Mittwoch, 30. Mai 2007

Reflexionen des Comandante en Jefe: Das G8-Gipfeltreffen

Für diejenigen, die es nicht wissen, – zu denen ich mich zuerst zähle – G-8, das ist die Gruppe der führenden entwickelten Länder, einschließlich Russland. Das baldige Treffen, das in sechs Tagen beginnen wird, hat aufgrund der die Welt bedrohenden tiefen politischen und wirtschaftlichen Krise große Erwartungen geweckt.

Lassen wir die Agenturmeldungen für sich sprechen.

Die Deutsche Presseagentur DPA berichtet, dass der deutsche Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Wolfgang Tiefensee erklärt hat, „dass die Länder der europäischen Union eine gemeinsame Strategie vereinbart haben."

„Die europäischen Minister für Stadtplanung, die in der östlichen Stadt Leipzig zu einem informellen Treffen unter dem Motto 'Stadtentwicklung und territoriale Kohäsion´ zusammengetroffen sind, werden eine gemeinsame Strategie zum Umweltschutz und zur Verzögerung des Klimawechsels anwenden."

„Zum Beispiel" – so warnte Tiefensee – „könnte im europäischen Süden eine Erhöhung der Sommertemperaturen von bis zu sechs Grad erwartet werden, während an den Küsten starke Winterstürme zu befürchten sind."

„Die Dürre, welche Spanien bedroht, und die Wasserknappheit in Polen sind zwei weitere Beispiele der Herausforderungen, denen die Europäische Union begegnen muss, fügte der Deutsche zum Schluss des Treffens hinzu."

Die AFP teilt ihrerseits mit, dass „der deutsche Bundesumweltminister Sigmar Gabriel einschätzte, dass es aufgrund der Opposition der Vereinigten Staaten ‘kaum möglich’ sein wird, beim bevorstehenden G8-Gipfeltreffen einen Erfolg bezüglich der Frage Klimaerwärmung zu erreichen."

„Deutschland wird das Gastgeberland des Gipfels sein, bei dem vom 6. bis 8. Juni die acht führenden entwickelten Länder der Erde in Heiligendamm vertreten sein werden.

„Obwohl Viele in den Vereinigten Staaten eine andere Politik bezüglich der Klimaerwärmung möchten, ’verhindert die Regierung in Washington leider’, dass diese Haltung verwirklicht werden kann - so der sozialdemokratische deutsche Minister.

„Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel wird ein ‘starkes Signal’ zur Notwendigkeit des dringenden Handelns in dieser Angelegenheit setzen; die US-Regierung vervielfältigt ihr Oppositionsverhalten."

Die englische Agentur Reuters informiert: „Die Vereinigten Staaten haben den deutschen Vorschlag zurückgewiesen, der erreichen wollte, dass die Gruppe der Acht härtere Einschränkungen zu Kohlenstoff-Emissionen vereinbart, da diese die Erderwärmung verursachen, wie aus einem Kommuniqué-Entwurf hervorgeht, der auf dem Treffen vorgelegt werden wird.

„Die Vereinigten Staaten sind in Bezug auf jenen Kommuniqué-Entwurf, zu dem Reuters Zugang hatte, noch ernsthaft und grundlegend befangen."

„Das Herangehen an den Klimawechsel geht vollkommen gegen unseren Standpunkt und überschreitet zahlreiche ‘rote Linien’ in unter Gesichtspunkten, mit denen wir einfach nicht einverstanden sein können, sagten die US-amerikanischen Verhandlungsteilnehmer.

„Dieses Dokument wir als ENDFASSUNG bezeichnet, aber wir waren nie auch nur mit einer der im Text vorhandenen Ausdrucksweisen zum Klima einverstanden", fügten sie hinzu.

Deutschland will eine Vereinbarung, um die Temperaturerhöhung zu stoppen, um die weltweiten Emissionen bis zum Jahr 2050 um 50 % unter den Stand von 1990 zu vermindern und um die Energieeffizienz bis zum Jahr 2020 um 20 % zu erhöhen.

„Washington weist alle diese Zielstellungen zurück."

Während Blair erklärt, dass er seinen Freund George überzeugen wird, ist das einzig Wahre, dass er den drei zur Zeit in Großbritannien in Bau befindlichen U-Booten ein weiteres hinzugefügt hat, womit die Ausgaben für hoch entwickelte Waffen sich um weitere 2,5 Milliarden Dollar erhöhen. Vielleicht könnte irgendeine Person mit einem der neuen Computerprogramme von Bill Gates die Mittel für Rüstungsausgaben berechnen, durch welche die Menschheit der Bildung, Gesundheit und Kultur beraubt wird.

George soll zum G8-Gipfel sagen, was er wirklich denkt, einschließlich zum Thema der Gefahren, welche den Frieden und die Ernährung der Menschheit bedrohen. Jemand sollte ihn hierzu befragen. Er soll nicht versuchen, sich unter Beratung seines Freundes Blair herauszuwinden.

Fidel Castro Ruz

29. Mai 2007

18.45 Uhr

Dienstag, 29. Mai 2007

Reflexionen des Comandante en Jefe: Die Ideen kann man nicht töten

Vor einigen Tagen, als ich die Kosten zum Bau von drei U-Booten der Serie Astute analysierte, behauptete ich, dass mit jenem Geld „75 000 Ärzte ausgebildet und 150 Millionen Menschen betreut werden könnten, wenn man annimmt, dass zur Ausbildung eines Arztes ein Drittel von dem benötigt wird, was es in den Vereinigten Staaten kosten würde.“ Jetzt stelle ich mir auf der Grundlage der selben Berechnung die Frage, wie viele Ärzte mit den einhundert Milliarden Dollar ihren Abschluss machen könnten, welche Bush in einem einzigen Jahr in die Hände fallen, um in den irakischen und US-amerikanischen Familien weiterhin Trauer zu säen. Die Antwort lautet: 999 990 Ärzte, welche zwei Milliarden Menschen behandeln könnten, die heutzutage keinerlei medizinische Betreuung erhalten.

Seit der US-Invasion auf Irak sind dort mehr als 600 000 Menschen ums Leben gekommen und mehr als 2 Millionen sahen sich gezwungen zu emigrieren.

In den Vereinigten Staaten selbst haben ungefähr 50 Millionen Menschen keine Krankenversicherung. Das blinde Marktgesetz regelt die Leistungen dieser lebenswichtigen Dienste und die Preise werden selbst für viele Menschen innerhalb der entwickelten Länder unerreichbar. Die medizinischen Dienstleistungen tragen zum Bruttoinlandsprodukt der Vereinigten Staaten bei, erzeugen aber weder bei den Leistungserbringern ein Gewissen, noch bei deren Empfängern Unbekümmertheit.

Den weniger entwickelten Länder, wo es mehr Krankheiten gibt, stehen weniger Ärzte zur Verfügung: einer je 5 000, 10 000, 15 000, 20 000 oder mehr Einwohner. Wenn solche neue Krankheiten auftauchen wie z. B. AIDS, eine auf dem Geschlechtswege übertragbare Krankheit, die in kaum 20 Jahren Millionen Menschen das Leben genommen hat, dann erkranken an ihr mehrere Dutzend Millionen, darunter viele Mütter und Kinder. Für dieses Leiden gibt es schon lindernde Mittel, wobei der Preis der Medikamente pro Person 5 000, 10 000 oder bis zu 15 000 Dollar jedes Jahr betragen kann. Das sind Zahlen, die für die Große Mehrheit der Länder der Dritten Welt eine Phantasie darstellen. Die wenigen öffentlichen Krankenhäuser sind mit Kranken überfüllt, die wie Tiere zusammengepfercht unter der Geißel einer unerwarteten Epidemie sterben.

Vielleicht hilft das Nachdenken über diese Realitäten, um ein besseres Verständnis der Tragödie zu erlangen. Es handelt sich nicht um eine Handelswerbung, die soviel Geld und Technologie benötigt. Man braucht nur den Hunger von mehreren hundert Millionen Menschen zusammenzuzählen, die Idee, Nahrungsmittel in Kraftstoff zu verwandeln, hinzufügen, ein Symbol zu suchen und die Antwort wird George W. Bush sein.

Als er vor kurzem von einer bedeutenden Persönlichkeit über seine Politik gegenüber Kuba befragt wurde, lautete seine Antwort: „Ich bin ein Präsident der harten Linie und warte nur auf den Tod von Castro.“ Die Wünsche eines solch mächtigen Herrn stellen kein Privileg dar. Ich bin nicht der Erste und werde auch nicht der Letzte sein, zu dem Bush Anordnungen gab, ihm das Leben zu nehmen, oder die er vorhat, weiter auf individuelle Art oder massenweise zu töten.

„Die Ideen kann man nicht töten“ rief Sarría, ein schwarzer Leutnant, Patrouillenchef in Batistas Armee, laut aus. Er hatte uns nach dem Versuch, die Moncada-Kaserne zu nehmen, gefangen genommen, während drei von uns in einer kleinen Hütte in den Bergen erschöpft von den Anstrengungen, um aus der Einkesselung auszubrechen, schliefen. Die Soldaten zielten voller Hass und Adrenalin auf mich, obwohl sie mich noch nicht erkannt hatten. „Die Ideen kann man nicht töten“, wiederholte, schon beinahe flüsternd, automatisch, der schwarze Leutnant.

