und die Anreize zu den illegalen Ausreisen die Ursachen darstellen für enorme Risiken und den Verlust von vielen Menschenleben.

Seit dem Sieg der Revolution hat unser Land der legalen Emigration kubanischer Bürger in die Vereinigten Staaten oder irgendein anderes Land niemals Hindernisse in den Weg gelegt. Als die Revolution siegte, strebten viele Menschen in Kuba, genauso wie im Rest der Karibik und Lateinamerikas – die die Armut und die Unterentwicklung erlitten -, danach, zu emigrieren, auf der Suche nach besser bezahlten Beschäftigungen und besseren materiellen Lebensbedingungen als in ihren eigenen Ländern, die Jahrhunderten der Ausbeutung und Ausplünderung unterworfen waren, niemals hätten finden können. Bis 1959 war die Erteilung von Visa an Kubaner äußerst begrenzt. Die Türen öffneten sich damals aus offensichtlichen Gründen vollständig.

So entstanden bedeutende Ansiedlungen kubanischen Ursprungs in den USA. Die überwiegende Mehrheit reiste mittels legaler Formalitäten, Dokumente und Wege. Trotz der zunehmenden Spannungen und einiger Konflikte über das Migrationsthema wurden mehr als einmal Abkommen zwischen beiden Ländern unterzeichnet, die während mehr als vier Jahrzehnten den sicheren und geordneten Transport von Hunderttausenden von kubanischen Bürgern in die Vereinigten Staaten ohne den Verlust eines einzigen Lebens eines Kindes oder Erwachsenen ermöglichten.

Die kubanischen Emigranten sind als Ergebnis der revolutionären Programme in der Regel Personen mit einem hohen Schulniveau und hoher technischer oder fachspezifischer Ausbildung.

Bis zum 9. November 2001 sind 132 586 Bürger im Einklang mit den letzten Abkommen vom September 1994 und Mai 1995 mit Einreisevisa und auf absolut sicheren Wegen in die USA gereist.

Die Politisierung des Migrationsphänomens von Seiten der Vereinigten Staaten, im Besonderen in bezug auf Kuba, war der Grund für diese und viele andere Tragödien. In ihrer Interessenvertretung wählen sie das Personal aus, das Visa beantragt, verlangen Dokumente hinsichtlich der Gesundheit, dem Bildungsstand und dem Verhalten, polizeiliche Führungszeugnisse und andere Bedingungen; oftmals versuchen sie, diese Angaben für die Auswahl von hochqualifizierten und gesellschaftlich bedeutsamen Fachleuten zu nutzen, wobei sie Kuba Ärzte, Ingenieure, Architekten und andere Universitätsabsolventen entreißen, die kostenlos in unserem Land ausgebildet wurden, ohne daß dies die USA auch nur einen Cent kosten würde im Vergleich zu den Zehn- oder Hunderttausenden von Dollar, die sie für die Ausbildung von jeder dieser Personen in ihrem Land aufwenden müßten. Dies ging so weit, daß wir gezwungen waren, bestimmte Restriktionen bezüglich der Frist bei der Ausreise von Personen festzulegen, die einigen technischen Kategorien angehören, und zwar mit dem Ziel, die Beeinträchtigung wichtiger Dienstleistungen zu verhindern.

Es ist zudem traditionell, daß Kuba die unterzeichneten Abkommen strikt einhält. Dies ist nicht so auf der anderen Seite. Wegen Druckausübungen und Faktoren innenpolitischen Charakters verletzt sie wiederholt und systematisch die Verpflichtungen oder erfüllt sie nur halb in bezug auf die zu ergreifenden Maßnahmen gegenüber denjenigen, die gegen die Gesetze verstoßen, um in die USA zu emigrieren, und auf hoher See abgefangen werden, oder die Anstrengungen zur Durchführung dieses Abfangens werden auf ein Minimum reduziert.

Das Schlimmste ist, daß diejenigen, die an ihrer Küste das Festland betreten, automatisch ohne irgendeine Forderung oder Bedingung empfangen werden. Dubiose Personen mit Vorstrafen aller Art, die niemals ein Visum erhalten, wenn sie es beantragen, erwerben das Recht, sofort eine Arbeit aufzunehmen und den Wohnsitz in den USA einzunehmen. Auf diese Weise wird der Sinn und das Ziel der Migrationsabkommen verletzt und die Güter und die Sicherheit der US-Bürger werden in Gefahr gebracht. Viele derer, die später zu den Netzen der Emigranten- und Drogenhändler gehören, kommen aus der Gruppe dieser gewalttätigen und mit einer langen Vorstrafenliste ausgestatteten Personen, die akzeptiert werden, wenn sie illegal in die USA einreisen.

Die US-Behörden kennen und besitzen Informationen über diejenigen, die den Handel mit Immigranten betreiben. In unserem Land haben wir in den letzten vier Jahren mehr als 110 dieser in den USA wohnenden Menschenhändler festgenommen; sie kommen in Schnellbooten über das Meer, um ihre Fracht von Emigranten einzusammeln; die US-Behörden akzeptieren nicht ihre Rückgabe, um sie vor ihre Gerichte zu stellen, denn von dort kommen sie, dort wohnen sie, von dort stammen die Boote und dort werden die Operationen in Auftrag gegeben und bezahlt.

Unser Land unternimmt große Anstrengungen, um dieses schwerwiegende internationale Delikt zu bekämpfen; in den Vereinigten Staaten wird absolut nichts gemacht.

Wenn es umgekehrt wäre, wenn US-amerikanische Kinder fast ständig aufgrund des Menschenhandels mit aus Kuba kommenden, in Kuba registrierten und von in Kuba lebenden Personen gesteuerten Booten stürben, würde das Volk der Vereinigten Staaten mit der tiefsten und gerechtfertigsten Wut reagieren. Warum kann man das dagegen in bezug auf Kuba machen? Jedes Jahr, jeden Monat, jede Woche, fast jeden Tag, über Jahrzehnte hinweg, seit der unheilvolle und wahnsinnige Cuban Adjustment Act im Jahr 1966, vor bereits 35 Jahren, verabschiedet und seitdem nicht im Geringsten eingeschränkt oder annuliert wurde, werden denjenigen, die sich auf dieses Gesetz berufen, mehr und mehr Privilegien gewährt, und zwar aufgrund des Drucks der terroristischen Mafia aus Miami und der bestechlichen Haltung und willkürlichen Interpretationen von US-Regierungsbeamten und –Behörden.

Das letzte solcher Privilegien besteht darin, mit falschen Ausweispapieren mit jeglicher Fluggesellschaft auf das US-Staatsgebiet einzureisen und sich direkt nach der Ankunft als Bürger kubanischer Herkunft zu erkennen zu geben, worauf man als nicht strafbar erklärt wird und die Begünstigung erhält, in den USA seinen Wohnsitz einzunehmen. Wie kann man den Wunsch anführen, die Sicherheit der Vereinigten Staaten zu schützen, wenn solche Gesetzesverletzungen und Praktiken akzeptiert werden, die die US-Gesetze verunglimpfen und Chaos, Anarchie und Unordnung fördern? Wie könnte man auf diese Weise eine Schlacht gegen das organisierte Verbrechen, den Terrorismus, den Handel mit Drogen und Emigranten und andere Arten des internationalen Verbrechens schlagen? Warum müssen kubanische Kinder, deren Sterblichkeitsrate im ersten Lebensjahr auf weniger als 7 pro eintausend Lebendgeborene gesenkt wurde – diese Rate ist sogar niedriger als in den USA -, auf diese grausame Weise wegen dem erwähnten Gesetz sterben?

Warum müssen kubanische Kinder, von denen keines ums Leben kommt bei gewaltigen Hurrikans und Naturkatastrophen, die aufgrund des fehlenden Schutzes in anderen Ländern den Verlust von Tausenden von Menschenleben verursachen, auf dem Grund des Meeres sterben? Wenn die kubanischen Kinder – jedes einzelne von ihnen – in den Genuß der vorgeburtlichen Betreuung kommen, der Geburt in Krankenhäusern, nachgeburtlicher Intensivbetreuung, kostenloser ärztlicher Betreuung während des ganzen Lebens, der Impfung gegen 13 vermeidbare Krankheiten, angemessener Ernährung, Kinderkrippen, Vorschul- und Grundschulbildung, Sonderschulen für diejenigen, die dies benötigen, Mittelschulbildung, die fast einhundert Prozent der Schüler absolvieren und abschließen, höhere Mittelschulbildung ohne irgendeine Ausnahme für all diejenigen, die sie absolvieren möchten, Dutzende von Universitätszentren mit den verschiedensten Studiengängen; wenn die angesehensten internationalen Institutionen anerkennen, daß die Gesundheits-, Bildungs-, Körperkultur- und Sportleistungen, die unsere Kinder erhalten, unter den besten der Welt rangieren, wobei alle absolut gratis sind; wenn den kubanischen Kindern der höchste Anteil der Bruttoeinnahmen des Landes und des Staatshaushalts gewidmet wird; wenn mehr als eine halbe Million mehrheitlich hochqualifizierte Menschen für die Kinder, Heranwachsenden und Jugendlichen mit Gewissenhaftigkeit Dienste leisten; wenn die kubanischen Kinder herausragende Plazierungen bei internationalen Wissenswettbewerben erringen; wenn die kubanischen Kinder weder das Laster der Drogen kennen noch in den Schulen als Opfer von Schußwaffen und Gewalt sterben; wenn für sie der unaufhaltsame Marsch hin zu einer allgemeinen integralen Kultur entfaltet wird, der unser Volk zum gebildetsten der Welt machen wird, warum müssen sie dann sterben, indem sie in der Nähe Floridas von den Haien verschlungen werden?

Warum ist Kuba das einzige Land auf der Erde, dessen Kinder man dieses mögliche Schicksal wegen eines Gesetzes beschert, dem es an ethischer Rechtfertigung, Erklärung und möglicher Entschuldigung fehlt?

Seien es dreizehn, sechs oder nur ein einziges Kind, das bei dem dramatischen Untergang des Schnellboots im Rahmen einer Operation des Menschenschmuggels mit 30 oder mehr kubanischen Bürgern an Bord starb, es stellt für die Vereinigten Staaten eine Schande vor den Augen der Welt dar.

Es ist nicht die erste und einzige Gruppe, die diese Tragödie erlitten hat. Die Anzahl derer, die zum Opfer eines ähnlichen Schicksals geworden sind, ist unermeßlich, ohne daß dies dazu führt, daß die Behörden dieses Landes sich entscheiden, gegen den verabscheuungswürdigen und widerlichen Menschenhandel zu kämpfen. Wir haben unsere ernsthafte Zusammenarbeit beim Kampf gegen den Drogenhandel, den Menschenhandel oder jegliche andere Form des internationalen Verbrechens angeboten. Aus reinem politischem Hochmut wurde diese Zusammenarbeit angelehnt oder auf ein Minimum begrenzt.

Kuba war das erste Land, das am 11. September seine Unterstützung für das US-amerikanische Volk angesichts der gegen dieses Volk verübten grausamen Tat, und es schlug die Idee der Schaffung eines universellen Bewußtseins gegen den Terrorismus und des Vorantreibens eines aktiven internationalen politischen Kampfes zur wirksamen und angemessenen Beseitigung der Geißel des Terrorismus vor, der unser Land über mehr als vierzig Jahre hinweg so geschädigt hat. Kuba war auch das erste Land, das als Antwort auf die Petition des UN-Generalsekretärs an die Mitgliedsstaaten dieser Weltorganisation den zwölf internationalen Vereinbarungen auf dem Gebiet des Terrorismus beitrat.

Jetzt erhält es den harten Schlag der Nachricht von zahlreichen Kindern, die bei dem unheilvollen Untergang im Morgengrauen des 17. November vom Meer verschlungen wurden, im Rahmen eines widerwärtigen Handels mit kubanischen Emigranten.

Wegen der ums Leben gekommenen Erwachsenen, von denen einige schuldig sind, sich von dem Abenteuer haben verführen zu lassen, das ihre Kinder in den Tod trieb, fühlen wir Schmerz und Anteilnahme, und wir drücken ihren Verwandten unser Mitleid aus. Wegen der Kinder, die in einen ungerechten und unverdienten Tod getrieben wurden, fühlen wir wahre Trauer. Sie waren Kreaturen, die dem Vaterland entrissen wurden, das allen Kindern so viel Liebe und Aufmerksamkeit schenkt.

Wir geben nicht der aktuellen Regierung die Schuld, ein Phänomen hervorgebracht zu haben, welches die Frucht von Jahrzehnten der Aggression, Feindseligkeit und Verbrechen gegen Kuba ist, begangen von aufeinanderfolgenden Administrationen im Laufe von vielen Jahren; doch wir haben das Recht zu fordern, daß einer unzivilisierten und barbarischen Politik ein Ende bereitet wird.

Ähnliche Ereignisse versetzen der Autorität und der Moral der Vereinigten Staaten Schläge und richten sich gegen ihre Interessen, wo sie heutzutage mit einem komplexen und schwierigen Kampf gegen den Terrorismus beschäftigt ist, in den, ausgehend von den tragischen und schmerzlichen Geschehnissen des 11. September, auf die eine oder andere Art die gesamte Völkergemeinschaft verwickelt ist. Niemand wird verstehen, warum dieses unmoralische und ungerechte Gesetz aufrechterhalten wird, das so viele unschuldige kubanische Kinder in einen grausamen und nicht zu rechtfertigenden Tod treibt.

Millionen von Bürgern der Karibik, Mexikos und des restlichen Lateinamerikas haben das Recht, sich zu fragen, warum sie verfolgt und aus dem Land geworfen werden, wenn sie illegal einreisen, während im Gegensatz dazu die Kubaner, die dies tun, stimuliert und prämiert werden. Die selbe Frage können Hunderte Millionen von Asiaten, Afrikanern und Menschen aus anderen Regionen der Welt stellen. Die Wirtschaftskrise und die weltweit verbreitete Armut werden den Migrationsdruck auf die USA vervielfachen. Der Cuban Adjustment Act wird für diejenigen, die danach streben, auf die eine oder andere Weise zu emigrieren, ein wichtiges und unanfechtbares moralisches Argument sein.