Jene wunderbaren Worte widme ich Ihnen, Herr W. Bush.



Fidel Castro Ruz

28. Mai 2007

18.58 Uhr

Samstag, 26. Mai 2007

Reflexionen des Comandante en Jefe: Bush vermutet, alles kommt auf einen Schlag

Mir kam der Begriff Schlag (Zambombazo in Spanisch) in den Sinn. Ich suchte und fand ihn im Wörterbuch. Es ist ein klangnachahmendes Wort mit tragischer Bedeutung: Zambombazo. Möglicherweise habe ich es bisher in meinem Leben nie benutzt.

Bush ist ein apokaliptischer Mensch. Ich beobachte seine Augen, sein Gesicht und sein ausgesprochen großes Bemühen zu simulieren, dass alles, was vor ihm auf einem „unsichtbaren Bildschirm“ erscheint, so aussieht, als seien es völlig spontane Überlegungen. Ich hörte seine gebrochene Stimme, als er seinem eigenen Vater antwortete, der ihn wegen seiner Politik im Irak kritisierte. Er bringt nur Emotionen zum Ausdruck, und täuscht immer Rationalität vor. Er kennt jedoch mit Gewissheit die Wirkung jedes Satzes und jedes Wortes beim Publikum, an das er sich wendet.

Das Dramatische an der Sache ist, dass das, worauf er wartet, dass es geschehe, vielen US-Nordamerikanern das Leben kosten kann.

In keinem Krieg, darf man mit Taten nie einverstanden sein, die unschuldige zivilen Bürger, das Leben kostet. Niemand könnte die Luftangriffe deutscher Flieger gegen britische Städte im Zweiten Weltkrieg rechtfertigen, ebenso wenig die Tausende von Bombenabwürfen, die im kritischsten Moment der Auseinandersetzung systematisch deutsche Städte zerstörten, auch nicht die beiden Atombomben, die die Vereinigten Staaten von Amerika in einem reinen Akt des Terrorismus über Hiroshima und Nagasaki gegen Alte, Frauen und Kinder zur Explosion brachten.

Bush brachte in seiner Rede am 1. Juni 2002 in West Point seinen ganzen Hass gegen die Welt der Armen zum Ausdruck, als er über den vorbeugenden und überraschenden Angriff an „60 oder mehr dunkle Ecken der Welt“ gesprochen hat.

Wen will man jetzt glauben machen, dass die Tausende von Nuklearwaffen, die die USA besitzen, all die Raketen und präzisen und genauen Lenk- und Leitsysteme zur Bekämpfung des Terrorismus dienen? Sind dafür vielleicht auch die ausgeklügelten U-Boote gedacht, die ihre britischen Verbündeten bauen, die in der Lage sind, die Erde zu umkreisen, ohne einmal aufzutauchen, oder die Nuklearraketen, die man in vollem Fluge umprogrammieren kann? Ich hätte mir niemals vorstellen können, dass man eines Tages zu solchen Rechtfertigungen greifen würde. Mit diesen Waffen beabsichtigt der Imperialismus eine weltweite Tyrannei zu etablieren. Mit ihnen nimmt er andere grosse Nationen ins Fadenkreuz, die nicht als militärische Gegner mit Kompetenz einer Weiterentwiklung ihrer Technik von Massenvernichtungswaffen, sondern als Wirtschaftsmächte auftreten, die mit den USA rivalisieren werden, deren von Konsum, Chaos und Verschwendung geprägtes Wirtschafts-und Sozialsystem absolut verletzlich ist.

Das Schlimmste am Paukenschlag, in den Bush zur Zeit seine ganze Hoffnung legt, ist seine frühere Handlungsweise anlässlich der Ereignisse des 11. September, als er mit seinem kompletten Verwaltungsapparat in Urlaub fuhr, obwohl er die drohende Gefahr eines blutigen Anschlags gegen das nordamerikanische Volk kannte und dies hätte voraussehen und wohl auch verhindern können. Von dem Tage an, an dem er, dank des Betruges, den seine Mafia-Freunde aus Miami wie in einer Bananerepublik inszenierten, zum Präsidenten ernannt wurde und auch bereits vor seiner Machtübernahme, war W. Bush bis ins Detail mit den gleichen Daten und auf dem gleichen Wege informiert worden, wie der damalige Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, der dies so angewiesen hatte. Zum jenem Zeitpunkt fehlten noch etwas mehr als neun Monate bis zu den tragischen Ereignisses, die im Einsturz der Zwillingstürme ihren Niederschlag fanden.

Sollte erneut etwas Ähnliches mit irgend welchem explosiven oder gar nuklearen Material geschehen, wo es doch seit den Zeiten des Kalten Krieges angereichertes Uran überall auf der Welt zu finden gibt, wie sähe dann das Schicksal der Menschheit aus? Ich versuche mich zu erinnern, analysiere viele Momente der Menschheit auf ihrem Weg durch die Jahrtausende und frage mich: „Sind meine Ansichten etwa rein subjektiv?

Gerade gestern brüstete sich Bush, dass er die Schlacht gegen seine Gegner im Kongress gewonnen habe. Er verfügt über einhunderttausend Millionen Dollar, alles Geld was er braucht, um seinem Wunsch gemäβ, die Anzahl der US-nordamerikanischen Soldaten in Irak zu verdoppelt und das Massaker fortzusetzen. Die Probleme in jener Region verschärfen sich.

Jegliche Meinung über die letzten Großtaten des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika ist nach wenigen Stunden bereits null und nichtig. Diesen kleinen Stier von Moral kann auch das US-nordamerikanische Volk nicht an den Hörnern packen?



Fidel Castro Ruz

25. Mai 2007

19.15 Uhr

Donnerstag, 24. Mai 2007

Reflexionen des Comandante en Jefe: Für taube Ohren,die nicht hören wollen

In Kurzform die Erklärungen der FAO vom 16. Mai 2007 in Rom, der Zentrale dieser Organisation.

In der Weltgetreideproduktion zeichnet sich für das Jahr 2007 ein Rekordniveau ab. Ungeachtet dessen werden die Lieferungen nur knapp ausreichend sein, um die wachsende Nachfrage, angekurbelt durch die Entwicklung der Industrie der Biokraftstoffe, zu decken.

Im Zeitraum 2006/2007 verzeichneten die Weltmarktpreise der Getreidearten einen signifikanten Anstieg und aller Voraussicht nach werden sie sich auch 2007/2008 auf diesem hohen Stand halten, wie in unserem entsprechenden Bericht „Ernteperspektiven und Ernährungslage" ausgeführt wird. Es wird vorausgesehen, dass in den Ländern mit niedrigen Einkommen und Nahrungsmitteldefizit die Rechnung für Getreideimporte einen nahezu 25 Prozent höheren Betrag als zum jetzigen Zeitpunkt ausweisen wird.

Es wird vorausgesehen, dass die schnelle Zunahme der Nachfrage nach Spiritus, hergestellt auf der Basis von Mais, dessen Preis im Zeitraum 2007/2008 um neun Prozent die Getreidegewerbenutzung in die Höhe treiben wird.

Die Aussichten der Weizenernte der Welt haben sich – gegenüber den Angaben in unserem Bericht vom April – leicht verschlechtert.

Für den afrikanischen Norden wird eine rasante Talfahrt der Getreideproduktion vorausgesagt, verursacht durch die Dürre, die Marokko heimsuchte und in deren Folge die Weizenproduktion dieses maghrebinischen Landes auf die Hälfte sinken kann.

In Südafrika wird eine nun schon zum zweiten Mal reduzierte Ernte erwartet. In Simbabwe wird aufgrund der Dürre ein starker Preisanstieg bei Mais vorausgesehen, wobei dieser für Millionen Menschen ein Grundnahrungsmittel darstellt. Demgegenüber wird Malawi nach einer guten Ernte mit einem für den Export bestimmten Überschuss rechnen können.

In Bolivien benötigt eine große Anzahl Bauern dringende Hilfe infolge der durch Dürre und Überschwemmungen 2007 auf den Feldern und im Viehbestand angerichteten Schäden, wodurch die Ernte beeinträchtigt wurde.

Das erneute Aufkommen von Gewalt in Südsomalia führte zur Abwanderung Hunderttausender und könnte das Ausmaß der Anbauflächen reduzieren.

Eine erste und provisorische Vorhersage der FAO hinsichtlich der Reisproduktion der Welt im Jahr 2007 fokussiert eine leicht höhere Ernte von etwa 422 Millionen Tonnen, die dem Ernterekord des Jahres 2005 gleichkäme.

Die Hauptproduzenten China und Indien ausgenommen, wird die Getreideernte der übrigen Länder insgesamt einen leichten Abstieg verzeichnen.

Die FAO hat die Folgen der Produktion von Kraftstoff aus Nahrungsmitteln als Ausgangsmaterial erkannt. Etwas ist besser als nichts.

Doch auch sehr beachtlich ist die Meldung, wonach der US-Kongress beschloss, in seinen Büros 23 000 Glühlampen durch Leuchtstofflampen zu ersetzen. Es wird bestätigt, dass US-amerikanische Familien aus eigener Initiative heraus beschlossen, 37 Millionen Glühlampen durch Leuchtstofflampen auszuwechseln. In ein paar Monaten werden diese 37 Millionen ausgetauschte Lampen einen Verbrauch eingespart haben, der dem Benzin für 260 000 Autos gleichkommt. Man berechne die Einsparung an Kraftstoff bei einem Ersatz von Milliarden Glühlampen.

An dieser Stelle will ich zu einem Thema übergehen, das mit meiner Person zu tun hat, und ich bitte dafür um Entschuldigung.

In den Meldungen ist von einer Operation die Rede. Meinen Landsleuten wollten meine mehrfachen Äußerungen, eine Genesung sei nicht frei von Risiken, nicht recht behagen. Man sprach generell von einem Termin, an dem ich in meiner gewohnten olivgrünen Uniform wieder öffentlich auftreten werde. Also gut, es wurde nicht nur eine sondern mehrere Operationen vorgenommen, anfangs ohne Erfolg, und dadurch kam es zu der recht langen Rekonvaleszenz.

Viele Monate lang hing ich am Tropf und Kathetern, einen bedeutenden Teil meiner Nahrung über diesen Weg erhaltend, und ich wollte unser Volk nicht unangenehmen Enttäuschungen aussetzen. Heute wird alles für meine Genesung Erforderliche verabreicht. Keine Gefahr ist größer als die, die mit dem Alter im Zusammenhang steht, sowie eine Gesundheit, mit der ich in der unheilvollen Zeit, in der ich lebte, Missbrauch trieb. Einstweilen nun tue ich das, was ich muss, speziell stelle ich Betrachtungen an und schreibe zu Fragen, die meines Erachtens von gewisser Bedeutung und Tragweite sind. Auf mich wartet noch viel Material. Für Filme und Fotos, wofür man mir ständig Kopfhaar, Bart und Schnurrbart schneiden und ich mich alltäglich herausputzen müsste, habe ich jetzt keine Zeit. Außerdem multiplizieren derartige Auftritte die Interviewanträge. Allen sage ich schlicht: Es geht mir besser und mein Gewicht halte ich unverändert um die 80 kg.

Ich versuche, diese Betrachtungen kurz zu fassen, um weder der Presse noch den Fernsehnachrichten Raum zu stehlen. In der übrigen Zeit lese ich, erhalte Informationen, führe Telefongespräche mit vielen Genossen und Kollegen und realisiere die jeweiligen Rehabilitationsübungen. Ich kann nicht alles, was mir bekannt ist, zum Ausdruck bringen und kritisieren. Auf diese Weise wären ja die zwischenmenschlichen und internationalen Beziehungen unmöglich, auf die man nicht verzichten kann. Doch ich werde der Devise treu bleiben, niemals eine Lüge zu schreiben.

Fidel Castro, 23. Mai 2007

17:06 Uhr

Mittwoch, 23. Mai 2007

Reflexionen des Comandante en Jefe: Niemand will den Stier bei den Hörnern packen

Am 28. März, d.h. vor weniger als zwei Monaten, als Bush nach einer Zusammenkunft mit den wichtigsten US-amerikanischen Automobilherstellern seine teuflische Idee zur Herstellung von Kraftstoff aus Nahrungsmitteln verkündete, schrieb ich die erste Überlegung.

Der Chef des Imperiums prahlte damit, dass die Vereinigten Staaten als Hersteller von Äthanol aus dem Rohstoff Mais schon die erste Stelle auf der Welt einnahmen. Zu diesem Zweck war man dabei, hunderte von Fabriken in ihrem Land entweder zu bauen oder zu erweitern.

In jenen Tagen hegten die industrialisierten und reichen Länder schon dieselbe Idee, aber unter Verwendung der verschiedenen Getreidearten und ölhaltigen Samenkörner, einschließlich die der Sonnenblume und der Sojabohne, die ausgezeichnete Protein- und Speiseölquellen sind. Deshalb wählte ich den Titel jener Überlegung: „Mehr als 3 Milliarden Menschen auf der Welt durch verhungern und verdursten vorzeitig zum Tode verurteilt".

Die Gefahren für die Umwelt und die menschliche Gattung sind ein Thema, über das ich seit Jahren Überlegungen anstellte. Ich hatte mir aber niemals vorgestellt, dass die Gefahr so nahe bevorstand. Die neuen wissenschaftlichen Daten über die Geschwindigkeit des Klimawechsels und seine unmittelbaren Folgen waren noch nicht bekannt.

Am 3. April, nach dem Besuch von Bush in Brasilien, schrieb ich meine Überlegungen zur „Internationalisierung des Völkermords".

Ich habe gleichzeitig darauf aufmerksam gemacht, dass die tödlichen und hoch entwickelten Waffen, die in den Vereinigten Staaten und anderen Ländern hergestellt werden, dem Leben der menschlichen Gattung innerhalb von wenigen Tagen den Garaus machen könnten.

Wenn es darum gehen würde, der Menschheit eine Atempause und der Wissenschaft und der zweifelhaften Vernunft der Entscheidungsträger eine Chance zu gönnen, wäre es nicht notwendig, zwei Dritteln der Bewohner des Planeten die Nahrungsmittel wegzunehmen.

Wir haben, ausgehend von Überschlagsrechnungen, Angaben darüber vermittelt, welche Energieeinsparung nur allein der Ersatz von Glühbirnen durch Leuchtstofflampen bedeutet. Die Zahlen haben Größenordnungen, die in 11 bis 12 Nullen enden. Die erste entspricht hunderten von Milliarden Dollar durch Kraftstoffeinsparung jedes Jahr, und die zweite den Billionen eingesparter Dollar für die notwendige Investition zur Erzeugung dieses Stroms, da man nur die Glühlampen austauschen muss, was weniger als 10 Prozent der Gesamtausgaben und eine bedeutende Zeiteinsparung bedeutet

Mit vollkommener Klarheit haben wir zum Ausdruck gebracht, dass die CO2-Emanationen, abgesehen von anderen umweltverschmutzenden Gasen, beschleunigt zum Klimawechsel führen, und zwar schnell und unerbittlich.

Das waren aufgrund ihres dramatischen und beinahe verhängnisvollen Inhalts keine Themen, die einfach zu behandeln sind.

Die vierte Überlegung stand unter dem Titel: „Eine sofortige Energierevolution ist unbedingt notwendig". Es ist ein Beweis für die Energieverschwendung in den Vereinigten Staaten und für die ungleiche Verteilung auf der Welt, dass es im Jahr 2005 in China weniger als 15 Autos je eintausend Einwohner gab, in Europa 514 und in den Vereinigten Staaten 940.

Das letztgenannte Land, eines der Länder, welche die reichsten Kohlenwasserstoffvorkommen haben, leidet heutzutage an einem großen Erdöl- und Erdgasdefizit. Diese Kraftstoffe müssen, so hat es Bush beschlossen, aus den Nahrungsmitteln gewonnen werden, die für die immer hungrigeren Mägen der Armen der Erde gebraucht werden.

Am ersten Mai 2006 beendete ich meine Rede vor dem Volk mit folgenden Worten:

„Wenn alle anderen Länder die Anstrengungen unternehmen würden, die Kuba heutzutage durchführt, dann würde Folgendes geschehen:

„10 Die bewiesenen und möglichen Vorkommen an Kohlenwasserstoffen würden doppelt so lange reichen.

„20 Die umweltverschmutzenden Bestandteile, welche diese heutzutage in die Atmosphäre abgeben, würden sich auf die Hälfte vermindern.

„30 Der Weltwirtschaft würde eine Atempause gegönnt, da ein riesiges Volumen an Transportmitteln und elektrischen Geräten aufbereitet werden müssen.

„40 Ein Moratorium von 15 Jahren für den Bau von neuen elektronuklearen Anlagen könnte verkündet werden."

Das Auswechseln der Glühlampen war das erste, was wir in Kuba getan haben und wir haben mit mehreren Ländern der Karibik zusammengearbeitet, um dies durchzuführen. In Venezuela hat die Regierung in 95% der mit Strom versorgten Haushalte 53 Millionen Glühlampen durch Leuchtstofflampen ersetzt. Alle weiteren Energiesparmaßnahmen werden entschlossen durchgeführt.

Alles was ich sage, wurde nachgewiesen.

Warum hört man weiter nichts als Gerüchte, ohne dass die Regierungen der Industrieländer sich offen zu einer Energierevolution verpflichten, die Veränderungen der Auffassungen und Illusionen über Wachstum und Konsumverhalten, von denen nicht wenige arme Länder sich haben anstecken lassen, bedeuten?

Gibt es etwa irgendeine andere Art und Weise, den so schlimmen Gefahren zu begegnen, die alle bedrohen?

Niemand will den Stier bei den Hörnern packen.

Fidel Castro Ruz

22. Mai 2007

17.10 Uhr

Dienstag, 22. Mai 2007

Reflexionen des Comandante en Jefe: Das englische U-Boot

Die Agenturmeldungen bringen die Nachricht. Es gehört zur Astute-Klasse und ist das erste seiner Art, das in Großbritannien seit mehr als zwei Jahrzehnten gebaut wird.

„Ein Nuklearreaktor ermöglicht es ihm, die 25 Jahre seiner Dienstzeit zu fahren, ohne wieder aufgefüllt werden zu müssen. Es erzeugt Trinkwasser und Sauerstoff für den Eigengebrauch, sodass es den Erdball umrunden kann ohne gezwungen zu sein aufzutauchen, erklärte der Beauftragte der Schiffswerften Nigel Ward der BBC."