Überall wird es Menschen geben, die stets das Risiko des Verlustes des eigenen Lebens eingehen werden, um illegal zu emigrieren, doch es wird niemals eine Rechtfertigung dafür geben, daß man ihnen einen Anreiz zur illegalen Emigration verschafft. So etwas stellt ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar, eine abscheuliche Verachtung für das menschliche Leben.

Wir würden keinen Adjustment Act für die anderen Länder vorschlagen, denn es ist ein mörderisches Gesetz, doch wir würden sehr wohl die Entwicklung der Dritten Welt vorschlagen, wenn man nicht will, daß deren überschüssige Bevölkerung die reichen Gesellschaften zerdrückt, auf Kosten des vielen Blutes der Emigranten, die versuchen werden, auf allen Wegen in die reichen Länder einzusickern. Wir würden Gerechtigkeit für die Welt und ein bißchen Licht für die blinden Politiker vorschlagen, die heute die am meisten entwickelten und reichsten Nationen der Welt anführen.

Der Cuban Adjustment Act stellt nicht nur ein mörderisches Gesetz dar, sondern auch ein terroristisches Gesetz, eines Terrorismus der schlimmsten Art, der bewußt und ohne die geringste Reue unschuldige Kinder tötet.

Vaterland oder Tod!

Wir werden siegen!

Freitag, 2. November 2001

Fidel Castros Ausführungen zur internationalen Lage, zur Wirtschaftskrise, zur weltweiten Krise und zu den Aspekten der Beeinträchtigung Kubas

Ausführungen des Präsidenten der Republik Kuba, Fidel Castro Ruz, zur jetzigen internationalen Lage, zur Wirtschaftskrise, zur weltweiten Krise und zu den Aspekten der Beeinträchtigung Kubas, vorgetragen im kubanischen Fernsehen am 2. November 2001

Anläßlich der Einweihung der Schule für Sozialfürsorger in Santiago de Cuba am 24. Oktober hatte ich gesagt, daß man in den kommenden Tagen etwas zur Situation der Weltwirtschaft sowie darüber sagen müsse, welche Auswirkungen diese auf unser Land haben könnte, das sich - je nach Stand der Überwindung der Spezialperiode - mit der Umsetzung eines noch nie dagewesenen Entwicklungsprogramms im sozialen Bereich befaßte. Nun wollte ich jene Darlegungen nicht weiter ausdehnen.

Zur Schilderung der jetzigen Situation kann, ganz kurz zusammengefaßt, gesagt werden: Mitte der neunziger Jahre, als die neoliberale Globalisierung unseren gesamten Planeten erfaßte, erzielten die Vereinigten Staaten als absolute Herren der internationalen Geldinstitute und auf der Grundlage ihrer immensen politischen, militärischen und technologischen Stärke die spektakulärste Akkumulation von Reichtum und Macht, die es je in der Geschichte gegeben hat.

Doch die Welt und die kapitalistische Gesellschaft traten in eine vollkommen neue Etappe ein. Nur ein unbedeutender Teil der Wirtschaftstätigkeit war mit der Weltproduktion und dem Welthandel verbunden. Täglich wurden Spekulationsgeschäfte zu den Währungen und anderen Wertpapieren in Höhe von drei Billionen Dollar abgewickelt. An den Börsen der Vereinigten Staaten schnellten die Aktienpreise wie Schaum nach oben, häufig ohne jegliche Relation zu den Gewinnen der Unternehmen. Es entstanden wahre Mythen: Es werde bereits keine Krise mehr ausgelöst; das System könne sich selbst regulieren; es habe die entsprechenden Mechanismen für ein ununterbrochenes Wachstum geschaffen. Die imaginäre Wertschöpfung ging so weit, daß es Aktien gab, bei denen 1000 Dollar investiert worden waren und ihr Wert sich in nur acht Jahren um das 800fache erhöht hatte. Es war wie ein immenser Ballon, der bis ins Unendliche aufgeblasen wurde.

So wie das virtuelle Vermögen entstand, wurde es investiert, ausgegeben, verschwendet. Die Erfahrungen aus der Geschichte wurden völlig ignoriert. In nur hundert Jahren hatte sich die Weltbevölkerung vervierfacht. Milliarden Menschen waren von jenem Vermögen absolut ausgeschlossen. Sie waren Rohstofflieferanten und Quelle billiger Arbeitskräfte, doch sie selbst hatten nicht teil am Konsum, noch konnten sie Konsumenten sein. Sie stellten keinen Markt dar, nicht das fast unendlich große Meer, in das der immense Strom von Produkten floß, die von einer bevorrechteten und kleinen Gruppe von Industrieländern in wilder Konkurrenz erzeugt wurden mit Anlagen, die immer produktiver wurden und immer weniger Arbeitsplätze schufen.

Eine einfache Beobachtung war ausreichend um zu begreifen, daß jene Situation nicht zu halten war.

Allem Anschein nach wurde niemand gewahr, daß jeglicher augenscheinlich belanglose Zwischenfall in der Wirtschaft einer Region der Welt das gesamte Gerüst der Weltwirtschaft erschüttern konnte.

Die Architekten, Experten und Verwalter der neuen Weltwirtschaftsordnung, die Ökonomen und Politiker - in dem Maße, wie sich ihre Phantasie auflöst - können es kaum fassen, daß ihnen die Lenkung der Ereignisse aus den Händen geglitten ist. Es sind andere Kräfte, die die Entscheidungen treffen: die großen und immer mächtigeren und eigenständigen transnationalen Unternehmen und die hartnäckigen Realitäten, auf echte Veränderungen in der Welt hoffend.

Im Juli 1997 bricht die erste große Krise der globalisierten neoliberalen Welt aus. Die Tiger gab es nicht mehr. Japan hat sich noch nicht wieder erholen können und die Welt hat noch mit den Folgen zu kämpfen

Im August 1998 kommt es zur sogenannten Rußlandkrise, die, obwohl der Anteil des Landes am BIP der Welt mit seinen knapp zwei Prozent unbedeutend ist, die Wertpapierbörsen der Vereinigten Staaten erschütterte und in einer Frage von Stunden um Hunderte von Prozentpunkten herunterfuhr.

Nur fünf Monate später tritt im Januar 1999 Brasilien in die Krise.

Die G-7, der IWF und die Weltbank mußten eingehende Bemühungen realisieren um zu vermeiden, daß die Krise auf ganz Südamerika übergreift, den Wertpapierbörsen der Vereinigten Staaten einen vernichtenden Schlag versetzend.

Diesmal kam es zum Unvermeidlichen: Die Krise setze - anfangs fast unmerklich - in den Vereinigten Staaten ein. Seit Mitte des Jahres 2000 waren in der anhaltenden Verminderung des Entwicklungstempos der Industrieproduktion die ersten Anzeichen zu beobachten.

Im März jenes Jahres hatte der Nasdaq-Index, der sogenannten Spitzenproduktion, bereits zu sinken begonnen.

Gleichermaßen zeigt sich eine enorme Steigerung des Defizits der Handelsbilanz, von 264,9 Milliarden im Jahr 1999 auf 368,4 Milliarden im Jahr 2000.

Im zweiten Quartal 2000 betrug das Wachstum des BIP 5,7 Prozent; im dritten Quartal waren es lediglich 1,3 Prozent.

Seit Oktober 2000 setzte eine Verringerung der Industrieproduktion ein.

Ungeachtet dessen waren Ende 2000 die Meinungen zu den Perspektiven und Prognosen der Weltwirtschaft noch recht optimistisch. Die Realität sollte sich recht bald und unverhohlen als gegenteilig erweisen.

Seit Anfang des Jahres 2001 sahen sich der IWF, die Weltbank, die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die Europäische Kommission sowie private Institutionen gezwungen, ihre Wachstumsprognosen für das Jahr 2001 in den verschiedenen Regionen nach unten zu korrigieren.

Der IWF hatte im Mai ein globales Wachstum von 3,2 Prozent für das Jahr 2001 eingeschätzt. Für die Vereinigten Staaten betrug dieses in jenem Monat 1,5 Prozent und für Euroland waren es 2,4 Prozent. Japan erlebte seine vierte Rezession in zehn Jahren und vorausgesagt wurde eine Abnahme bis zu unter 0,5 Prozent in diesem Jahr.

Der geschäftsführende Direktor des IWF, Horst Köhler, sagte in einer Rede vor dem Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (ECOSOC) am 16. Juli 2001 in Genf: "Das Wirtschaftswachstum hat überall auf der Welt im Tempo nachgelassen. Für die fortgeschrittenen Wirtschaften (die entwickelten und reichen Länder) kann dies unbequem sein, doch eine echte Quelle von Schwierigkeiten wird es für viele Länder mit emerging und developing markets (die armen und unterentwickelten Länder) sein sowie ein Schritt zurück im Kampf gegen die Armut."

In den meisten Ländern Südostasiens, ausgenommen China, und in den lateinamerikanischen Ländern sank die Produktion. Laut Angaben der Weltbank soll der Anstieg in Südostasien, das sich nach seinem beeindruckenden Sturz im Jahr 1997 zu erholen begann, von 7,6 Prozent im vergangenen auf 4,5 Prozent in diesem Jahr betragen und Lateinamerika um zwei Prozent, also um die Hälfte des Vorjahres, wachsen.

Auch andere Institutionen stellen Prognosen. Die Zeitschrift The Economist schätzte im April das globale Wachstum für 2001 mit nur 2,7 Prozent ein gegenüber 4,6 Prozent des Vorjahres und die Steigerung des Welthandels mit 3,5 Prozent gegenüber den im Jahr 2000 erzielten 13,4 Prozent.

Für die Eurozone gab die OECD in ihrem Anfang Mai 2001 veröffentlichten Halbjahresbericht ein Wachstum von 2,6 Prozent an, also 0,5 Prozentpunkte weniger als ursprünglich angenommen.

Am 10. September, also einen Tag vor den Ereignissen in New York und Washington, überprüfte der IWF das Wachstumsverhalten der Weltwirtschaft, der Vereinigten Staaten, Europas und Japans:

Weltwirtschaft (Wachstum in Prozent)

Herbst 2000 4,2

März 2001 3,4

Frühjahr 2001 3,2

September 2001 2,7

Es zeigt sich eine fortschreitende Verringerung von 4,2 auf 2,7 in weniger als einem Jahr.

Vereinigte Staaten von Amerika

Herbst 2000 3,2

März 2001 1,7

Frühjahr 2001 1,5

September 2001 1,5

Hier zeigt sich dasselbe, von 3,2 auf 1,5 im gleichen Zeitraum.

Japan

Herbst 2000 1,8

März 2001 1,0

Frühjahr 2001 0,6

September 2001 0,2

Die Zahlen sprechen für sich.

Eurozone

Herbst 2000 3,4

März 2001 2,7

Frühjahr 2001 2,4

September 2001 1,9

Bei den drei großen Zentren der Weltwirtschaft ist ausnahmslos und zeitgleich in weniger als einem Jahr eine Verlangsamung des Wachstumstempos auf weniger als die Hälfte zu beobachten. Im speziellen Fall Japans fiel dieses fast auf Null.

Situation des Arbeitsmarktes

Ende 2000 betrug die Arbeitslosenquote in den Vereinigten Staaten nur 3,9 Prozent. Wie verhielt sie sich nun 2001?

Arbeitslosenquote (in Prozent)

Februar 4,2

März 4,3

April 4,5

Mai 4,4

Juni 4,5

Juli 4,5

August 4,9

Obwohl noch keine offiziellen Angaben vorliegen, wird berechnet, daß die Arbeitslosenquote bereits 5,1 Prozent erreicht. Dieser Umfang ist in den Vereinigten Staaten seit vielen Jahren nicht mehr registriert worden.

Heute, am 2. November, nachdem das vorliegende Material bereits geschrieben war, wurde die offizielle Angabe veröffentlicht, und zwar beläuft sie sich auf 5,4 Prozent. In nur einem Monat wurden 415 000 Arbeitsplätze gestrichen, die höchste Nettoreduzierung seit Mai 1982, also seit 21 Jahren.

Die Entwicklung der Arbeitslosenquote ist ein glaubwürdiger Beweis der Verschlechterung jener Volkswirtschaft noch vor dem Terroristenangriff.

Als wichtiger Punkt aus den letzten fünfzig Jahren sollte in Betracht gezogen werden, daß, wenn die Arbeitslosenquote 5,1 Prozent erreichte, dieses zusammenfiel mit dem Einsetzen einer Rezession.

Ausgelastete Kapazitäten (in Prozent) in der Industrie der Vereinigten Staaten im Jahr 2001:

Februar 79,2

März 78,7

April 78,4

Mai 78,0

Juni 77,1

Juli 77,0

August 76,4

Im August sank die Industrieproduktion um 0,6 Prozentpunkte gegenüber den Ergebnissen des Monats Juli. In den letzten zwölf Monaten war sie um annähernd fünf Prozent geschrumpft. Den August mit einbezogen, waren es bereits elf aufeinanderfolgende Monate der Schrumpfung.

Die im August registrierte Zahl liegt recht nahe am niedrigsten Stand seit 1983.

Im August 2001 kam es zu einem Haushaltsdefizit von 80 Milliarden Dollar.

Im gleichen Monat wurde unter den demokratischen Kongreßmitgliedern laut, die Vorhersagen deuteten darauf hin, daß die Regierung einen Teil des Fonds für soziale Sicherheit zur Finanzierung der laufenden Kosten benutzen müssen.

Während des zweiten Quartals 2001 schrumpften die US-amerikanischen Importe um 13,9 Milliarden Dollar, und der niedrige Stand dieser Aktivität in der übrigen Welt bewirkte ein Sinken der Exporte von 9,1 Milliarden Dollar.