„Es sieht wie eine Bestie mit teuflischem Erscheinungsbild aus" behauptet einer.

„Über uns erhebt sich bedrohlich ein Schuppen mit einer Höhe von zwölf Stockwerken. In ihm befinden sich drei U-Boote in verschiedenen Bauphasen", versichert ein weiterer.

Jemand äußert, dass „es vom Ärmelkanal aus den Kreuzschiffverkehr in der Bucht von New York beobachten kann, sich der Küste nähern kann, ohne entdeckt zu werden und Handy-Gespräche abhören kann". „Es kann außerdem Spezialtruppen in Mini-Tauchbooten befördern, die ihrerseits die tödlichen Tomahawk-Raketen auf eine Entfernung von 1 400 Meilen abschießen können", behauptet ein vierter.

Die chilenische Zeitung El Mercurio bringt die Nachricht ausführlich und mit Nachdruck.

Die britische Royal Navy erklärt, dass es eines der am weitesten entwickelten der Welt sein wird. Das erste von ihnen wird am 8. Juni vom Stapel gelassen und im Januar 2009 in Dienst gestellt werden.

Es kann bis zu 38 Marschflugkörper Tomahawk und Torpedos Spearfish befördern, die in der Lage sind, ein großräumiges Kriegsschiff zu zerstören. Es wird eine ständige Besatzung von 98 Marineinfanteristen haben, die sogar auf Plasma-Großbildschirmen Filme anschauen können werden.

Das neue „Astute"-U-Boot wird mit der neuesten Torpedo-Generation Block 4 Tomahawk ausgerüstet sein, welche sogar noch im Angriffsflug umprogrammiert werden können. Es wird das erste U-Boot sein, das nicht über ein konventionelles Periskopsystem verfügt, sondern Glasfaser, Ultrarotstrahlen und thermisches Bildscannen verwenden wird.

„Die Rüstungsfirma BAE Systems wird weitere zwei U-Boote der selben Klasse bauen", informierte AP. Die Gesamtkosten für die drei Tauchboote belaufen sich gemäß Berechnungen, die sicherlich unter dem wirklichen Aufwand liegen, auf 7,5 Milliarden Dollar.

Wunderbare britische Heldentat! Das Volk jenes Landes, das intelligent und beharrlich ist, wird sicherlich überhaupt keinen Stolz spüren. Am meisten verwundert, dass mit solch einer Summe 75 000 Ärzte ausgebildet und 150 Millionen Menschen ärztlich betreut werden könnten, wenn man annimmt, dass der Aufwand zur Ausbildung eines Arztes ein Drittel von dem sein würde, was diese Ausbildung in den Vereinigten Staaten kostet. Wenn man wollte, könnten 3 000 mit hoch entwickelten Geräten ausgerüstete Polikliniken gebaut werden, zehnmal die Anzahl, die wir in unserem Land haben.

Kuba bildet zurzeit zehntausende junge Menschen anderer Länder als Ärzte aus. In irgendeinem abgelegenen Dorf von Afrika kann ein kubanischer Arzt einen Jugendlichen des Dorfes selbst oder des Kreises empfangen, der eine dem Abiturabschluss entsprechende Ausbildung hat, und ihm die Kenntnisse seines Berufes vermitteln, indem er hierbei Videogeräte und Computer verwendet, die über eine kleine Sonnenbatterieplatte mit Energie versorgt werden. D.h. alles dies, ohne dass der Jugendliche aus seiner Geburtsregion weggehen muss, bzw. von den Gewohnheiten des Konsumverhaltens der großen Städte verseucht wird.

Das Wichtige sind die Patienten, die an Malaria oder vielen anderen typischen und unverwechselbaren Krankheiten leiden, welche der Student an der Seite des Arztes sehen wird.

Die Methode wurde mit überraschenden Ergebnissen getestet. Den über Jahre erworbenen Kenntnissen und der angehäuften Praxis hält nichts den Vergleich stand.

Die unentgeltliche Ausübung der Medizin ist in der Lage, jedes edle Herz zu gewinnen.

Kuba, das sich seit dem Sieg der Revolution um die Ausbildung von Ärzten, Lehrern und anderen Fachleuten gekümmert hat und weniger als 12 Millionen Einwohner zählt, hat heute mehr Ärzte in Integraler Allgemeinmedizin, als ganz Schwarzafrika Ärzte zur Verfügung hat, das mehr als 700 Millionen Einwohner zählt.

Man muss sich bewegt vor den Nachrichten verbeugen, die über das englische U-Boot erscheinen. Sie illustrieren unter anderem darüber, mit welch hoch entwickelten Waffen man danach strebt, die unhaltbare Ordnung aufrecht zu erhalten, die vom imperialen System der Vereinigten Staaten entwickelt wurde.

Man darf nicht vergessen, dass England über Jahrhunderte und bis vor sehr kurzer Zeit, die Königin der Meere war. Heutzutage ist das, was ihm von dieser privilegierten Position verbleibt, kaum ein Bruchteil der hegemonischen Macht seines Verbündeten und Führers, der Vereinigten Staaten.

Churchill sagte: Versenkt die Bismarck! Jetzt sagt Blair: Versenkt das, was vom Prestige von Großbritannien übrig ist!

Dazu oder zum Holocaust unserer Gattung wird sein „wunderbares U-Boot" dienen können werden.

Fidel Castro Ruz

21. Mai 2007

17.00 Uhr

Donnerstag, 17. Mai 2007

Reflexionen des Comandante en Jefe: Die einmütige Meinung

Bei dem 6. Hemisphären-Treffen in Havanna, als das Thema Biokraftstoff-Erzeugung aus Nahrungsmitteln diskutiert wurde, welche immer teurer werden, widersetzte sich die Mehrheit entrüstet. Aber es war unbestreitbar, dass einige Persönlichkeiten von Prestige, Personen, die Autorität besitzen, in gutem Glauben für die Idee gewonnen worden waren, dass die Biomasse des Planeten in sehr kurzer Zeit für Beides ausreichen würde, ohne an die Dringlichkeit zu denken, die Nahrungsmittel zu produzieren, die, an sich schon knapp, als Rohstoffe für das Äthanol und den Biodiesel dienen würden.

Aber als dagegen die Debatte zum Thema der Freihandelsverträge mit den Vereinigten Staaten eröffnet wurde, nahmen mehrere Dutzende Personen teil und alle verurteilten einstimmig sowohl die bilateralen als auch die multilateralen Formen solcher Abkommen mit der Imperialmacht.

Den zur Verfügung stehenden Platz berücksichtigend, verwende ich erneut die Synthese als Methode, um drei viel sagende Beiträge von lateinamerikanischen Persönlichkeiten darzulegen, die Konzepte von außerordentlichem Interesse zum Ausdruck brachten und sie haben dies mit großer Klarheit und Eigenartigkeit getan. Wie bei allen Synthesen der vorangegangenen Überlegungen werden die genauen Darlegungsformen der Autoren eingehalten.

ALBERTO ARROYO (Mexiko, Mexikanisches Aktionsnetz gegen Freihandel):

Ich möchte euch die neuen Pläne des Imperiums mitteilen und versuchen, den Rest des Kontinents vor etwas Neuem zu warnen, das im Entstehen ist bzw. das sich als eine neue Strategie für eine neue Etappe der Offensive der Vereinigten Staaten entwickelt. Der NAFTA bzw. Freihandelsabkommen von Nordamerika war einfach der erste Schritt von etwas, was es für den gesamten Kontinent wollte.

Der neue Versuch scheint die Niederlage nicht zu berücksichtigen, welche die Nichtdurchsetzung des Freihandelsabkommens für Amerika (ALCA) bedeutete. Das anerkennt das Imperium sogar in seinem Plan „B“, nämlich, dass es das, was es integrales ALCA gleichzeitig mit allen Ländern des Kontinents nennt, nicht durchsetzen konnte. Es wird versuchen, schrittweise vorzugehen und auf bilateraler Ebene Freihandelsverträge auszuhandeln.

Mit Mittelamerika gelang es ihm, diese zu unterzeichnen, aber Costa Rica hat ihn nicht ratifiziert. Im Fall des Andengebiets gelang es ihm nicht einmal, die Gesamtheit der Länder an den Verhandlungstisch zu setzen, sondern nur zwei, und mit diesen zwei hat es die Verhandlungen nicht abschließen können.

Was ist das Neue an der ASPAN (Allianz für Sicherheit und Wirtschaftsaufschwung in Nordamerika)? Drei Dinge scheinen mir grundlegend:

Erstens: Die Militär- und Sicherheitskonzepte zu stärken, um dem Widerstand der Völker zu begegnen. Das ist eben genau ihre Reaktion auf den Sieg der Bewegung, die ihre Pläne stoppt.

Es geht nicht nur darum, Militärstützpunkte in Gefahrenzonen oder in Gebieten mit wichtigen strategischen Naturreichtümern anzusiedeln, sondern mittels mit den Ländern vereinbarten Plänen zu versuchen, eine enge Koordination zu schaffen, um die Sicherheitskonzepte zu verbessern, was eine Art und Weise darstellt, den sozialen Bewegungen zu begegnen, als ob sie Kriminelle wären.

Das ist der erste neuartige Aspekt.