Der Wert der Aktien der Hauptindizes der Börse sank im Jahr 2001 wie folgt:

Dow Jones 18,06 %

Nasdaq 66,42 %

Standard & Poor's (S&P) 28,48 %

Das bedeutet einen Verlust in Billionenhöhe in weniger als einem Jahr.

Die Federal Reserve hat im Jahr 2001 den Zinssatz neunmal gesenkt. Der Zweck dabei war, den Preis des Geldes zu verbilligen und das Vertrauen des Verbrauchers zu stützen, um damit dann die Wirtschaftstätigkeit anzukurbeln. Diese frenetische Häufigkeit ist Ausdruck von Verzweiflung.

Europa

Die Industrieproduktion der Eurozone zeigt im ersten Halbjahr 2001 eine kontinuierliche Senkung. Diese Verringerung zwingt die Unternehmen zur Reduzierung ihres Personals, was wiederum verbrauchsreduzierend wirkt. So ergibt sich ein depressionsartiger Teufelskreis.

Investitionen und Verbrauch nahmen ab, und es verstärkte sich der Rezessionstrend.

Der europäische Währungskommissar erklärte, die Volkswirtschaft Europas werde dieses Jahr lediglich um 1,5 Prozent wachsen; und die sechs namhaftesten Wirtschaftsinstitute Deutschlands reduzierten das Wachstum dieses Landes auf 0,7 Prozent in diesem und auf 1,3 Prozent im kommenden Jahr. Sie avisierten, die deutsche Volkswirtschaft stehe am Rande einer Rezession, was sich stark negativ auf Europa auswirkt, denn Deutschland gilt als seine "Lokomotive der Wirtschaft".

Japan

Das Bruttoinlandsprodukt des ersten Quartals 2001 verringerte sich in Japan stärker als erwartet, zeigte einen Fall von 0,2 Prozent gegenüber den erwarteten 0,1 Prozent. Im zweiten Quartal schrumpfte es um zusätzliche 0,8 Prozent.

Die Industrieproduktion startete im März eine Talfahrt, die im August bereits bei 11,7 Prozent angelangt war. Dieses Phänomen von sechs aufeinanderfolgenden Monaten Rückgang in der Industrieproduktion war in der japanischen Volkswirtschaft seit dem Zeitraum von Dezember 1991 bis Mai 1992 nicht mehr aufgetreten. Es versetzt die Industrieproduktion auf den niedrigsten Stand der letzten sieben Jahre. Japanischen Analysten zufolge bedeutet dies eine schlimmere als die Finanzkrise von 1997/98.

Der Handelsbilanzüberschuß Japans war im Juli dieses Jahres um 48 Prozent gesunken.

Zu ihrem Schutz antworten die Unternehmen mit Kürzungen der Stellenpläne. Dadurch ist die Arbeitslosenquote gestiegen, die im August dieses Jahres das historische Maximum von fünf Prozent erreichte, etwas noch nie Dagewesenes in Japan.

Lateinamerika

Im August informierte die Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) ein voraussichtliches Wachstum der Region in diesem Jahr von nur zwei Prozent, gerade einmal die Hälfte des Vorjahresanstiegs (vier Prozent). Damit berichtigte sie ihre im Mai eingeschätzte Angabe von einer Steigerung des BIP von 2,7 bis drei Prozent.

Den Erklärungen zufolge ist dieses auf eine weltweite Schwächung und die Instabilität einiger Schlüsselländer der Region zurückzuführen: Peru und Uruguay verzeichnen ein Nullwachstum. Brasilien war von einem Mangel an Energieversorgung betroffen, der seinen Produktionsbetrieb schwer beeinträchtigte und eine Währungsabwertung in diesem Jahr von etwa 40 Prozent bewirkte. Chile bremste seinen Wiederaufschwung. In Mexiko ist ein schwaches Wirtschaftswachstum von 0,13 Prozent dieses Jahr und von 1,74 Prozent für 2002 abzusehen. Die Regierung hatte ursprünglich für 2001 ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes von 4,5 % vorgesehen, dieses jedoch mehrfach nach unten korrigiert aufgrund der Abnahme des Wachstumstempos der Weltwirtschaft, speziell des der Vereinigten Staaten.

Die UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika schätzt ein, daß die Arbeitslosigkeit in der Region mindestens 8,5 Prozent betragen wird.

Einige reden heute seelenruhig von der "durch die Terroristenakte, die sich am 11. September in den Vereinigten Staaten ereigneten, und den am 7. Oktober gegen Afghanistan ausgelösten Krieg verursachte Krise der Weltwirtschaft". Diese Behauptung entbehrt jeglicher Grundlage. Meine vorangegangenen Ausführungen sind ein unwiderlegbarer Beweis dafür. Die Krise gab es bereits und war nicht mehr aufzuhalten.

Wöchentlich erhalte ich ein Bulletin mit den wichtigsten Meldungen zur wirtschaftlichen Lage. Es stammt aus den angesehensten und vertrauenswürdigsten öffentlichen Quellen oder enthält wortgetreue Erklärungen von Experten und politischen Führungspersönlichkeiten. Mir kam speziell das Bulletin ins Gedächtnis, das ich am 8. September 2001 erhielt, also genau drei Tage vor der großen Tragödie in New York. Viele Jahre lang hatte ich keine schlimmeren Meldungen über die Perspektiven der Weltwirtschaft in nur einem einzigen Bulletin gelesen.

Der Sorgfalt halber las ich ein zweites Mal. Von den Informationen wählte ich einige aus, in denen es wortgetreu heißt:

„Hitachi Ltd., der größte Hersteller elektronischer Produkte Japans, gab eine Reduzierung von 14 700 Arbeitsplätzen für dieses Jahr bekannt - das sind vier Prozent seines Stellenplanes - und ist vorbereitet aus einen Verlust von mehr als einer Milliarde Dollar aufgrund des Einbruchs im Technologiebereich."

„Die rivalisierenden japanischen Halbleiterfirmen Toshiba Corp, NEC Corp und Fujitsu Ltd. kündigten ebenfalls eine voraussichtliche Reduzierung Tausender Arbeitsplätze an." (CNN, 31.8.2001)

„Der Präsident der Staatsreserve der Vereinigten Staaten, bei gleichzeitigem Einbruch der Aktienmärkte bereite die Erhöhung der Wohnungspreise der Zentralbank Schwierigkeiten für eine Voraussage der Situation der Wirtschaft des Landes. Diese Divergenz könne, so er, für das Wirtschaftswachstum des Landes bedeutsame Folgen haben." (The Wall Street Journal, 31.8.2001)

„In ihrem letzten Bericht hat die US-amerikanische Staatsreserve die Geldinstitute des Landes darauf hingewiesen, ihre Systeme der Risikokontrolle nicht nachhaltig genug verstärkt zu haben, so wie es angesichts des Leerlaufes der Weltwirtschaft hätte sein müssen." (spanische Zeitung Cinco Días, 3.9.2001)

„Gestern gab die Europäische Kommission das für dieses Jahr vorgesehene Wirtschaftswachstum der Eurozone mit weniger als 2,5 Prozent bekannt. So anerkannte es der Kommissar für Wirtschaft und Finanzen, Peter Solbes, demzufolge Brüssel sogar noch „einige Zweifel" hinsichtlich dieser Zahl hege. Die vergangene Woche vom Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) verkündete Senkung der Zinssätze um ¼ Prozentpunkt war bereits von der expliziten Anerkennung eines Rechenfehlers begleitet. „Was wir unterschätzt haben, ist die lange Dauer und das Ernsthafte des Konjunkturrückgangs in den Vereinigten Staaten", sagte Duisenberg. „Es sei mir erlaubt zu sagen, daß wir sowie die oberen Organe der Vereinigten Staaten die Dauer und Intensität der Abschwächung zu optimistisch eingeschätzt haben", sagte er und dachte dabei an die Äußerungen des Staatssekretärs des Schatzamtes, Paul O'Neill."

„Diese schlichte Einschätzung der EZB, die nun wohl etwas verspätet kommt, nachdem das Wirtschaftswachstum der Eurozone im Januar mit 3,2 Prozent eingeschätzt worden war, dann fortwährend reduziert wurde und in diesen Tagen bei zwei Prozent angelegt ist." (spanische Zeitung Cinco Días, 3.9.2001)

„Der Präsident der Vereinigten Staaten verlieh seiner Besorgnis angesichts der andauernden Schwächung der US-amerikanischen Wirtschaftstätigkeit sowie deren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt Ausdruck. „Ich bin mir der Probleme bewußt, vor denen die von der Wirtschaftskrise betroffenen Arbeiterfamilien stehen, doch ich bin überzeugt, daß die Wirtschaft die Talfahrt wieder aufholt", bekräftigte er vor einem Treffen von Gewerkschaftsgruppen."

„Mit einer sich am Rande der Rezession befindlichen Wirtschaft versuchte der Präsident die US-amerikanischen Arbeiter zu überzeugen, er kenne ihre Lage und es werde etwas zu deren Lösung getan. Die Angelegenheit ist eine komplizierte, denn ein Nachlassen des Vertrauen der Verbraucher, der Abstieg der Finanzmärkte und das laue Wirtschaftswachstum der großen Weltmacht haben dazu geführt, daß in der Agenda des Präsidenten die wirtschaftlichen Angelegenheiten überwiegen." (spanische Zeitung Expansión, 4.9.2001)

Man beachte, Präsident Bush, der in diesen Themen nicht sehr bewandert ist, leistet seine Erklärung eine Woche vor dem 11. September.

„Laut Angaben zum Bruttoinlandsprodukt des ersten Halbjahres verzeichnet Lateinamerika faktisch eine Stagnation des Wachstums."

„Die Jahresabschlußbilanz 2001 werde einen weiteren Fall des Pro-Kopf-BIP der Region ausweisen, versichert Banco Bilbao Vizcaya Argentaria in seinem letzten Bericht über Lateinamerika. Die Einrichtung reduzierte ihre Wachstumsvoraussage für diese Länder von ursprünglich 3,9 aus ein Prozent; ein ungenügender Stand, um das Bevölkerungswachstum auszugleichen."

„Die Ursachen für diesen verstärkten Pessimismus sind in der weltweiten Schwächung zu suchen, die die Schätzungen von Anfang des Jahres übersteigt."

„Das schwache Wachstum der Hauptvolkswirtschaften findet seinen Niederschlag in einer starken Abnahme der Auslandsnachfrage und infolgedessen auch der Exporte Lateinamerikas."

„Am härtesten hat diese Folgen die mexikanische Wirtschaft zu spüren bekommen aufgrund des hohen Abhängigkeitsgrades ihrer Industrie von den Vereinigten Staaten. Dadurch wird ihr diesjähriges Wachstum nur 0,2 Prozent betragen gegenüber den im Jahr 2000 erzielten 6,9 Prozent." (spanische Zeitung Cinco Días, 4.9.2001)

„Bis zum Zeitpunkt beträgt die Anzahl der informierten Entlassungen bereits mehr als eine Million, obwohl die Kürzungen im August Unterbrechungen erfuhren. Insgesamt wollten die US-amerikanischen Firmen in jenem Monat 140 019 Arbeitsplätze streichen. Das sind 32 Prozent weniger als im Juli, doch mehr als das Doppelte der Kürzungen im August 2000. So wurden in den ersten acht Monaten dieses Jahres insgesamt 1,12 Millionen Entlassungen vorgenommen. Das sind bereits 83 Prozent mehr als im gesamten Jahr 2000. Am meisten geschädigt hierbei bleibt weiterhin der Bereich der Telekommunikationen mit 19 Prozent abgeschaffter Arbeitsplätze bis zum heutigen Datum." (spanische Zeitung Cinco Días, 5.9.2001)

„Zu den ernsten Haushaltsschwierigkeiten von Deutschland, Italien und - etwas schwächer - Spaniens gesellen sich die Schwierigkeiten Frankreichs, dessen Kassendefizit in den ersten fünf Monaten des Jahres 16 Prozent angestiegen ist." (spanische Tageszeitung Expansión, 5.9.2001)

„Der deutsche Wirtschaftsminister Werner Müller gab bekannt, daß das BIP-Wachstum des deutschen Riesen dieses Jahr keine 1,5 Prozent erreichen wird. Bis zum Zeitpunkt hatte er lediglich verlauten lassen, das Wachstum bewege sich „unter zwei Prozent". Die Erklärungen Müllers werden für all jene eine neue kalte Dusche sein, die auf eine schnelle Erholung der deutschen Wirtschaft gesetzt hatten." (spanische Zeitung Cinco Días, 5.9.2001)

„Zwar hat die Industrie der Vereinigten Staaten positive Zeichen eine Wiederbelebung zu senden begonnen, doch nun ist es der Bereich der Dienstleistungen, der die Erwartungen unter eine neue kalte Dusche stellt. Die Dienstleistungen unterlagen im August einer erneuten Schrumpfung, wie aus Angaben des Verbandes der Einkaufsbeauftragen hervorgeht. Ihr monatlicher Aktivitätsindex fiel von 48,9 Prozentpunkten im Juli auf 45,5 Prozentpunkte im August, womit es bereits einen zweiten Folgemonat unter fünfzig Prozentpunkten gibt, die als Markstein zwischen Rezession und Wachstum gelten. Im August kam es zu einer starken Abnahme neuer Bestellungen, war auf eine starke Schädigung der Aktivität in den nächsten Monaten hinweist. Diese Angabe überstieg bei weitem die Prognosen der Analysten, die mit einer minimalen Abnahme bis auf 48 Prozentpunkte gerechnet hatten." (spanische Zeitung Cinco Días, 6.9.2001)

„Gemäß Angaben des Internationalen Währungsfonds werden zwischen fünf Billionen und eine Trillion Dollars alljährlich durch die Banken aus unlauteren Aktivitäten gewaschen, deren Beträge zwischen 1,5 und 4,5 Prozent des Welt-BIP liegen." (spanische Zeitung El País, 6.9.2001)

„Die Zentralbank des Vereinigten Königreiches reduzierte kürzlich ihre eigene Wachstumsvoraussage des Bruttoinlandsproduktes für das Jahr 2001 auf zwei Prozent. Das ist der niedrigste Stand seit der Rezession Anfang der neunziger Jahre." (spanische Zeitung Cinco Días , 6.9.2001)

„Die Agentur Moody's (spezialisiert in Risikoanalysen und weltweit führend in diesem Bereich) wies gestern auf die Möglichkeit einer Senkung der Qualifikation japanischer Schatzanweisungen hin."

„Heute wird das Bruttoinlandsprodukte des zweiten Quartals dieses Jahres bekanntgegeben. Vorausberechnungen der Analysten zielen auf eine Schrumpfung von 0,9 bis ein Prozent. Sollte das eintreten, dann bedeutete dies faktisch den Eintritt in die Rezession, nachdem das BIP in den Monaten von Januar bis März 0,2 Prozent geschrumpft ist. Diese Angabe stellt die Zukunft der zweitstärksten Wirtschaft der Welt infrage; in einem Umfeld verstärkten Konjunkturrückganges aufgrund der Verlangsamung des Wachstums der Vereinigten Staaten." (spanische Zeitung Cinco Días, 7.9.2001)

Wie man sehen kann, ist die Wirtschaftskrise keine Folge der Angriffe vom 11. September noch des Krieges gegen Afghanistan. So etwas könnte man nur aus Unkenntnis oder im Interesse des Verbergens der eigentlichen Ursachen behaupten. Die Krise ist die Folge des donnernden und unumkehrbaren Scheiterns einer der Welt aufgezwungenen ökonomischen und politischen Anschauung, des Neoliberalismus und der neoliberalen Globalisierung.

Terroristische Akte und Krieg erzeugen die Krise nicht, sondern machen sie noch viel schwerer. Was auf beschleunigte Weise heranreifte, bricht abrupt und ungelegen aus. Die Menschheit steht heute vor drei außerordentlich ernsten und sich untereinander potenzierenden Problemen: Terrorismus, Krieg und Wirtschaftskrise.

Die Wirtschaftskrise bedeutet daneben die Zuspitzung von sehr transzendenten Problemen, deren Lösung noch in weiter Ferne steht: Armut, Hunger und Krankheiten, denen Jahr um Jahr Abermillionen Menschen auf der Welt zum Opfer fallen; Analphabetentum, Mangel an geistiger Entwicklung, Beschäftigungslosigkeit, Ausbeutung von Millionen Kindern durch Arbeit und Prostitution; Drogenhandel und -konsum, wobei Dollarbeträge in elfstelliger Höhe bewegt werden; Geldwäsche; Trinkwassermangel; Mangel an Wohnungen, Krankenhäusern, Kommunikationen, Schulen und Bildungseinrichtungen. Beeinträchtigt werden die Grundrechte aller Menschen.

Ganz besonders negativ wird sich die Krise auf den Kampf um eine nachhaltige Entwicklung auswirken, um die Erhaltung der Umwelt und den Schutz der Natur gegen die erbarmungslose Zerstörung, der sie ausgesetzt ist und die die Verschmutzung von Wasser und Luft verursacht, die Zerstörung der Ozonschicht, das Waldsterben, die Wüstenbildung und das Aussterben von Pflanzen und Tieren. Wie ist es nur möglich, daß nichts dergleichen in Betracht gezogen wird?

Nationen, ja sogar ganze Regionen mancher Kontinente können einfach verschwinden, wenn so gefürchtete Plagen wie das AIDS-Virus nicht mit aller Dringlichkeit vom Menschen bekämpft und besiegt werden; wenn nicht entschlossen gegen Terrorismus, Krieg und Wirtschaftskrise gekämpft wird. Wenn es einen Zeitpunkt gibt, der ein Kooperieren aller Länder dringlicher denn je erfordert, dann ist dieser Zeitpunkt jetzt gekommen.

Zwar muß vor Abschluß meiner Darlegungen noch einmal auf dieses Thema zurückkommen, möchte aber jetzt erst einmal ausführen, welche Auswirkungen die heutige Weltlage und die Wirtschaftskrise auf unser Land haben und mit aller Sicherheit auch künftig haben werden.

Von der Wirtschaftskrise waren bereits einige unserer Haupteinnahmequellen in konvertierbaren Devisen betroffen.

Hier die unmittelbaren und direkten Folgen: Der Zuckerpreis sank auf dem Weltmarkt von neun auf 6,53 Centavos pro Pfund. Der Preis des Nickels - ein weiterer jener Posten, dessen Produktion gestiegen war bei Verringerung der Kosten und des Brennstoffverbrauchs - fiel von 8,640 auf 4,715 Dollar pro Tonne. Die Verkäufe von Tabakwaren, die ebenfalls zu unseren wichtigsten Exportposten gehören, haben auf sämtlichen Märkten eine Abnahme zu verzeichnen. Auch die Exporte anderer Güter und Leistungen haben Einschränkungen erfahren.

Direkte Folgen des Terroranschlages und des ausgelösten Krieges

Trotz der Krise, in die die Weltwirtschaft geraten war, sowie der durch die Brennstoffkosten verursachten Flugpreiserhöhung betrug das Touristenaufkommen per 31. August insgesamt 1 304 597 Besucher. Das bedeutete eine Steigerung von 8,7 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres mit 1 200 076 Besuchern.

Die Anzahl der in Einrichtungen des Tourismus beherbergten Gäste erhöhte sich um 11,3 Prozent.

Im September verringerte sich in nur 20 Tagen die Besucherzahl um 9,9 Prozent gegenüber dem Vergleichsmonat des vergangenen Jahres. Für Oktober rechnet man mit einer Verringerung um 14 Prozent. Am stärksten betroffen werden die beiden bedeutendsten Zentren, Varadero und die Hauptstadt Havanna, sein.

Das Erreichen des gestellten Zieles von zwei Millionen Touristen war möglich gewesen. Die erste Million war bereits im ersten Halbjahr drei Wochen früher als im vergangenen Jahr erzielt worden. Nun wird das voraussichtliche Wachstum nur drei bis sechs Prozent betragen.

Für die anderen Karibikstaaten war der Schlag nach dem 11. September noch viel härter, denn diese waren viel mehr vom US-amerikanischen Tourismus abhängig.

Die genannten sowie andere außerhalb von Terrorismus und Krieg stehende Ursachen führten zu zusätzlichen Beeinträchtigungen:

Die Reduzierung der Deviseneinnahmen bewirkt eine Einschränkung der Kreditgewährung.

Es gibt finanzielle Verpflichtungen, die auch bei Reduzierung der Deviseneinnahmen beglichen werden müssen.



Geldwechselstellen (CADECAS)

Das Einsetzen der Bombardements zeigte eine sofortige Wirkung an den Geldwechselstellen. Zum besseren Verständnis muß ich erklären, daß unsere Währung, der kubanische Peso, in der schwersten Zeit der Spezialperiode eine Abwertung bis auf 150 Pesos pro Dollar erfuhr. Entsprechende Maßnahmen und die Gründung der CADECAS ermöglichten seine Aufwertung bis auf zwanzig Pesos pro Dollar. Das ist von bedeutendem Nutzen für die Bevölkerung. Damit wurde ihr Geld erneut aufgewertet und die Bürger konnten von den Devisenshops Gebrauch machen.

Mehr als fünf Jahre lang konnte unser Land trotz Blockade und Wirtschaftskrieg - und das findet nicht seinesgleichen auf der Welt - den Wert seiner Währung mit minimalen Schwankungen in die eine oder die andere Richtung stabil halten. Die Bank erzielte stets eine kleine Differenz zu ihren Gunsten, denn die Banken erhielten mehr Umtauschangebote Dollar in Peso als Angebote von Pesos in unseren konvertierbaren Peso. Die erzielte Differenz wurde ausschließlich auf den in Devisen zu entrichtenden Erwerb von Rohstoffen für die Herstellung von Produkten benutzt, die an die Bevölkerung gegen Pesos verkauft werden, von Brot über Markenbier bis hin zu vielen anderen Produkten. Die sich erholenden Fonds in Landeswährung dienten ihrerseits zur Wahrung der Stabilität der Peso-Dollar-Relation.

Nun wendete sich das Blatt: Das Dollarangebot nahm ab und es stieg der Kauf von konvertierbaren Pesos. In zwanzig aufeinanderfolgenden Tagen, ausgenommen drei, zahlte die Bank mehr Dollar aus als sie erhielt. Der Passivsaldo erreichte fast vier Millionen Dollar.

In den CADECAS wird nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage verfahren; es kann gar nicht anders sein. Als Folge davon war eine Abwertung des Peso zu verzeichnen. Es gab Zeiten, in denen der Wechselkurs in mehreren Provinzen 28 Pesos pro konvertierbaren Peso betrug. Vor drei Tagen stabilisierte er sich wieder bei etwa 26 pro konvertierbaren Peso. Dieser ist dem Dollar gleichwertig und bei Beantragung durch seinen Inhaber unmittelbar in Dollar transferierbar.

Unter diesen Umständen ging der Peso 18,18 Prozent seines Wertes verlustig. Es ist dies eine Situation, die man nicht aus den Augen verlieren darf. Zum jetzigen Zeitpunkt darf das Land bei seinen Ressourcen in konvertierbarer Währung kein Risiko eingehen. Es ist unsere Pflicht, die Bürger zu informieren, damit sie jederzeit die ihnen am vernünftigsten erscheinende Entscheidung treffen. Wenn sie sich durch eine Abwertung des Peso unter Druck gesetzt fühlen, sollten sie sich nicht von Ratschlägen der Spekulanten noch von Angst leiten lassen.

Man darf nicht vergessen, daß die Revolution unter so schweren Bedingungen wie denen des Jahres 1994 in der Lage war, eine Reduzierung des Umtauschkurses von 150 bis auf 20 Pesos pro Dollar einzuleiten, der dann viele Jahre lang beibehalten wurde. Die Bevölkerung hat die Möglichkeit, befristete Spareinlagen in Pesos zu tätigen. Dafür werden jährlich 7,5 Prozent Zinsen gezahlt; das ist das Dreifache der Zinsen für Dollareinlagen und 50 Prozent mehr als für den konvertierbaren Peso.

Letztendlich wird die Revolution auch aus dieser Schlacht gegen die Folgen der Weltwirtschaftskrise, wie schwer diese auch sein mag, siegreich hervorgehen und ihre Währung wird unter allen Umständen wieder aufgewertet werden.

Mit all ihrer moralischen Autorität garantiert die Revolution den Bürgern:

1. Die CADECAS werden nicht geschlossen.

2. Sämtliche Einlagen, sei es in kubanischen Pesos, in konvertierbaren Pesos oder in Dollars, werden absolut respektiert.

3. Die gegen Devisen verkaufenden Läden, von denen alle Bürger Gebrauch machen können - den Umfang bestimmt ihr Einkommen in der einen oder der anderen Währung - werden nicht geschlossen.

4. Die Agrarmärkte bleiben bestehen.

5. Der Wert des kubanischen Peso wird entschieden verteidigt. Der offizielle Preis der Güter und Leistungen für die Bevölkerung, sowohl der rationierten als auch nicht rationierten Produkte, wird um keinen einzigen Centavo erhöht. Im Rahmen dieser Politik dürfen sich lediglich die Preise der Agrarmärkte verändern, und das aus ganz offensichtlichen Gründen, denn sie richten sich nach Angebot und Nachfrage; die Preise der Parallelmärkte, die sich am Preisverhalten auf den Agrarmärkten orientieren und in Abhängigkeit unserer Ressourcen immer darunter liegen sollten; ebenfalls veränderlich sind, wie sie es seit jeher waren, die Preise in den Devisenshops.

6. Der Preis der 700 000 chinesischen Fernsehgeräte, die gegen Landeswährung an die Bevölkerung verkauft werden, basiert auf dem Umtauschkurs von 20 Pesos pro Dollar, so wie entschieden wurde. Die Bezahlung erfolgt in zu vereinbarenden Raten ohne jegliche Zinserhebung.

Nicht vergebens haben wir zehn Jahre Spezialperiode hinter uns.

Natürlich ist heute das Hauptanliegen unseres Volkes und unseres Planeten überhaupt die Wahrung des Friedens, ohne den die Welt an einen tödlichen Abgrund geriete; und für diesen Frieden werden wir uns mit Mut, Ehre und Würde einsetzen, so wie wir es immer getan haben.

Die Wirtschaftskrise werden wir siegreich angehen. Kein Opfer, nicht einmal das des eigenen Lebens, schüchtert uns ein. Das ist wohlbekannt. Viele Jahre hindurch haben wir sämtliche Opfer ertragen. Jene, die meinten, die Revolution werde sich nur Wochen halten können, bewundern heute unsere heroische Fähigkeit, durchzuhalten und voranzuschreiten.

Die großartigen Leistungen könnten lange Seiten füllen. Hier sollen nur einige genannt werden:

. Vor der Spezialperiode betrug die Investitionsnutzung 80 Centavo pro investiertem Peso, fiel 1994 auf 50 Centavos und beträgt heute 91 Centavos. Für die Konstruktion eines Hotelzimmers wurden 1994 annähernd 12 Tage benötigt. Im Jahr 2000 hatte sich diese Zeit auf 2,2 Tage reduziert.

. In den letzten fünf Jahren hielt sich das Haushaltsdefizit unter drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes, wohingehen es 1993 33,5 Prozent betrug.

. Die Arbeitsproduktivität verzeichnet eine Steigerung von 19 Prozent. Auf diesen Faktor sind faktisch 75 Prozent des Wirtschaftswachstums zurückzuführen.

. Der Tourismus erhöht seine Einnahmen um das Achtfache und das Besucheraufkommen um das Fünffache bei einer Erhöhung der Beherbergungskapazität um nur das Dreifache und der Beschäftigten um das Doppelte.