Zweites Element, das mir auch eine Neuheit scheint: Die großen Akteure dieses gesamten neoliberalen Konzepts waren immer direkt die Transnationalen. Die Regierungen, besonders die Regierung der Vereinigten Staaten, waren die Sprecher, die formell die Verhandlungen führten, aber in Wirklichkeit vertraten sie direkt die Interessen der Korporationen. Diese waren die großen hinter den Freihandelsverträgen (TLC) und dem ALCA-Projekt versteckten Akteure.

Die Neuheit im neuen ASPAN-Konzept ist, dass diese Akteure aus dem Schatten hervortreten, in den Vordergrund treten und dass sich diese Beziehung umkehrt: Die Unternehmensgruppen sprechen direkt miteinander, und zwar unter Teilnahme der Regierungen, die dann versuchen werden, ihre Abkommen in Politikleitlinien, in Änderungen der Verordnungen, in Gesetzesänderungen usw. umzusetzen. Es ist ihnen nicht mehr ausreichend, die öffentlichen Unternehmen privatisiert zu haben, jetzt privatisieren sie die Politik als solche. Es waren nie direkt die Unternehmer, welche die Wirtschaftspolitik bestimmten.

In der ASPAN beginnt eine Beratung, die, sagen wir mal, „ein Treffen für den Wirtschaftsaufschwung von Nordamerika “genannt wird. Das waren Zusammenkünfte von Unternehmern aus drei Nationen.

Eine der innerhalb der ASPAN abgeschlossenen Ausführungsvereinbarungen besteht darin, Drei-Nationen-Komitees zu schaffen. Zu ihnen gehören jene, welche sie „die Kapitäne der Industrie“ nennen, und zwar nach Branchen, damit diese einen strategischen Entwicklungsplan der Branche im Gebiet Nordamerika festlegen. Das heißt, Ford verdreifacht sich bzw. teilt sich in drei auf: Das direkte korporative Ford-Unternehmen in den Vereinigten Staaten, der Untergeschäftsführer von Ford in Mexiko, der Untergeschäftsführer von Ford in Kanada, und sie entscheiden die Strategie für die Automobilbranche in Nordamerika. Das ist die Korporation Ford, die mit einen Spiegel spricht, mit ihren Angestellten, mit ihren Geschäftsführern der Autowerke in Kanada und in Mexiko, um den strategischen Plan zu vereinbaren, den sie den Regierungen vorlegt, damit diese ihn übersetzen und in konkrete Wirtschaftspolitikleitlinien umsetzen.

Es ist ein Konzept vorhanden, den Gesichtspunkt der Sicherheit mit einzubegreifen. Also der zweite Punkt ist es, direkt die Verhandlungen zu privatisieren und der dritte neuartige Aspekt dieses Konzepts ist vielleicht der folgende, - um uns an einen Ausdruck unserer Klassiker-Großeltern zu erinnern, an jenen Ausdruck, wo Engels aufwarf, dass, wenn feststeht, dass die Mechanismen der formellen Demokratie dazu führen werden, dass das Volk kurz davor steht, die Macht zu übernehmen, so wie Null oder 100 auf dem Thermometer feststehen, dann ändern sich die Spielregeln: Entweder das Wasser gefriert oder es siedet; und trotzdem wir von den bürgerlichen Demokratien sprechen, sind sie es, die als Erste die Regeln brechen werden.

Die Freihandelsverträge müssen von den Parlamenten bestätigt werden, und die Tatsache ist die, dass sie auf immer größere Schwierigkeiten treffen, um von den Parlamenten ratifiziert zu werden, einschließlich vom Parlament des Imperiums, dem Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten.

Sie sagen, dass es sich hierbei nicht um einen internationalen Vertrag handelt, sodass dieser nicht über die Parlamente laufen müsse. Sie legen es stückweise vor, da sie Themen berühren, die den gesetzlichen Rahmen in unseren Ländern durcheinander bringen. Sie beschließen die Veränderung einer Gesetzgebung zu einem Zeitpunkt, und die einer anderen in einem anderen Augenblick. Sie setzen Erlasse der Exekutive, Veränderungen der Ausführungsregelungen, der Ausführungsnormen und Standards, niemals das gesamte Paket.

Die Freihandelsverträge - trotzdem sie hinter unserem Rücken ausgehandelt wurden und im Allgemeinen hinter dem Rücken der Völker - werden früher oder später in einem schriftlichen Text ausgedrückt, der den Parlamenten vorgelegt wird und wir erfahren, was sie vereinbart haben. Sie beabsichtigen, dass wir niemals erfahren, was sie vereinbart haben. Wir werden nur Stückchen der Strategie sehen, weil es nie in einem integrierten Text ausgedrückt werden wird.

Ich werde zum Schluss eine Anekdote erzählen, damit uns bewusst wird, welchen Grad der Sophisterei die Abkommen und die Ausführungsmechanismen zur Integration der Sicherheitsapparate erreicht haben.

Vor einiger Zeit flog ein Flugzeug mit Touristen, die nach Puerto Vallarte in Urlaub gingen, aus Toronto nach Mexiko ab. Als das Flugzeug auf der Startbahn war und sie die Passagierliste etwas genauer ansahen, stellten sie fest, dass jemand dabei war, der in der Terroristen-Liste von Bush steht.

Sobald das Flugzeug in den US-Luftraum einflog, – von Toronto bis zum US-Luftraum muss man nur die Großen Seen überfliegen, weiter ist das nicht, und in so einem Jet sind das ein paar Minuten – waren zwei F-16 an der Seite des Flugzeugs. Diese brachten es aus dem US-Luftraum hinaus, eskortierten es bis in mexikanisches Gebiet, zwangen es, auf dem Militärteil des Flughafens zu landen und nahmen jenen Herrn fest und brachten seine Familie zurück.

Ihr könnt euch sicher die Gefühle der armen 200 Touristen vorstellen, die dort waren, als sie an der Seite des Flugzeugs zwei bewaffnete F-16 auftauchen sahen, die es von seiner Route abbrachten.

Dann stellte sich heraus, dass es nicht der Terrorist war, den sie erwarteten und sagten zu ihm: „Entschuldigen Sie, Sie können weiter Urlaub machen, und holen sie ihre Familie, damit diese Sie begleitet.“

JORGE CORONADO (Costa Rica, Soziales Kontinentalbündnis)

Der Kampf gegen den Freihandel wird in der Region unter verschiedenen Gesichtspunkten geführt. Eines der vorgeschlagenen Vorhaben, die am stärksten auf die Unterwerfung zielen, d.h. Projekte in Bezug auf die Infrastruktur und die Aneignung unserer Artenvielfalt, ist der Plan Puebla-Panama, eine Strategie, die nicht nur auf die Aneignung unserer Ressourcen zielt, sondern Teil einer Militärstrategie des Imperiums ist und vom Süden von Mexiko bis nach Kolumbien reicht und Mittelamerika einschließt.

Im Kampf gegen die Wasserkraftwerk-Staudämme, welche die Gebiete der Indigenen und Bauern verdrängen und verletzen, gab es Fälle, wo durch militärische Gewalt verschiedene indigene und bäuerliche Gemeinden der Region verdrängt wurden.

Ein anderer Bestandteil unseres Kampfes erfolgt gegen den Bergbau. Kanadische, europäische und US-amerikanische transnationale Unternehmen sind dieser Strategie der Aneignung gefolgt.

Wir mussten der Privatisierung der öffentlichen Dienstleistungen begegnen: Strom, Wasser, Telekommunikation; im bäuerlichen Sektor den Kampf um das Saatgut führen, gegen die Patentierung von Lebewesen und gegen den Souveränitätsverlust in Bezug auf die gentechnisch veränderten Pflanzen und Tiere.

Wir haben gegen die Arbeitsflexibilität gekämpft, eine der Achsen, die auf die Branche gerichtet sind und, offensichtlich, gegen den Abbau insgesamt unserer kleinbäuerlichen Produktion.

Ebenfalls haben wir den Kampf gegen das Thema der Urheberrechte geführt, das unserer Sozialversicherung die Anwendung von generischen Medikamenten entzieht, die der Dreh- und Angelpunkt des Vertriebs sind, den unsere Sozialversicherungseinrichtungen in der Region unterhalten.

Ein zentraler Faktor in diesem Kampf gegen den Freihandel richtete sich gegen die Freihandelsverträge und besonders gegen die Freihandelsverträge mit den Vereinigten Staaten, die in Guatemala, in Honduras, in El Salvador und Nikaragua mit Feuer und Schwert verabschiedet wurden. Und das ist keine rhetorische Phrase.

In Guatemala wurden Kampfgenossen im Kampf gegen die Verabschiedung desselben ermordet. Dieser Kampf hat es uns ermöglicht, eine Achse zur Organisierung und Mobilisierung der umfassendsten Einheit der Volksbewegung in der Region abzusichern.

Im Fall des honduranischen Parlaments war es so, dass die Abgeordneten aus dem Parlament gingen und so den minimalen verfassungsrechtlichen Rahmen gesprengt haben.

Wir haben gesagt, d.h. innerhalb der Volksbewegung, dass das keine Niederlage bedeutet. Wir haben eine Schlacht verloren, aber das hat uns einen qualitativen Sprung bei der Organisation, bezüglich der Einheit und in der Kampferfahrung gegen den Freihandel ermöglicht.

Die Soziale Volksbewegung und das Volk von Costa Rica, die bis zum heutigen Tag die Verabschiedung des TLC in Costa Rica verhindert haben, indem sie eine Einheit verschiedener akademischer, politischer und sogar unternehmerischer Sektoren geschmiedet haben, um eine große nationale Kampffront zu schaffen, die verschiedenartig und heterogen ist. So ist es ihnen bis jetzt gelungen, die Regierung von Costa Rica und die neoliberale Rechte zu stoppen, die den TLC nicht verabschieden konnte. Jetzt wird die Möglichkeit unterbreitet, dass das Thema des TLC in Costa Rica durch eine Volksabstimmung entschieden wird.

Wir stehen, vom Gesichtspunkt der Macht aus gesehen, vor den Türen grundlegender Kampftage in Costa Rica, um den Fortschritt der neoliberalen Agenda zu verhindern. Eine Niederlage dieses Vertrags würde symbolisch bedeuten, weiter solche Siege hinzuzufügen, wie es derjenige war, der bedeutete den ALCA zum Stillstand zu bringen und ihn zu stoppen.

Heute fordern wir die Solidarität der Volksbewegung. Heute bitten wir die sozialen und Volksorganisationen, dass sie als internationale Beobachter nach Costa Rica kommen. Die Rechten schicken sich an, wann immer möglich, einen Betrug zu ermöglichen, der ihnen zum Sieg in einer bereits verlorenen Sache verhelfen soll. Deshalb wird es ein wichtiger Beitrag der aktiven und couragierten Solidarität mit unserem Kampf sein, dort seitens der Volksbewegung internationale Beobachter zu haben.

Heute, nach einem Jahr, hat der Freihandelsvertrag in Mittelamerika weder mehr Beschäftigung noch mehr Investitionen und auch keine besseren Bedingungen in der Handelsbilanz mit sich gebracht, in keinem dieser Länder. Heute stellen wir in der gesamten Region die Agrarreform, die Souveränität und die Ernährungssicherheit als Losung auf. Das ist ein zentraler Punkt für unsere vorrangig von der Landwirtschaft lebenden Länder.

Heute wollen sich nicht nur allein die Vereinigten Staaten von Amerika, sondern auch die europäischen Länder eine der Regionen mit der höchsten biologischen Vielfalt und den reichsten Naturvorkommen aneignen. Heute mehr denn je ist der Dreh- und Angelpunkt unserer verschiedenen Bewegungen in der mittelamerikanischen Region die Auseinandersetzung mit dem Freihandel in seinen vielfältigen Erscheinungsformen. Dieses Treffen möge daher zu Elementen der Meinungsäußerung, zu Kampflinien und Gemeinschaftsaktionen verhelfen, die es uns gestatten, in der gesamten Hemisphäre als geballte Kraft des Volkes voranzuschreiten.

Wir lassen in unseren Anstrengungen nicht nach, wenn es um unsere Organisations- und Kampfkraft geht, bis wir eine neue Welt geschaffen haben.

JAIME ESTAY (Chile, Koordinator des Studiennetzes für Weltwirtschaft (REDEM) und zur Zeit Professor an der Universität von Puebla, Mexiko)

Diese Krise hat letztendlich mit der offensichtlichen Nichterfüllung der Zusagen zu tun, die mit einer Reihe von Reformen im Zusammenhang standen und deren Anwendung auf Lateinamerika in den 80er Jahren begonnen hatte.

Auf der Fahne des Freihandels stand geschrieben, das wir ein Wachstum für unsere Wirtschaften erreichen würden, dass sich der Grad der Ungleichheit und der Abstand zwischen unseren und den fortgeschrittenen Ländern verringern würden, und schließlich, dass wir Entwicklungssprünge machen würden. In einigen Ländern sprach man sogar von Sprüngen bis in die Erste Welt.

Was die neue Integration oder diesen offenen Regionalismus anbetrifft, der vor 15 Jahren auf den Weg gebracht worden war, so sollte dieser die Integration Lateinamerikas bzw. das, was wir als lateinamerikanische Integration charakterisiert haben, in den Dienst der Öffnung stellen.

Es wurde ein ganzes Meinungsbild in dem Sinne entwickelt, dass man eine Integration schaffen müsse, um eine Öffnung zu erreichen, eine Integration, die nichts mehr mit der alten protektionistischen Integration gemein habe, sondern es müsse eine Integration sein, die zu besseren Bedingungen für eine Einbringung in die globale Wirtschaft führt, in diese Märkte, die angeblich als freie Märkte funktionieren und die bestmöglichen Ergebnisse für unsere Länder bringen sollten.

Jenes Verhältnis zwischen Integration und Öffnung, jene Idee, dass das oberste Ziel der Integration die Öffnung unserer Länder sein müsse, wurde in der Tat erfüllt; unsere Länder öffneten sich tatsächlich. Und das wirksame und leider auch zentrale Element der lateinamerikanischen Integration bestand darin, sie in den Dienst jener Öffnung zu stellen.

Einige Funktionäre sprachen von der so genannten „pragmatischen Etappe der Integration“. Dahinter stand ein bisschen die Losung: Wir schreiten in dem Maße voran, wie wir können. Wenn das, was wir wollen, darin besteht, mehr Handel zu treiben, konzentrieren wir unsere Anstrengungen auf die Erweiterung des Handels. Wenn das, was wir wollen, darin besteht, eine Reihe kleiner Verträge, bilateraler oder Verträge zwischen drei oder vier Ländern zu schließen, nehmen wir uns das vor. Und zu einem bestimmten Moment können wir das alles als lateinamerikanische Integration bezeichnen.

Die Bilanz ist eindeutig negativ. Ich glaube, es wird immer mehr anerkannt, und zwar auf verschiedenen Ebenen, dass das, was wir lateinamerikanische Integration genannt haben, keine Integration, sondern Handel ist. Und sie ist auch nicht lateinamerikanisch, sondern viel mehr ein Dickicht von unterzeichneten Verträgen zwischen verschiedenen Ländern des Kontinents, die in gar keiner Weise einen Prozess vorangetrieben haben, der einen echten lateinamerikanischen Charakter hat. Die Öffnung, in deren Dienst wir angeblich diese Integration stellen sollten, hat keines der Ergebnisse gezeitigt, die im Sinne von Wirtschaftswachstum, Verminderung der Ungleichheit und Erringung der so begehrlich erwarteten Entwicklung, die da eintreten sollte, angekündigt worden waren.

Was nicht von der Hand zu weisen ist, ist die Tatsache, dass wir uns einem Verfall einer Art Integration gegenüber sehen, die sehr klar definierte, wofür, wie und für wen hier etwas integriert werden sollte.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass wir von einer Integration sprechen, die auf den Fundamenten des Neoliberalismus erdacht wurde, die, sowohl an ihren eigenen Zielstellungen gescheitert ist als auch an den Zielen, auf die wir alle ein Recht haben sie einzufordern, um auf einen wahrhaftigen Integrationsprozess zu warten.

Die neue lateinamerikanische Integration stützte sich stark auf die Politik und die Vorschläge, die aus Washington kamen. In hohem Maße haben sich diese US-amerikanischen Vorschläge in etwas transformiert, das zum Schluss, seine eigene Schöpfung auffrisst. Allein die Tatsache, dass die Freihandelsverträge unterzeichnet werden sollen, bringt sowohl die Andenländer als auch den Gemeinsamen Zentralamerikanischen Markt in eine Krise.

Ein wichtiger Teil der Krise der gegenwärtigen lateinamerikanischen Integration hat mit dem Fortgang des US-amerikanischen Projektes in der Hemisphäre zu tun, der nicht auf dem Weg des ALCA erfolgt, das gebremst werden konnte, sondern auf dem Weg der Unterzeichnung verschiedener Freihandelsverträge.

Im Rahmen der Integration verstärkt sich immer mehr das Erscheinen von Alternativen. In vielerlei Hinsicht stützt sich die ALBA auf Prinzipien, die total anders sind als diejenigen, auf denen die in der Krise befindliche Integration beruht.

Es gibt noch viele Funktionen zu definieren und Grenzen zu ziehen: die Bedeutung solcher Konzepte wie „Freihandel“, „nationale Entwicklung“, Marktfreiheit“, „Sicherheit und Souveränität der Ernährung“ usw. Was sich bestätigt ist die Tatsache, dass wir uns auf unserem Kontinent bzw. in Lateinamerika einem wachsenden Widerwillen gegen die Vorherrschaft des Neoliberalismus gegenüber sehen.

Soweit die von diesen drei Persönlichkeiten zum Ausdruck gebrachten Meinungen, welche eine Synthese derjenigen sind, welche die Teilnehmer an der Debatte über die Freihandelsverträge äußerten. Das sind sehr stichhaltige Gesichtspunkte, die aus einer bitteren Realität erwachsen und meine Gedanken bereichert haben.

Ich empfehle den Lesern, ihr Augenmerk auf die Vielschichtigkeit des menschlichen Tuns zu legen. Es ist die einzige Form, weit voraus zu sehen.

Der Platz ist erschöpft. Ich darf heute kein weiteres Wort hinzufügen.