. In der Erdölproduktion, die zu Beginn der Spezialperiode 500 000 Tonnen betrug, werden bereits 3,6 Millionen Tonnen (Erdöl und Gas) erzielt. In diesem Bereich werden wir mit Investitionen nicht zögern. Im kommenden Jahr soll die Vier-Millionen-Grenze überschritten werden. Für jede in der Stromerzeugung und anderen Industrien eingesetzte Tonne kubanisches Erdöl und Gas spart das Land 60 Prozent seines Preises in konvertierbaren Devisen.

. Neben Erdöl und Erdgas zeigen Heute, im Vergleich zu 1989, gleiche oder wesentlich höhere Ergebnisse: Tourismus, Produktionen für den Devisenbinnenmarkt, Stromerzeugung, Produktion von Nickel, Hackfrüchten und Gemüse, Zitrusfrüchten, Medikamenten, Exportzigarren u.a. Dazu kommen die Ergebnisse in Volksbildung, Gesundheitswesen, Kultur, Sport und Wissenschaften.

. Der tägliche Kalorienverbrauch stieg von 1948 im Jahr 1994 auf 2578 kcal. pro Kopf im vergangenen Jahr. Im gleichen Zeitraum stieg der Proteinverbrauch von 47,7 auf 68,3 Gramm.

. 1994 betrug der Durchschnittslohn 185 Pesos.; Ende dieses Jahres werden es 242 Pesos sein. Das Durchschnittseinkommen - hier sind Anreizeinkommen und andere Deputatzuwendungen inbegriffen - wird 373 Pesos erreichen.

. 82 Prozent der Beschäftigten des aus dem Staatshaushalt finanzierten Bereiches - es sind insgesamt 1 091 200 - erhielten Gehaltserhöhung.

. 73,3 Prozent der Beschäftigten im Unternehmenssektor - insgesamt

1 322 000 - werden nach Leistung bezahlt.

. Mehr als 1,2 Millionen Beschäftigte erhalten einen Anreiz in konvertierbaren Pesos oder gleichwertigen Leistungen.

. Die Agrarmärkte haben seit ihrer Einrichtung im Jahr 1994 ihre Preise um 84 Prozent gesenkt.

. Die Preiserhöhung auf den bereits flächendeckend existierenden staatlichen Agrarmärkten mit billigeren Durchschnittspreisen pro Gewichtseinheit verlief verhalten.

. Die Beschäftigungslosenquote, die in den schlechtesten Jahren der Spezialperiode auf acht Prozent kletterte, betrug im Jahr 2000 5,4 Prozent. Die regionalen Unterschiede sind Gegenstand einer besonderen Behandlung.

. Im Jahr 1994 gab es an 344 Tagen Stromausfälle, also fast täglich. 1,2 Millionen MWh konnten wegen Leistungsdefizit nicht erbracht werden. Im vergangenen Jahr waren es 77 Tage mit 64 000 MWh, die nicht geleistet wurden.

. Der Verbrauch der Haushalte hat sich in den letzten vier Jahren um 16 Prozent erhöht. Wäre das Sparprogramm nicht umgesetzt worden, hätten es 25 Prozent werden können.

. Es ist ein umfassenderer Umweltschutz mit Verringerung der Belastung in den unterschiedlichen Medien (Boden, Wasser, Luft) zu verzeichnen. Das Wirtschaftswachstum erfolgt nicht auf Kosten der Schädigung der Umwelt, sondern im Rahmen ihrer Erhaltung und Verbesserung. Das steht in Übereinstimmung mit einer nachhaltigen Entwicklung.

. Die Trinkwasserversorgung erreicht 94 Prozent der Bevölkerung gegenüber ehemals 82 Prozent. Die Konstruktion von Wasserversorgungssystemen in 2454 Landgemeinden kommt 1,2 Millionen Menschen zugute. Faktisch das gesamte Wasser des Landes wird gechlort.

. In Umsetzung befindet sich ein Programm der Gasversorgung. Dadurch wurden bis Ende 1998 insgesamt 268 209 Familien mit mehr als einer Million Menschen begünstigt, die nun nicht mehr mit Kerosin kochen, sondern mit Gas.

. Ein Programm der Telefonie wird verwirklicht. Es begann 1999 und bis zum Zeitpunkt wurden die Anschlüsse um 146 750 erweitert.

. Sämtliche öffentlichen Telefone wurden gegen Digitalapparate ausgewechselt. 1999 gab es 11 860 öffentliche Telefone; Ende 2000 waren es 18 000 und dieses Jahr werden weitere 4700 installiert.

. In den letzten fünf Jahren wurden etwa 320 000 Wohnungen für mehr als 1,2 Millionen Menschen gebaut.

. Die Leistungen der sozialen Sicherheit und der Schutz der verletzlichsten Sektoren der Bevölkerung wurde gewährleistet.

. In diesen zehn Jahren Spezialperiode wurde mehr als 17 Millionen Pesos an Renten und Pensionen gezahlt.

Es ist nicht erforderlich, von der Schlacht der Ideen und von dem enormen sozialen Projekt zu sprechen, das Sie kennen und das und zu einem viel gerechteren und perfekteren Sozialismus führt und uns dem Ziel nähert, das Volk mit der weltweit besten Erziehung und Bildung zu werden. Lediglich soll gesagt werden, daß das Projekt 70 Programme und Hunderte von Aufgaben enthält, von denen mehrere der bedeutendsten bereits erfüllt sind.

Einige Zukunftsträume werden noch warten müssen, doch sie werden ebenfalls umgesetzt werden.

Die wichtigsten Investitionen sind bereits getätigt und waren minimal. Die Hauptrolle hat das immense Humankapital unseres Volkes gespielt und wird sie auch weiterhin spielen.

Politisch sind wir heute vereinter und stärker denn je.

Wir sind viel besser auf diese Situation vorbereitet.

Unsere soziale Gerechtigkeit macht es möglich, daß allen Bürgern Schutz zuteil wird.

Unsere politischen und Massenorganisationen, unser Staats- und Regierungsapparat zeigen eine bessere Organisation.

Die Arbeitsweise unserer Unternehmen wird verbessert. Wir haben gelernt, mit wenig Mitteln, doch mit mehr Wirksamkeit und mehr Disziplin zu produzieren.

Wir wissen, wie es jenen in der Welt ergingen ist, die sich vom Sozialismus abwandten und nach neoliberalen Rezepturen verfuhren.

Wir haben ein Volk, das mit jedem Tag gebildeter, bewußter und in jeder Hinsicht besser ausgebildet ist.

Am Anfang der Spezialperiode hatte unsere sozialistische Ideologie einen furchtbaren Schlag erlitten. Heute erleidet die Ideologie des Gegners diesen Schlag mit seiner tiefen Wirtschafts- und ideologischen Krise.

Ich sagte bereits, daß ich vor dem Schluß noch einmal auf das Thema Terrorismus, Krieg und Weltwirtschaftskrise zurückkommen würde.

Zwar ist unsere Position bekannt, doch scheint es mir angebracht, daran zu erinnern, daß wir noch am selben 11. September wenige Stunden nach den Ereignissen, nachdem wir unsere Verurteilung dieses brutalen Anschlags und unsere ehrliche und selbstlose Solidarität mit dem Volk der Vereinigten Staaten bekundeten - denn wir haben um keinerlei Gegenleistung gebeten und erwarten nichts dafür - unsere Überzeugung zum Ausdruck brachten, an der wir bis heute mit mehr Kraft und Gewißheit denn je festhalten: „Keines der heutigen Probleme der Welt kann durch Anwendung von Gewalt gelöst werden. (...) Die internationale Gemeinschaft muß ein weltweites Bewußtsein gegen den Terrorismus schaffen. (...) Nur die kluge Politik der Suche nach der Kraft von Konsensus und Weltöffentlichkeit kann das Problem mit der Wurzel ausrotten. (...) Diese so ungewöhnliche Tat könnte dazu dienen, den weltweiten Kampf gegen den Terrorismus zu entfachen. (...) Die Welt wird nicht zu retten sein, wenn sie nicht den Weg des Friedens und der internationalen Zusammenarbeit geht."

In San Antonio de los Baños äußerte ich eine Woche später im Namen unseres Volkes: „Was auch kommen mag (d.h. ob Krieg oder nicht), wir werden niemals zulassen, daß unser Territorium für Terroranschläge gegen das Volk der Vereinigten Staaten benutzt wird."

Noch etwas fügte ich hinzu: „Wir werden alles, was in unserer Macht steht, tun, um gegen das Volk gerichtete Aktionen dieser Art zu vermeiden. Heute bekunden wir ihm unsere Solidarität mit unserem Aufruf zur ruhigen Überlegung und zum Frieden. Irgendwann wird man uns recht geben."

Eine Woche später, anläßlich der am 29. September in Ciego de Avila stattfindenden Offenen Tribüne der Revolution, bestand ich weiterhin auf unserem Standpunkt: "Es sollte sich jedoch keiner der Illusion hingeben, die Völker wie auch viele ehrenhafte politische Führer werden nicht reagieren, sobald die Kriegshandlungen Realität und ihre Schreckbilder bekannt werden. Sie werden es dann sein, die den Raum der traurigen und beeindruckenden Bilder der New Yorker Ereignisse einnehmen, deren Vergessen einen nicht wiedergutzumachenden Schaden im Gefühl der Solidarität mit dem US-amerikanischen Volk anrichten würde; dieses Gefühl ist heute ein Hauptfaktor zur Beseitigung des Terrorismusphänomens ohne die Notwendigkeit von Kriegen mit nicht vorhersehbaren Folgen und ohne den Tod von unzählbaren unschuldigen Menschen.

„Die ersten Opfer sind bereits zu sehen: Millionen Menschen auf der Flucht vor dem Krieg; Bilder von Kindern mit leichenhaftem Aussehen, die die Welt bewegen werden und deren Kennenlernen durch nichts vermieden werden kann."

Die Ereignisse, zu denen es kommen wird, werden uns immer mehr recht geben.

Im Leitartikel der Zeitung Granma, des offiziellen Organs unserer Partei, vom 8. Oktober, der wenige Stunden nach Kriegsbeginn veröffentlicht wurde, heißt es: „Es ist kein Krieg gegen den Terrorismus; (...) es ist ein Krieg, dessen militärische Operationen es viel komplizierter und schwerer machen, ihn auszurotten. Ein Heilmittel, das schlimmer ist als die Krankheit."

„Jetzt wird es Meldungen regnen über Bomben, Raketen, Luftangriffe, das Aufrollen von Panzern mit Truppen von den Invasoren verbündeten Ethnien, Luftlandetruppen und Vormarsch von Elitetruppen der angreifenden Länder; von in mehr oder weniger kurzer Zeit eingenommenen Städten einschließlich der Hauptstadt; Fernsehdokumentationen soweit es die Zensur erlaubt oder sie dieser entrinnen. Die Gefechte werden gegen die Einwohner des Landes geführt werden und nicht gegen die Terroristen. Es gibt keine Bataillone oder Armeen von Terroristen. Es ist diese eine düstere Methode, eine unheilvolle Auffassung von Kampf, ein Gespenst."

Nach 26 Tagen anhaltender Bombenabwürfe können alle, die Tag für Tag die Ereignisse verfolgt haben, feststellen, daß bis jetzt alles so gekommen ist, wie wir es vorausgesehen hatten.

Der Krieg hatte mit Unerbittlichkeit begonnen. Wir wußten, daß es schwerlich anders kommen würde, ja es war faktisch unmöglich. Doch wir ließen uns deshalb weder vorher noch danach entmutigen, noch kamen wir von unseren Positionen ab.

Weiterhin bestanden wir mit Nachdruck darauf, daß der Kampf gegen den Terrorismus und gegen den Krieg geführt werden mußte. Niemals beseelte uns der Geist des Revanchismus oder der Rachsucht gegenüber den Vereinigten Staaten. Mit Betrübnis stellte ich Überlegungen an zu dem Fehler, den sie nach meinem Dafürhalten begangen, äußerte jedoch kein Wort der Beschimpfung oder persönlichen Beleidigung. Oftmals habe ich all jenen gesagt, die an diesem großen Kampf der Ideen teilnehmen: Es muß niemand persönlich verletzt werden. Es sind die Tatsachen zu nennen, Adjektive zu vermeiden, kühle Überlegungen anzustellen, Argumente anzuführen. Das wird unsere moralische Autorität bewahren und keiner wird dann berechtigt sein, die Stärke und die Ehrlichkeit unserer Positionen infrage zu stellen.

Heute befürchte ich, daß, wenn es die Möglichkeit gegeben hat, den Terrorismus ohne Krieg durch einmütige Kooperation und Unterstützung der internationalen Gemeinschaft auszurotten, die zu wirklich effizienten Maßnahmen und der Bildung eines tiefen moralischen Bewußtseins gegen den Terrorismus führt, diese Möglichkeit mit jedem Tag in weitere Ferne rückt.

Das Schlimmste wäre, es stellte sich der Punkt ein, an dem eine Lösungsfindung auf jenem Wege schon nicht mehr möglich ist, denn mit wachsender Klarheit sehe ich, wie absurd und unmöglich eine durch Krieg angestrebte Lösung ist. Ich versuche zu erraten, was sich die politischen und militärischen Strategen der Vereinigten Staaten dabei dachten. Vielleicht meinten sie, mit dem kolossalen Truppenaufgebot den Willen der Taliban zu beugen; vielleicht hegte man die Hoffnung der vernichtende Erstschlag erreiche dieses Ziel. Alle Welt kennt die Berechnungen der NATO im Krieg gegen Jugoslawien; der Gedanke war, das Ziel in fünf Tagen erreicht zu haben, und vergangen waren fast 80 Tage, ohne daß sie es erreicht hatten. Ebenso ist bekannt, daß trotz des außerordentlichen Aufgebots an Technik und Mitteln die serbische Armee faktisch intakt blieb. Nicht gering war der Druck durch die Gesandten Rußlands und Finnlands zur "Überredung" des Gegners auf diplomatischem Wege, als die Stunde gekommen war, Bodengefechte auszutragen, etwas, woran viele Mitglieder der Koalition recht wenig Gefallen fanden.

Die Meinung, das Ziel der Vereinigten Staaten bestünde in der Suche nach Erdöl in Afghanistan, teile ich nicht. Ich bringe es eher mit einem geostrategischen Konzept in Zusammenhang. Niemand begeht einen derartigen Fehler mit dem Ziel der Erdölsuche; weniger noch ein Land, das jedes Erdöl der Welt haben kann, das es begehrt, sogar das russische Erdöl und Gas. Dazu braucht es nur zu investieren, zu kaufen und zu bezahlen. Angesichts ihrer Vorrechte können sie dieses sogar mittels Scheinen der Staatsreserve auf dreißig Jahre erwerben. So haben sie im Verlauf von mehr als achtzig Jahren im Wert von mehr als 5,6 Billionen Dollar gekauft.

Die militärische Aktion in Afghanistan ist voller Gefahren. Es ist eine äußerst konfliktreiche Region, in der zwei große Länder mehrere Kriege geführt haben. Zwischen ihnen existieren tiefe nationale und religiöse Gegensätze. Die Bewohner des umstrittenen Territoriums sind mehrheitlich Mohammedaner. Sind die Gemüter einmal erbittert, kann niemand versichern, daß es nicht zu einem Krieg kommt. Beide Seiten besitzen Nuklearwaffen. Dieses Risiko ist ebenso groß wie jenes, daß der Krieg die Regierung Pakistans destabilisiert. Es wird in eine äußerst komplizierte Position versetzt. Von daher kommen die Taliban, gehören zum gleichen Volksstamm der Pashtun mit einer Anzahl Pakistaner von nicht weniger als zehn Millionen. Ich benutze hier die niedrigste der Zahlenangaben. Auch teilen sie mit fanatischer Inbrunst denselben Glauben.

Die US-amerikanischen Militärs pflegen Kenner ihres Faches zu sein. Ich habe einige kennengelernt, die nach ihrer Pensionierung Kuba in der Eigenschaft von Akademikern besuchten. Sie schreiben Bücher, erzählen Geschichten und stellen politische Analysen an. So befremdete mich keinesfalls eine Information in der Zeitschrift The New Yorker vom 29. Oktober, wonach es einen Gefahrenplan gab, um sich in den Besitz der Sprengköpfe Pakistans zu bringen, sollte eine radikale Gruppe die Regierung jenes Landes übernehmen.

Es ist vollkommen unmöglich, daß die US-amerikanischen Strategen dieses real existierende Risiko nicht einprogrammiert hätten. Jede Bombe, die über Afghanistan fällt, jedes Bild von toten, schrecklich verwundeten oder sterbenden Kindern erhöht dieses Risiko nur noch mehr. Was ich mir nicht vorstellen kann, ist die Reaktion derer, die für den Schutz jener Waffen vor jener möglichen Aktion verantwortlich zeichnen, die bereits ebenso publik ist wie die Chronik eines angekündigten Todes von Gabriel García Márquez.

Mir ist nicht bekannt, was die US-amerikanischen Nachrichtendienste recht wohl wissen werden, nämlich wo diese Sprengköpfe aufbewahrt werden, wie sie aufbewahrt und wie sie geschützt sind. Ich versuche, mir vorzustellen - und das ist nicht einfach - wie wohl eine Aktion dieser Art mit Elitetruppen verlaufen würde. Vielleicht wird es jemand eines Tages erzählen. Noch komplizierter wird es für mich, mir das politische Bild nach einer Aktion dieser Art vorzustellen; der Kampf würde dann gegen mehr als 100 Millionen zusätzliche Mohammedaner geführt. Die US-Regierung hat die Meldung über diesen Gefahrenplan verneint. Das war zu erwarten. Sie hatte keine andere Alternative.

Die logischste Frage, die ich mir stellen kann, ist, ob die mit den Vereinigten Staaten befreundeten Regierungsoberhäupter mit langjähriger Amts- und politischer Erfahrung diese genannten potentiellen Gefahren nicht sahen, warum sie sie nicht gewarnt, nicht davon abgebracht haben. Es ist erwiesen, daß die Vereinigten Staaten von ihren Freunden gefürchtet, aber nicht geschätzt werden.

Es ist immer schwierig, zu diesen Themen Mutmaßungen aufzustellen. Doch über etwas kann ich absolut sicher sein: Es genügt wenn 20 000 oder 30 000 Mann intelligente Methoden eines irregulären Krieges benutzen - die gleichen, die die Vereinigten Staaten einsetzen wollen - und dieser Kampf kann zwanzig Jahre andauern. Es ist absolut unmöglich, die afghanischen Gegner in einem irregulären Krieg mit Bomben und Missilen, welchen Kalibers oder welcher Stärke jene Waffen auch sein mögen, auf einem Gelände wie dem jenes Landes zu reduzieren.

Den schwierigsten psychologischen Moment haben sie bereits hinter sich. Sie haben alles verloren: die Familie, das Eigentum, die Gebäude. Sie haben absolut nichts mehr zu verlieren. Keine Logik weist darauf hin, daß sie die Waffen niederlegen, auch nicht nach der Beseitigung ihrer Hauptführer. Der Einsatz taktischer Nuklearwaffen, wie ihn einige empfehlen, wäre eine hundertfache Multiplikation des Fehlers, führe zu unwiderstehlicher Kritik und allgemeiner Isolierung. Daher habe ich nie geglaubt, derartige Taktiken könnten, auch nicht im heißesten Zorn, ernsthaft durch den Kopf derer gegangen sein, die an der Spitze jenes Landes stehen.

Es sind Überlegungen, die ich ausspreche. Ich glaube, man verhält sich solidarisch mit dem US-amerikanischen Volk, das bei einer abscheulichen Aggression Tausender unschuldiger Menschenleben verlustig ging - darunter Jungen und Mädchen, Jugendliche und Senioren, Männer und Frauen - wenn man offen sagt, was man denkt. Diese Opfer von Menschenleben sollen nicht umsonst gewesen sein. Sie sollen dazu dienen, viele Leben zu retten und sie sollen beweisen, daß Denken und Bewußtsein mehr vermögen als Terror und Tod.

Wir denken nicht, daß ein Verbrechen, wo es auch begangen wird, unbestraft bleiben darf. Mir stehen keine Beweise zur Seite, um irgendwen anzuklagen. Doch wären die Schuldigen jene, die die Regierung der Vereinigten Staaten zu bestrafen und zu eliminieren trachtet, so darf niemand auch nur den geringsten Zweifel hegen, daß die Art und Weise, wie sie vorgehen, Altare hervorbringen, an denen Millionen Männer und Frauen jene wie Heilige verehren, in denen sie (die Vereinigten Staaten) die Mörder sehen.

Lohnwerter wäre ein Riesenaltar für den Frieden, an dem die Menschheit all jenen Ehre zollt, die zu unschuldigen Opfern des Terrors und der blinden Gewalt wurden, sei es ein US-amerikanisches oder ein afghanisches Kind. Das sagt ein Gegner der Politik der Vereinigten Staaten, der meint, eine Vorstellung von Geschichte, Psychologie und Gerechtigkeit des Menschen zu haben, nicht ein Gegner.

An diesem Punkt angelangt, bliebe die Behandlung eines letzten Themas.

Absolut unbegreiflich ist, wie mit dem Anthrax-Problem umgegangen wird. Eine wahre Panik wurde ausgelöst. Die Vorräte an Medikamenten gegen diesen Bazillus gehen aus. Viele Personen kaufen Masken und Apparate aller Art, von denen einige Tausende von Dollars kosten.

Die Extravaganzen können mehr Schaden anrichten als die Krankheit selbst. Wenn eine Krankheit auftaucht, welche auch immer die Ursache sein mag, so ist es das Wichtigste, die Bevölkerung zu warnen und zu informieren, worin sie besteht und welche Maßnahmen zu ihrer Vorbeugung getroffen werden sollen, die Krankheit zu diagnostizieren und zu bekämpfen.

Krankheiten werden von einem Land ins andere auf natürlichen Wegen übertragen. Das kann über Personen, Tiere, Pflanzen, Nahrungsmittel, Insekten, Handelsware und auf tausend anderen Wegen geschehen, ohne daß sie jemand in Laboratorien zu produzieren braucht. So ist es seit jeher gewesen. Die vielen sanitären Vorschriften haben wohl ihren Grund. Das durch den Milzbrandbazillus entstandene Chaos und die psychologische Reaktion verwandeln die US-amerikanische Gesellschaft in eine Geisel derer, die ihr auf diesem Wege Schaden zuzufügen gedenken und im voraus wissen, daß sie damit Furcht und Schrecken verbreiten.

Bei zahlreichen Gelegenheiten mußte unser Land neue Krankheiten bekämpfen, die dem Menschen, den Kulturen und dem Vieh schaden, wobei viele vorsätzlich eingeführt worden waren. Nicht zum Vergnügen verfügt das Land über 67 128 Ärzte und Tausende von Technikern auf den Gebieten der Tier- und Pflanzengesundheit. Unsere Bevölkerung weiß sich sofort zu helfen.

Zur Bekämpfung dieser sowie jeder anderen Krankheit auch besitzt kein Land der Welt mehr Forschungszentren, Laboratorien und Medikamente als die Vereinigten Staaten; oder die Fähigkeit, diese zu produzieren oder zu erwerben.

Angesichts realer oder vorstellbarer gegenwärtiger oder künftiger Risiken gibt es keine andere Alternative als die der Erziehung der Bevölkerung mit dem Ziel der Risikobekämpfung.

Wir Kubaner sind so verfahren.

Die Ursachen, die zur Panik führten, sollten analysiert werden. Es kann nicht behauptet werden, daß die Vereinigten Staaten von Terroraktrisiken ausgeschlossen sind; daran besteht kein Zweifel. Doch ich glaube nicht, daß unter den heutigen Umständen allgemeiner Vorsicht und Wachsamkeit sowie der getroffenen Maßnahmen keine interne oder externe Gruppe eine koordinierte Aktion, lange bis ins Detail durchorganisiert, synchron und präzise verlaufend wie die des 11. September, organisieren kann. Meines Erachtens kann das größere Risiko aus Aktionen von Einzelpersonen oder sehr kleinen Gruppen im Land selbst oder von außen erwartet werden, die Schäden in kleinerem oder größerem Umfang verursachen können. Keiner darf unterschätzt werden. Doch ebenso wichtig oder wichtiger noch als die vorbeugenden Maßnahmen gegen diese Risiken ist die psychologische Entwaffnung der potentiellen Akteure: In dieser Palette befinden sich jene, die aus politischem Extremismus, Rachedurst und Haß tun wollen bis hin zu einer nicht zu unterschätzenden Anzahl von frustrierten, geistig gestörten unbesonnenen oder wahnsinnigen Individuen, die sich angezogen fühlen von dem Spektakulären oder dem Wunsch, Akteure aufsehenerregender Taten zu sein, in deren Händen es liegt, das Volk der Vereinigten Staaten um den Verstand zu bringen aufgrund des Schadens, den die Briefe mit oder ohne Anthrax anrichten. Man tue alles, um die Panik, die Extravaganzen und das Chaos zu stoppen, und die Gefahr wird abnehmen.

Auch nach Kuba gelangen oder zirkulieren im Land Briefe und Karten mit Pülverchen und seltsamen Dingen. Vom 15. bis 31. Oktober wurden 116 dieser Sendungen sichergestellt. Davon kamen 72 aus dem Ausland: 36 aus den Vereinigten Staaten, 8 aus Großbritannien, 3 aus Kanada, 2 aus der Tschechoslowakischen Republik, 2 aus Spanien, 2 aus Holland, 1 aus Dänemark, 1 aus Mexiko, 1 aus Australien, 1 aus Brasilien, 1 aus Deutschland, 1 aus Chile und 1 aus den Arabischen Emiraten. Davon waren 25 an mich gerichtet. Ich danke den Absendern für ihre Liebenswürdigkeit. Unsere Laboranten entwickeln sich zu wahren Experten. Von diesen Briefen stammen 31 aus dem Inland; bei mehreren war die Absicht ein dummer Scherz; 5 wurden von Kuba ins Ausland geschickt: zwei in die Vereinigten Staaten, einer nach Pakistan, einer nach Italien und einer nach Costa Rica. Bei acht dieser Postsendungen konnte die Herkunft nicht festgestellt werden. In keinem der 116 Briefe - ausgenommen 24, die sich noch im Prüfungsprozeß befinden - wurden biologische Erreger festgestellt. Kein einziger Beschäftigter der Postämter, des Palastes der Revolution und der Labors ist kontaminiert worden. Wir fühlen uns kerngesund. Es kam keine Sensationshascherei auf, weder Skandal, noch Alarm noch Panik. Niemand hat Medikamente gehortet oder Gasmasken gekauft. Ich erwähne diese Episode lediglich, um meine Äußerung hinsichtlich des Unbegreiflichen der Geschehnisse um den Anthrax in den Vereinigten Staaten zu veranschaulichen. Hätte sich die Einführung eines Bazillus herausgestellt, wäre es auch dann nicht zu Panik gekommen. Was jedoch mit aller Sicherheit sehr schwierig wäre, ist, daß ein Brief mit krankheitserregendem Virus oder Bakterien zur Absendung ins Ausland das Land verläßt. Es befriedigt uns zu wissen, daß zwei in die Vereinigten Staaten adressierten Briefe ihren Empfänger nicht erreichten, ebenso drei weitere nach anderen Ländern. So wird unsere Zusammenarbeit in jeglicher Hinsicht mit allen Völkern der Welt verlaufen. Sowohl unsere Ärzte und anderen Fachkräfte als auch unsere Techniker, unsere Forschungszentren und unsere bescheidene Erfahrung werden in den Dienst der Bekämpfung des biologischen Terrorismus und anderer Formen des Terrors gestellt.

Auch wenn erwiesen ist, daß die Vereinigten Staaten von ihren Freunden zwar gefürchtet, doch nicht geschätzt werden, so fürchtet Kuba die immense Macht jenes Landes nicht im geringsten, doch ist in der Lage, sein Volk zu schätzen.