Fidel Castro Ruz,

16. Mai 2007

18:12 Uhr

Dienstag, 15. Mai 2007

Reflexionen des Comandante en Jefe: Unsere Erkenntnisse aus dem VI. Hemisphäre-Treffen in Havanna

María Luisa Mendonça präsentierte dem Treffen in Havanna den beeindruckenden Dokumentarfilm über den manuellen Schnitt des Zuckerrohrs in Brasilien.

Wie bei den vorangegangenen Betrachtungen habe ich, Abschnitte und Sätze des Originals benutzend, hier eine Zusammenfassung der wesentlichen Äußerungen von María Luisa vorbereitet.

Wir wissen, dass der zentrale Punkt der meisten Kriege der letzten Jahrzehnte in der Kontrolle über die Energiequellen liegt. Sowohl in zentralen als auch in Ländern der Peripherie ist der Verbrauch von Energie den privilegierten Schichten gewährleistet; hingegen hat der Großteil der Weltbevölkerung keine Möglichkeit des Erhalts der Grundleistungen. In den Vereinigten Staaten beträgt der Pro-Kopf-Verbrauch von Energie 13 000 kW, während der Weltdurchschnitt bei 2 429 kW und in Lateinamerika bei 1 601 kW liegt.

Das Privatmonopol auf Energiequellen wird gewährleistet vermittels der in den bilateralen und multilateralen Freihandelsabkommen enthaltenen Klauseln.

Die Rolle der peripheren Länder besteht darin, für die reichen zentralen Länder Energie zu produzieren, was eine neue Stufe des Kolonisierens darstellt.

Es macht sich erforderlich, die Propaganda für die angeblichen Vorteile der Agrobrennstoffe zu entmythologisieren. Bei Äthanol ist es so, dass Anbau und Verarbeitung des Zuckerrohrs die Böden und Trinkwasserquellen verseucht, denn es wird eine große Menge Chemikalien benutzt.

Bei der Spiritusherstellung entsteht ein Rückstand, die Schlempe, und zwar in der Größenordnung von 10 bis 13 Litern pro Liter Spiritus. Ein Teil dieses Rückstandes kann als Düngemittel Verwendung finden, doch der größte Anteil verunreinigt Flüsse und Grundwasserquellen. Produziert also Brasilien 17 oder 18 Milliarden Liter Spiritus pro Jahr, so bedeutet das, dass in den Regionen der Zuckerrohrplantagen mindestens 170 Milliarden Liter Schlempe deponiert werden. Man stelle sich die Auswirkungen auf die Umwelt vor.

Das Abbrennen des Zuckerrohrs zur Erleichterung der Ernte zerstört einen großen Teil der Mikroorganismen des Bodens, verschmutzt die Luft und verursacht Krankheiten der Atmungsorgane.

Das brasilianische Nationale Institut für Raumforschung verfügt fast alljährlich den Notstand in Sao Paulo – auf die Region entfallen 60 % der Spiritusproduktion Brasiliens, denn das Abbrennen verursacht ein extremes Sinken der Luftfeuchtigkeit auf Werte zwischen 13 und 15 Prozent und macht in der Region Sao Paulo, wo das Zuckerrohr geerntet wird, das Atmen unmöglich.

Großes Interesse an der Erweiterung der Produktion von Agroenergie haben, wie wir wissen, Unternehmen, die mit genetisch modifizierten oder transgenen Organismen arbeiten; so Monsanto, Syngenta, Dupont, Bass und Bayer.

In Brasilien hat das Unternehmen Votorantim Technologien zur Produktion eines transgenen – nicht essbaren – Zuckerrohrs entwickelt und wir wissen, dass viele andere Unternehmen sich mit der Entwicklung dieser gleichen Art Technologie befassen. Da nun die Verseuchung der normalen Anbauflächen durch die transgenen Organismen nicht vermieden werden kann, bedeutet dieses Vorgehen eine Gefahr für die Nahrungsmittelproduktion.

Im Zuge der Entnationalisierung des brasilianischen Staatsgebietes haben – neben den Megaunternehmern George Soros und Bill Gates – große Unternehmen Zuckerrohrplantagen erworben; so Bunge, Novo Group, ADM und Dreyfus.

Auch wissen wir, dass die Erweiterung der Spiritusproduktion die Vertreibung der Bauern von ihrem Grund und Boden verursacht und eine Abhängigkeit von der Zuckerrohrwirtschaft, wie wir es nennen, geschaffen hat; denn es ist nicht so, dass die Industrie des Zuckerrohrs Arbeitsplätze schafft. Das Gegenteil ist der Fall, sie schafft Arbeitslosigkeit, denn diese Industrie ist es, die das Territorium unter Kontrolle hat. Das bedeutet, es gibt keine Räume für andere Produktionsbereiche.

Gleichzeitig wird Propaganda entfaltet für die Effizienz dieser Industrie. Wir wissen, dass sie auf der Ausbeutung einer billigen und sklavischen Arbeitskraft basiert. Die Arbeiter werden je nach der Menge des geschnittenen Zuckerrohrs und nicht nach den gearbeiteten Stunden entlohnt.

Der Bundesstaat Sao Paulo verfügt über die – in Anführungsstrichen – modernste Industrie und ist der größte Produzent des Landes. Hier bewegt sich das Soll eines jeden Schnitters zwischen 10 und 15 Tonnen Zuckerrohr pro Tag.

Professor Pedro Ramos von der Universität Campinas hat folgende Berechnungen angestellt: In den 80er Jahren bewältigten die Schnitter etwa vier Tonnen pro Tag für mehr oder weniger fünf Dollar. Gegenwärtig müssen sie für drei Dollar pro Tag 15 Tonnen Zuckerrohr bringen.

In einer Studie des brasilianischen Ministeriums für Arbeit heißt es, dass früher 100 Quadratmeter Zuckerrohr 10 Tonnen ergaben und dass heute mit dem transgenen Zuckerrohr für 10 Tonnen 300 Quadratmeter zu bewältigen sind. So müssen also die Schnitter, um 10 Tonnen zu erzielen, das Dreifache arbeiten. Diese Ausbeutung hat bei den Arbeitern zu ernsten gesundheitlichen Problemen, ja bei manchen sogar zum Tode geführt.

Eine Ermittlerin des Ministeriums für Arbeit in Sao Paulo sagt, dass der Zucker und der Spiritus Brasiliens von Blut, Schweiß und Tod getränkt sind. Im Jahr 2005 hat das Ministerium für Arbeit in Sao Paulo 450 Todesfälle registriert, denen andere Ursachen zugrunde lagen; so Ermordungen und Unfälle, denn der Transport auf die Plantagen ist äußerst unsicher, wie auch Krankheiten wie Herzschlag und Krebs.

María Cristina Gonzaga recherchierte für diese Studie des Ministeriums für Arbeit, aus der ersichtlich wird, dass in den letzten fünf Jahren allein im Bundesstaat Sao Paulo 1 383 Zuckerrohrarbeiter verstorben sind.

Auch die Sklavenarbeit ist üblich in diesem Bereich. Die Arbeiter, von Vermittlern verlockt, stammen größtenteils aus dem Nordosten und aus Minas Gerais. Normalerweise gibt es keine Direktverträge mit dem Unternehmen, sondern diese werden über die Vermittler geschlossen – in Brasilien nennen wir sie „gatos“ – die die Arbeitskräfte für die Plantagen auswählen.

Im Jahr 2006 inspizierte die Staatsanwaltschaft 74 Plantagenkomplexe, alle in Sao Paulo, und im Ergebnis dieser Überprüfung wurde gegen alle Anklage erhoben.

Im Monat März dieses Jahres befreiten die Anwälte des Ministeriums für Arbeit in Sao Paulo 288 Personen aus ihren Lage Sklavereibedingungen.

Im gleichen Monat holten sie im Staat Mato Grosso 409 Arbeiter aus einer Spiritus produzierenden Zuckerrohrplantage. Unter ihnen befanden sich 150 Arbeiter der indigenen Bevölkerung. Hier im Landeszentrum, in Mato Grosso, ist es üblich, die Eingeborenen zur Sklavenarbeit im Zuckerrohr zu benutzen.

Jedes Jahr leiden Hunderte von Arbeitern auf den Zuckerrohrpflanzungen unter ähnlichen Bedingungen. Wie sehen diese Bedingungen aus? Sie arbeiten ohne offizielle Registrierung, ohne Arbeitsschutz, ohne Wasser und adäquate Verpflegung, ohne Zutritt zu Bädern und mit sehr erbärmlichen Unterkünften. Zahlen müssen sie für Unterkunft, Verpflegung, die sehr teuer ist, für Arbeitsmittel wie Schuhwerk und Machete, und bei Arbeitsunfällen, deren es sehr viele gibt, erhalten sie natürlich keine adäquate Behandlung.

Für uns besteht die Kernfrage in der Beseitigung des Latifundiums, denn hinter diesem modernen Image steht ein zentrales Problem, nämlich der Großgrundbesitz in Brasilien und natürlich auch in anderen lateinamerikanischen Ländern. Auch ist eine ernste Politik der Nahrungsmittelproduktion vonnöten.

Ich möchte Ihnen nun einen Dokumentarfilm zeigen, den wir mit Zuckerrohrarbeitern im Staat Pernambuco gedreht haben. Diese ist eine der Hauptregionen des Zuckerrohrs. Hier werden Sie sich selbst von den Bedingungen überzeugen.