Vielen Dank

Samstag, 6. Oktober 2001

Fidel Castro Ruz während der offenen Tribüne der Revolution zum Gedenken an den 25. Jahrestag des Verbrechens von Barbados

Ansprache des Präsidenten der Republik Kuba, Fidel Castro Ruz, während der offenen Tribüne der Revolution zum Gedenken an den 25. Jahrestag des Verbrechens von Barbados auf dem Platz der Revolution am 6.Oktober 2001

Mitbürger:

Die Geschichte bewegt sich willkürlich durch seltsame Labyrinthe. Vor 25 Jahren verabschiedeten wir auf diesem selben Platz einige wenige Särge mit menschlichen Überresten und persönlichen Wertgegenständen von einigen der 57 Kubaner, 11 Bürger Guyanas, von denen die meisten in Kuba studierten, und 5 koreanischen Kulturfunktionäre, die als Folge eines brutalen und unglaublichen Terroraktes starben. Besonders bewegend war der Tod der gesamten Männer- und Frauen- Juniorenfechtmannschaft, die mit allen bei einer mittelamerikanischen Meisterschaft in dieser Disziplin errungenen Goldmedaillen zurückkehrte.

Eine Million Mitbürger, soviel wie heute, verabschiedeten mit Tränen in den Augen, die oftmals über ihre Gesichter liefen, auf eine mehr symbolische als reelle Weise unsere Brüder und Schwestern, deren Körper auf dem Grund des Ozeans lagen.

Außer einer Gruppe von befreundeten Persönlichkeiten und Institutionen teilte niemand unseren Schmerz; es gab weder Betroffenheit auf der Welt noch schwerwiegende politische Krisen, Sitzungen der UNO oder unmittelbare Kriegsgefahren.

Möglicherweise begriffen nur wenige auf der Welt die schreckliche Bedeutung dieses Ereignisses. Welche Wichtigkeit hatte es, daß ein kubanisches Zivilflugzeug mit 73 Menschen an Bord während des Fluges zerstört wurde? Es war fast etwas Gewöhnliches. Waren nicht bereits Tausende von Kubanern bei der Sabotage des Schiffes La Coubre, im Escambray-Gebirge, in der Schweinebucht und bei Hunderten von terroristischen Aktionen, piratenähnlichen Angriffen und anderen Geschehnissen dieser Art getötet worden? Wer würde den Anklagen eines kleinen Landes Bedeutung beimessen? Scheinbar genügte ein einfaches Leugnen seitens des mächtigen Nachbarn und seiner Massenmedien, mit denen er die Welt überflutete, um die Angelegenheit zu vergessen.

Wer konnte damals voraussagen, daß fast genau 25 Jahre später ein Krieg mit unvorhersehbaren Folgen aufgrund eines gleichermaßen abscheulichen Terroranschlags, der Tausende von unschuldigen Menschenleben in den USA kosten sollte, unmittelbar bevorstehen würde? Während damals als trauriges Vorzeichen unschuldige Bürger mehrerer Länder starben, sollten diesmal Menschen aus 86 Nationen ihr Leben verlieren.

Damals wie heute blieben nur einige Überreste der Opfer. In Barbados konnte kein einziger Leichnam geborgen werden; in New York nur einige wenige und nicht alle konnten identifiziert werden. In beiden Fällen wurden die Familienangehörigen durch eine immense Leere und unendliche Angst erfüllt; das schreckliche Verbrechen führte in jedem der beiden Völker zu unerträglichem Schmerz und tiefer Wut. Es handelte sich nicht um einen Unfall, mechanische Defekte oder menschliches Versagen; es waren absichtliche und kaltblütig geplante und durchgeführte Taten.

Es gab trotzdem einige Unterschiede zwischen dem monströsen Verbrechen von Barbados und dem unglaublichen und unheilvollen Terroranschlag gegen das Volk der USA: in den Vereinigten Staaten war es das Werk von Fanatikern, die bereit waren, gemeinsam mit ihren Opfern zu sterben; in Barbados handelte sich um das Werk von Söldnern, die nicht das geringste Risiko eingingen. Jene in den USA verfolgten offensichtlich nicht als Hauptabsicht, die Passagiere zu töten; sie entführten die Flugzeuge, um die Twin Towers und das Pentagon-Gebäude anzugreifen, wobei ihnen der Tod der unschuldigen Menschen, die in den Flugzeugen reisten, absolut egal war; in Barbados war das Hauptziel der Söldner die Ermordung der Passagiere.

In beiden Fällen muß die Angst der im Flugzeug Reisenden in den letzten Minuten ihres Lebens - besonders der Passagiere der vierten in den USA entführten Maschine, die bereits von den Ereignissen in New York und Washington wußten – schrecklich gewesen sein, ähnlich der Angst der Besatzung und der Passagiere bei dem verzweifelten Versuch des kubanischen Flugzeugs, auf den Boden zurückzukehren, als das Erreichen dieses Ziels bereits unmöglich war. Auch in beiden Fällen konnte man Mut und Entschlossenheit wahrnehmen: in Barbados durch die aufgezeichneten Stimmen der kubanischen Besatzung; in den Vereinigten Staaten durch Berichte aus diesem Land über die von Passagieren eingenommene Haltung.

Von den schrecklichen Ereignissen in New York blieben bewegende Fernsehbilder; von der Explosion des Flugzeuges in Barbados und seines Absturzes ins Meer blieb nicht ein einziges Foto, was auch gar nicht möglich war; man konnte einzig und allein über die dramatischen Gespräche zwischen den Besatzungsmitgliedern der tödlich getroffenen Maschine und dem Tower des Flughafens von Barbados verfügen.

Zum ersten Mal in der Geschichte Lateinamerikas kam es zu einer aus dem Ausland betriebenen Tat dieser Art.

In unserer Hemisphäre begann der systematische Gebrauch solcher grausamer und furchterregender Praktiken und Vorgehensweisen im Bereich der Politik eben genau gegen unser Land. Dem ging seit 1959 eine andere gleichsam absurde und unverantwortliche Praktik voraus: die Entführung und erzwungene Kursänderung von Flugzeugen mitten im Flug, ein Phänomen, das man bis dahin auf der Welt praktisch nicht kannte.

Das erste Ereignis dieser Art war die Entführung eines Passagierflugzeugs des Typs DC-3 auf der Route von Havanna nach Isla de la Juventud durch einige ehemalige Mitglieder der Repressionsorgane der Batista-Diktatur, die am 16. April 1959 das Flugzeug vom Kurs abbrachten und den Piloten zwangen, nach Miami zu fliegen. Es waren noch keine vier Monate seit dem Sieg der Revolution vergangen. Die Tat wurde nicht bestraft.

Zwischen 1959 und 2001 wurden insgesamt 51 kubanische Flugzeuge entführt und fast alle in die Vereinigten Staaten gewaltsam umgeleitet. Viele dieser entführten Flugzeuge wurden dem Land nie zurückgegeben. Nicht wenige Piloten, Wachleute und andere Personen wurden ermordet oder verletzt; einige Flugzeuge wurden als Folge von fehlgeschlagenen Entführungsversuchen zerstört oder schwer beschädigt.

Die Folge war, daß die Plage der Flugzeugentführungen inmitten des Fluges sich schnell auf die USA selbst ausbreitete, wo überwiegend verrückte Personen, Abenteurer oder gemeine Kriminelle, sowohl US-amerikanischer als auch lateinamerikanischer Herkunft, aus den verschiedensten Motiven damit begannen, Flugzeuge mit Schußwaffen, Messern und Molotow-Cocktails zu entführen, und nicht wenige Male mit einfachen Wasserflaschen, die den Eindruck erwecken sollten, sie seien mit Benzin gefüllt, womit sie drohten, die Flugzeuge in Brand zu stecken.

Dank der Sorgfalt unserer Behörden kam es zu keinem einzigen Unfall bei der Landung, die Passagiere bekamen immer eine angemessene Betreuung und wurden sofort zu ihren Abflugorten zurückgebracht.

Der größte Teil der Entführungen und erzwungenen Kursänderungen von kubanischen Flugzeugen geschah zwischen 1959 und 1973. Angesichts des Risikos, daß es zu einer Katastrophe in den USA oder in Kuba kommen könnte – denn es gab sogar Entführer, die mit dem Flugzeug in ihrer Gewalt damit drohten, die Maschine am Atomkraftwerk von Oak Ridge zerschellen zu lassen, wenn bestimmten Forderungen nicht nachgekommen würde -, ergriff die Regierung Kubas die Initiative, der US-Regierung – mit Richard Nixon als Präsident und William Rogers als Außenminister – ein Abkommen über die Behandlung der Fälle von Flugzeugentführungen und Meerespiraterie vorzuschlagen. Der Vorschlag wurde akzeptiert und man arbeitete mit Hochdruck an der Anfertigung des besagten Abkommens, das von den Vertretern beider Regierungen am 5. Februar 1973 unterzeichnet und unmittelbar darauf in der Presse unseres Landes veröffentlicht wurde, wobei man es ausführlich verbreitete.

In diesem vernünftigen und gut ausgearbeiteten Abkommen wurden harte Strafen bei der Entführung von Flugzeugen und Schiffen festgelegt. Es war abschreckend. Seit diesem Zeitpunkt verringerte sich die Zahl der Entführungen von kubanischen Flugzeugen beträchtlich und in mehr als zehn Jahren kam es in unserem Land nur zu fehlgeschlagenen Versuchen.

Dieses vorbildliche und wirksame Abkommen bekam mit dem brutalen terroristischen Attentat, durch das ein kubanisches Flugzeug mitten im Flug zur Explosion gebracht wurde, einen vernichtenden Schlag versetzt. Aufgrund einer solch unglaublichen Aggression und unter Berücksichtigung dessen, daß die Tat inmitten einer Ende 1975 entfesselten neuen terroristischen Welle gegen Kuba geschah, kündigte die kubanische Regierung im Einklang mit den festgelegten Klauseln das Abkommen, obwohl sie die in selbigem enthaltenen Maßnahmen gegen die Entführung US-amerikanischer Flugzeuge unangetastet ließ, darunter die Verhängung von harten Strafen, die in Übereinstimmung mit dem besagten Abkommen beträchtlich auf bis zu 20 Jahre Gefängnis erhöht worden waren. Bereits vor dem Abkommen hatten die kubanischen Gerichte die in unserem Strafgesetzbuch vorgesehenen Strafen bei Flugzeugentführungen verhängt, obgleich diese weniger hart waren.

Trotz der rigorosen Anwendung der Strafen kam es weiter zu einigen Entführungen von US-amerikanischen Flugzeugen, die zur Kursänderung in Richtung unseres Landes gezwungen wurden. Nachdem sie frühzeitig genug darauf hingewiesen hatte, übergab die Regierung Kubas den Vereinigten Staaten am 18. September 1980 zwei Entführer und unterstellte sie der Verfügung der US-Behörden.

In dem Zeitraum zwischen September 1968 und Dezember 1984 sind 71 Entführungsfälle von Flugzeugen registriert, die gewaltsam nach Kuba umgeleitet wurden. Es ist erwiesen, daß 69 Beteiligte an den erwähnten Entführungen vor Gericht gestellt und zu Freiheitsstrafen zwischen 3 und 5 Jahren verurteilt wurden; später, ausgehend von dem Abkommen von 1973, schwankten die Strafen zwischen 10 und 20 Jahren.

Als Ergebnis dieser von Kuba ergriffenen Maßnahmen besteht die Tatsache, daß es seit 17 Jahren zu keiner einzigen Entführung oder erzwungenen Kursänderung eines US-Flugzeugs mehr gekommen ist.

Was war dagegen die Haltung der US-Regierungen? Von 1959 bis heute haben die US-amerikanischen Behörden keine einzige von den Hunderten von Personen bestraft, die Dutzende von kubanischen Flugzeugen entführt und zur Kursänderung gezwungen haben, nicht einmal diejenigen, die Morde begingen, um die Entführung durchzuführen.

Man kann sich kein größeres Fehlen von elementarer Gegenseitigkeit oder einen größeren Anreiz zum Entführen von Flugzeugen und Schiffen vorstellen. Diese inflexible Politik wurde ohne eine einzige Ausnahme über mehr als 42 Jahre beibehalten.

Das konstruktive Abkommen zwischen den Regierungen Kubas und der USA über Entführungen von Flugzeugen und Schiffen, deren Ergebnisse man sofort bemerken konnte, wurde zum Schein von den Hauptanführern der terroristischen Gruppen befolgt. Einige hatten aktiv an der Organisierung des irregulären Krieges mittels bewaffneter Banden mitgearbeitet oder teilgenommen, die sich zu bestimmten Zeitpunkten auf die sechs damaligen Provinzen des Landes ausbreiteten. Die Mehrheit von ihnen war von der Regierung der Vereinigten Staaten in den Tagen der Schweinebucht-Invasion, der Oktoberkrise und in darauffolgenden Jahren rekrutiert worden, um an jeder Art von gewaltsamen Aktionen teilzunehmen, besonders an Attentatsplänen und terroristischen Aktionen, die keinen Bereich des wirtschaftlichen und sozialen Lebens, kein Mittel, keine Vorgehensweise und keine Waffe ausschließen.

Sie durchliefen alle Arten von Institutionen, Schulen und Ausbildungen, gelegentlich, um sie zu trainieren, und manchmal mit dem Ziel, ihnen Unterhaltung zu bieten.

Dramatische Ereignisse wie die Ermordung Kennedys führten zu bedeutenden Untersuchungen - wie derjenigen, die eine Kommission des US-Senats durchführte -, die verfängliche Situationen und große Skandale entstehen ließen. Sie zwangen zu Veränderungen der Taktiken, aber in Wirklichkeit niemals zu irgendeiner Änderung der Politik gegenüber Kuba. Aus diesem Grund kamen nach Perioden relativer Ruhe neue Wellen des Terrorismus auf.

So geschah es Ende 1975. Die Church-Kommission hatte am 20. November dieses Jahres ihren berühmten Bericht über die Attentatspläne gegen Führungspersönlichkeiten Kubas und anderer Länder vorgelegt. Die Central Intelligence Agency (CIA) konnte nicht weiter die direkte Verantwortung für die Attentatspläne und terroristischen Aktionen gegen Kuba übernehmen. Die Formel war einfach: das vertrauenswürdigste und am besten ausgebildete terroristische Personal würde die Form von unabhängigen Gruppen annehmen, die auf eigene Rechnung und Verantwortung agierten. Auf diese Weise entsteht plötzlich eine seltsame gemeinschaftliche Organisation namens CORU, zusammengesetzt aus den wichtigsten terroristischen Gruppen, die in der Regel wegen Führungsambitionen und Interessenkonflikten kräftig gespalten waren. Es wird eine Welle von gewaltsamen Aktionen dieser Art entfesselt. Um einige zu nennen, ausgesucht unter den zahlreichen und bedeutenden Terrorakten, die in dieser neuen Etappe stattfanden, kann ich darauf hinweisen, daß es in nur vier Monaten zu den folgenden kam:

* Angriff aus Florida kommender piratenartiger Boote auf zwei Fischerboote am 6. April 1976, was zum Tod eines Fischers und schweren Schäden an den Booten führte.

* Bombenanschlag auf die kubanische Botschaft in Portugal am 22. April, der den Tod zweier kubanischer Funktionäre, weitere Schwerverletzte und die vollständige Zerstörung des Gebäudes verursacht.

* Attentat mit Sprengsätzen gegen die Diplomatische Vertretung Kubas bei der UNO am 5. Juni, was schwere Sachschäden zur Folge hat.

* Kurz vor dem Verladen an Bord explodiert am 9. Juli eine Bombe in dem Wagen, in dem das Gepäck des Fluges der Airline Cubana de Aviación auf dem Flughafen von Kingston, Jamaika, transportiert wurde.

* Am 10. Juli detoniert eine Bombe in den Büros der Firma British West Indies en Barbados, die die Interessen der Airline Cubana de Aviación in diesem Land vertrat.

* Ermordung eines Fischereitechnikers während des Versuchs der Entführung des kubanischen Konsuls in der mexikanischen Stadt Mérida am 24. Juli.

* Entführung und Verschwindenlassen von zwei Funktionären der kubanischen Botschaft in Argentinien am 9. August. Von beiden hörte man nie wieder etwas.

* Am 18. August explodiert eine Bombe in den Büros der Fluggesellschaft Cubana de Aviación in Panama, was zu beträchtlichen Schäden führt.

Wie man sehen kann, handelt es sich um einen wahrhaften Krieg. Einige Anschläge zielen auf die Fluggesellschaften.

Die Zeitung New York Times und die Zeitschrift U.S. News and World Report , zwei namhafte US-Presseorgane bezeichneten dies als eine neue Welle des Terrorismus gegen Kuba.

Die Gruppen, aus denen sich die Organisation CORU zusammensetzte – die in den ersten Monaten des Jahres 1976 mit ihren Operationen begann, obwohl sie formell erst im Juni dieses Jahres gegründet wurde -, gaben in den USA öffentliche Erklärungen ab, in denen sie sich jede der durchgeführten Aktionen selbst zuschrieben. Sie schickten die Kriegsberichte – so bezeichneten sie dies – von Costa Rica aus an die Presse in Miami. Im August veröffentlichte eines ihrer Presseorgane einen Artikel mit diesem selben Namen: „ Kriegsbericht", in dem die Zerstörung der kubanischen Botschaft in Kolumbien geschildert wurde. Das war der Tag, an dem die Organisation nicht zögerte, ein Kommuniqué zu veröffentliche, das eine Schlüsselbedeutung hat, unterzeichnet von den fünf terroristischen Gruppen, die die CORU bildeten: „ Sehr bald werden wir Flugzeuge während des Fluges angreifen."

Zur Ausführung ihrer Anschläge benutzten die Terroristen der CORU ohne Schwierigkeiten als Hauptoperationsbasen die Staatsgebiete der Vereinigten Staaten, Puerto Ricos, des von Somoza regierten Nicaraguas und des von Pinochet regierten Chiles.

Weniger als acht Wochen später sollte das kubanische Flugzeug in Barbados mit 73 Menschen an Bord mitten im Flug zerstört werden.

Hernán Ricardo und Freddy Lugo, zwei venezolanische Söldner, die die Bomben während des Fluges von Trinidad-Tobago nach Barbados legten und dort aus dem Flugzeug ausstiegen, kehrten nach Trinidad zurück, wurden dort verhaftet und gestanden sofort ihre Beteiligung an dem Verbrechen.

Der Polizeichef von Barbados erklärte vor einer Untersuchungskommission, daß Ricardo und Lugo zugaben, für die CIA zu arbeiten. Er fügte hinzu, daß Ricardo eine Karte der CIA aus der Tasche gezogen habe und eine weitere, auf der die Regeln für den Gebrauch des C-4-Plastiksprengstoffes erklärt wurden.

Am 24. Oktober 1976 kommentierte die New York Times, daß „ die Terroristen, die während der letzten beiden Jahre eine Attentatswelle in sieben Ländern entfesselten, Produkte und Instrumente der CIA waren".

Die Zeitung Washington Post erklärte, daß die bestätigten Kontakte mit der US-Botschaft in Venezuela „zweifeln ließen" an der am 15. Oktober vom Außenminister der Vereinigten Staaten, Henry Kissinger, abgegebenen Erklärung, in der es sinngemäß hieß, daß „ niemand, der mit der US-Regierung in Verbindung steht, mit der Sabotage des [kubanischen] Flugzeugs zu tun hatte".

Der Korrespondent der mexikanischen Zeitung Excelsior kommentierte damals von Port of Spain aus, daß „man mit dem Geständnis von Hernán Ricardo Lozano, dem hier in Trinidad verhafteten Venezolaner, über seine Verantwortung für das Attentat gegen ein Flugzeug der Fluggesellschaft Cubana, das an der Küste von Barbados mit 73 Menschen an Bord ins Meer stürzte, kurz davor ist, ein wichtiges gegen Castro gerichtetes terroristisches Netzwerk aufzudecken, das in irgendeiner Weise mit der CIA in Verbindung steht".

Die Zeitung Le Monde schrieb, daß die Verbindungen der CIA zu terroristischen Gruppen kubanischer Herkunft, die sich auf dem Boden der USA bewegten, öffentlich bekannt seien.

Viele der ernsthaftesten internationalen Presseorgane äußerten sich im gleichen Sinn.

Luis Posada Carriles und Orlando Bosh, die geistigen Urheber des terroristischen Verbrechens, seit 1960 mit der CIA in Verbindung stehend, werden verhaftet und inmitten von kolossalem Druck einem verworrenen, von Irregularitäten geprägten Prozeß unterworfen. Die venezolanische Richterin Delia Esteba Moreno eröffnete ein Justizverfahren gegen sie wegen Mord, Herstellung und Gebrauch von Feuerwaffen und Herstellung und Tragens von gefälschten Dokumenten. Ihre würdige Haltung weckte die heftige Reaktion der rechtsextremen politischen kubanisch-venezolanischen Mafia.

Der General Elio García Barrios, Präsident des Obersten Militärgerichts, behielt eine standhafte und entschlossene Haltung bei, dank derer beide Terroristen einige Jahre im Gefängnis verbringen mußten. Die terroristische Mafia von Miami rächte sich, indem sie 1983 einen seiner Söhne mit Gewehrkugeln durchlöcherte.

Posada wird von der Cuban American National Foundation (CANF) befreit, die

50 000 Dollar über Panama schickt, um die Flucht zu finanzieren; am 18. August 1985 flieht Posada. Innerhalb von Stunden taucht er in El Salvador auf. Dort besuchten ihn kurz nach seiner Ankunft die wichtigsten Anführer der CANF. Es war die Zeit des schmutzigen Krieges in Nicaragua. Sofort beginnt Posada unter Anleitung des Weißen Hauses wichtige Aufgaben bei der luftgestützten Versorgung der konterrevolutionären Banden in Nicaragua mit Waffen und Sprengkörpern zu erfüllen.

Die kalte Zahl von 73 in Barbados ermordeten unschuldigen Menschen sagt nicht alles aus über den Sinn und die Tragweite der Tragödie.

Möglicherweise verstehen die US-Amerikaner dies besser, wenn sie die Bevölkerung Kubas von vor 25 Jahren mit derjenigen der Vereinigten Staaten vom 11. September 2001 vergleichen. Der Tod von 73 Personen in einem in der Luft zur Explosion gebrachten kubanischen Flugzeug ist das, was es für das Volk der USA bedeuten würde, wenn sieben Flugzeuge US-amerikanischer Airlines mit jeweils mehr als 300 Passagieren am gleichen Tag und zur gleichen Stunde durch eine terroristische Verschwörung mitten im Flug zerstört würden.

Wenn wir ein bißchen weitergehen und die 3 478 Kubaner berücksichtigen, die in mehr als 42 Jahren durch die aggressiven Aktionen zu Tode gekommen sind, einschließlich der Schweinebucht-Invasion und aller Terrorakte mit Ursprung in den USA, die Kuba erlitten hat, ist dies so, als ob in den Vereinigten Staaten

88 434 Menschen umgekommen wären, eine Zahl, die fast den US-Amerikanern entspricht, die in den Kriegen in Korea und Vietnam zusammen starben.

All das, was ich hier anprangere, ist nicht von Gefühlen des Hasses oder der Rachsucht erweckt. Ich verstehe, daß die US-amerikanischen Regierungsbeamten nicht einmal den Wunsch haben, zu hören, wie über diese heiklen Themen gesprochen wird. Sie sagen, man müsse nach vorne schauen.

Es wäre blind, nicht zurückzuschauen, um zu erkennen, wo die Fehler liegen, die nicht wiederholt werden dürfen, welche die Gründe sind für große menschliche Tragödien, Kriege und andere Katastrophen, die vielleicht hätten verhindert werden können. Es gibt keinen Grund, warum es an irgendeinem Ort der Welt den Verlust von unschuldigen Menschenleben geben müßte.

Wir haben aufgerufen zu dieser grandiosen Kundgebung gegen den Terrorismus als eine Ehrerbietung und ein Tribut an die Erinnerung unserer vor 25 Jahren in Barbados ums Leben gekommenen Schwestern und Brüder, doch sie ist auch ein Ausdruck der Solidarität mit den Tausenden von unschuldigen Menschen, die in New York und Washington starben, und ein Ausdruck der Verurteilung des gegen sie begangenen brutalen Verbrechens, auf der Suche nach Wegen, die zur reellen und dauerhaften Beseitigung des Terrorismus, zum Frieden und nicht zu einem blutigen und unendlichen Krieg führen.

Ich hege die tiefste Überzeugung, daß die in den ersten 15 Jahren der Revolution aufgebauten Beziehungen zwischen den in den USA gegen Kuba gegründeten Terrorgruppen und den US-Behörden niemals abgebrochen wurden.

An einem Tag wie heute haben wir das Recht, uns zu fragen, welche Maßnahmen ergriffen werden hinsichtlich Posada Carriles und Orlando Bosh, die Verantwortlichen für den monströsen Terrorakt von Barbados, und hinsichtlich derer, die die Bomben planten und finanzierten, die in den Hotels der Hauptstadt gelegt wurden, sowie die Versuche zur Ermordung von kubanischen Führungspersönlichkeiten, die in mehr als 40 Jahren nicht eine Minute aufgehört haben.

Man fordert nicht viel, wenn man verlangt, daß Gerechtigkeit walten gelassen wird im Falle der Fachleute des Terrors, die vom Staatsgebiet der USA selbst damit fortgefahren haben, ihre zweifelhaften Methoden gegen unser Volk anzuwenden, um Terror zu säen und die Wirtschaft eines angefeindeten und blockierten Landes zu zerstören, dessen Territorium niemals ein terroristisches Gerät oder auch nur ein Gramm Sprengstoff verlassen hat, um ihn in den Vereinigten Staaten explodieren zu lassen. Niemals wurde als Folge einer aus Kuba kommenden Aktion auch nur ein einziger US-Amerikaner getötet oder verletzt, noch eine einzige große oder kleine Einrichtung in diesem immensen und reichen Territorium auch nur im geringsten beschädigt.

In dem weltweiten Kampf gegen den Terrorismus, bei dem wir verpflichtet sind, uns gemeinsam mit der UNO und dem Rest der Völkergemeinschaft daran zu beteiligen, stehen uns die erforderliche moralische Autorität und das Recht bei, die Beendigung des Terrorismus gegen Kuba zu verlangen. Der Wirtschaftskrieg, dem unser Volk seit mehr als 40 Jahre unterworfen ist, eine völkermörderische und brutale Aktion, muß ebenfalls beendet werden.

Unsere in Barbados gestorbenen Schwestern und Brüder sind nicht nur einzig und allein Märtyrer; sie sind auch Symbole des Kampfes gegen den Terrorismus, sie erheben sich heute als Giganten in dieser historischen Schlacht zur Beseitigung des Terrorismus vom Anglitz der Erde, dieser abscheulichen Methode, die so viel Schaden seinem Land verursacht und ihre Liebsten und ihr Volk so hat leiden lassen; ein Volk, das bereits beispielhafte Seiten in den Annalen seines Vaterlandes und seiner Epoche geschrieben hat. Das Opfer ihres Lebens war nicht unnütz. Die Ungerechtigkeit beginnt zu zittern angesichts eines energischen und starken Volkes, daß vor 25 Jahren aus Wut und Schmerz weinte und das heute aus Emotion, Hoffnung und Stolz weint, wenn es sich an sie erinnert.



Die Geschichte, mit aller ihrer Willkür, hat es so gewollt.

Mitbürger:

Im Namen der Märtyrer von Barbados:

Sozialismus oder Tod!

Vaterland oder Tod!

Wir werden siegen!