Der Dokumentarfilm entstand unter Mitarbeit der Comisión Pastoral de la Tierra en Brasil und mehrerer Gewerkschaften der Forstarbeiter des Staates Pernambuco.

So endet der Vortrag der hervorragenden und applaudierten brasilianischen Führungspersönlichkeit.

Im Folgenden nun die Aussagen der Zuckerrohrschnitter, wie sie im Filmmaterial von María Luisa festgehalten sind. Werden die Personen im Film nicht identifiziert, so wird doch gesagt, ob es sich um einen Mann, eine Frau oder einen Jugendlichen handelt. Aufgrund ihres Umfangs werde ich nicht alle nennen.

Severino Francisco da Silva: Als ich 8 Jahre alt war, ging mein Vater auf die Zuckerrohrpflanzung El Junco. Und als ich kam – ich war noch keine neun Jahre alt – begann mein Vater zu arbeiten und ich schnürte die Bündel mit ihm. Auf der Pflanzung El Junco habe ich 14 oder 15 Jahre gearbeitet.

Eine Frau: Seit 36 Jahren lebe ich hier aus dieser Zuckerrohrpflanzung. Hier habe ich geheiratet und 11 Kinder zur Welt gebracht.

Ein Mann: Seit vielen Jahren schneide ich Zuckerrohr, ich kann nicht einmal zählen.

Ein Mann: Mit sieben Jahren begann ich zu arbeiten, und mein Leben ist das Schneiden von Zuckerrohr und Entfernen von Gestrüpp.

Junger Mann: Hier bin ich geboren, bin jetzt 23 Jahre alt, und mit neun Jahren begann ich, Zuckerrohr zu schneiden.

Eine Frau: 13 Jahre habe ich hier in Planta Salgado gearbeitet, Zuckerrohr gesät, Düngemittel ausgebracht, das Zuckerrohr gesäubert, Unkraut entfernt.

Severina Conceiçäo: Ich kann alle diese landwirtschaftlichen Arbeiten machen: düngen, Zuckerrohr anbauen. Ich habe das alles mit so einem dicken Bauch gemacht (Sie bezieht sich auf die Schwangerschaft) und mit dem Korb an meiner Seite habe ich weitergearbeitet.

Ein Mann: Arbeit? Alle Arbeiten sind schwierig, aber die Zuckerrohrernte ist das schlimmste was es in Brasilien gibt.

Edleuza: Wenn ich nach Hause komme, wasche ich ab, räume zu Hause auf, mache die Hausarbeiten, mache alle Arbeiten. Ich habe Zuckerrohr geschlagen und manchmal kam ich nach Hause und war nicht einmal in der Lage abzuwaschen, weil meine Hände vollkommen geschunden waren, voller Schwielen.

Adriano Silva: Es ist so, dass der Verwalter auf Arbeit sehr viel fordert. Manche Tage schlägt man Zuckerrohr und bekommt es bezahlt, aber es gibt Tage, an denen man nichts bezahlt kriegt. Manchmal ist es ausreichend, manchmal nicht.

Misael: Das hier ist eine böse Situation, der Verwalter versucht das Gewicht des Zuckerrohrs zu vermindern. Er sagte, dass wir das erhalten hätten, was wir gearbeitet hätten und fertig. Wir arbeiten wie die Sklaven, verstehen Sie? Auf diese Art und Weise geht’s nicht!

Marcos: Die Arbeit in der Zuckerrohrernte ist eine Sklavenarbeit, es ist eine schwierige Arbeit. Wir gehen um 3 Uhr früh los und kommen um 8 Uhr abends zurück. Das ist nur für den Besitzer gut, da er mit jedem Tag mehr verdient. Der Arbeiter verliert, wenn die Produktion geringer wird, und der Besitzer behält alles.

Ein Mann: Manchmal gehen wir schlafen, ohne uns gewaschen zu haben, es gibt kein Wasser. Wir baden in einem kleinen Bach hier, der dort unten lang fließt.

Ein Jugendlicher: Hier gibt es kein Brennholz zum Kochen. Jeder muss selbst losgehen, Brennholz besorgen, wenn er essen will.

Ein Mann: Das Mittagessen ist das, was man von zu Hause mitbringt. Man bringt ein Essen mit, und ist hier, unter dieser Sonne. Und man lebt so dahin und versucht hinzukommen.

Ein Jugendlicher: Wer viel arbeitet, braucht ausreichend Ernährung. Während der Besitzer der Zuckerfabrik Privilegien hat, vom Guten und Besten hat, leiden wir hier.

Eine Frau: Ich habe oft gehungert. Viele Nächte habe ich mich hungrig schlafen gelegt, manchmal hatte ich nichts zu essen, weder für mich noch für meine Tochter. Manchmal habe ich Salz besorgt, dass war das, was man am leichtesten bekommen konnte.

Egidio Pereira: Die Leute haben zwei oder drei Kinder, und wenn man sich nicht in Acht nimmt, stirbt man vor Hunger. Es reicht nicht zum Leben.

Ivete Cavalcante: Hier gibt es keinen Lohn. Für acht Reale muss man eine Tonne Zuckerrohr von den Blättern befreien. Man verdient, was man abzuschlagen in der Lage ist: Wenn man eine Tonne reinigt, dann verdient man acht Reale, es gibt keinen Festlohn.

Eine Frau: Lohn? Davon weiß ich nichts.

Reginaldo Souza: Manchmal zahlen sie uns Geld aus. Jetzt in der Saison bezahlen sie mit Geld, aber im Winter bekommen wir alles durch Bons, d.h. Gutscheine, bezahlt.

Eine Frau: Der Bon. Das geht so: Man arbeitet, er schreibt alles auf einem Zettel auf und gibt den der Person, damit diese im Laden kaufen kann. Die Person sieht das Geld nicht, das sie verdient.

José Luis: Der Verwalter macht mit den Leuten, was er will. Es ist so, dass ich ihn herbeigerufen habe, um „den Durchschnitt“ aus dem Zuckerrohr zu berechnen, aber er wollte nicht. Das heißt: in diesem Fall zwingt er die Person mit Gewalt zur Arbeit. So arbeitet diese gratis für das Unternehmen.

Clovis da Silva: Das macht uns fertig! Man schlägt einen halben Tag Zuckerrohr und glaubt, dass man ein bisschen Geld bekommen wird. Und wenn er kommt, um die Menge zu bestimmen, erfahren wir, dass die Arbeit nichts wert war.

Natanael: Der Lastwagen für den Viehtransport befördert hier Arbeiter und unter schlechteren Bedingungen als das Pferd des Besitzers. Denn wenn der Besitzer das Pferd auf den Lastwagen bringt, stellt er ihm Wasser hin, streut Sägespäne auf den Boden, damit das Pferd nicht seine Hufe verletzt, legt ihm Futter hin und eine Person zur Begleitung. Und die Arbeiter, die sollen irgendwie zurechtkommen: wenn die reingehen, wird die Tür zugemacht und fertig. Sie behandeln die Arbeiter, als ob diese Tiere wären. Das Programm „Pro-Álcool“ hilft den Arbeitern nicht, es hilft nur den Zuckerrohrlieferern, hilft den Besitzern und bereichert sie immer mehr. Denn wenn es Arbeitsplätze für die Arbeiter schaffen würde, das wäre für uns das Wichtigste, aber es schafft keine Arbeitsplätze.

José Loureno: Sie haben alle diese Macht, weil sie im Landes- oder Bundesparlament einen Politiker haben, der die Zuckerfabriken vertritt. Es gibt Besitzer, die Abgeordnete sind, Minister, Verwandte von Zuckerfabrikbesitzern und diese ermöglichen diese Situation für die Besitzer und für die Zuckerfabrikbesitzer.

Ein Mann: Unser Kampf scheint nie aufzuhören. Wir haben keinen Urlaub, kein Weihnachtsgeld, das geht alles verloren. Außerdem erhalten wir nicht einmal einen Viertellohn, was obligatorisch ist. Das ist das, womit wir die Anziehsachen zum Jahresende kaufen und eine Kleidung für die Kinder. Sie geben uns nichts dergleichen, und wir sehen, dass die Situation jeden Tag schwieriger wird.

Eine Frau: Ich bin als Arbeiterin eingetragen und hatte nie ein Anrecht auf irgendetwas, nicht einmal auf eine Krankschreibung. Wenn wir schwanger werden, haben wir ein Anrecht auf ärztliches Attest, aber ich hatte nicht dieses Recht, diese Garantie für die Familie. Ich hatte auch kein Weihnachtsgeld. Ich erhielt immer eine Kleinigkeit, dann habe ich es nicht mehr bekommen.

Ein Mann: Seit 12 Jahren zahlt er weder Weihnachtsgeld noch Urlaub.

Ein Mann: Man darf nicht krank werden, man arbeitet Tag und Nacht auf dem Lastwagen, beim Zuckerrohrschlagen, im Morgengrauen. Meine Gesundheit ist verloren gegangen, ich war kräftig.

Reinaldo: Einmal hatte ich nur Turnschuhe an, und als ich mit der Machete zuschlug, um das Zuckerrohr zu schlagen, traf ich meinen Zeh und habe mich geschnitten. Ich habe meine Arbeit beendet und bin nach Hause gekommen.

Ein Jugendlicher: Arbeitsstiefel gibt es nicht, es wird so gearbeitet. Viele arbeiten barfuss, es sind keine Arbeitsbedingungen vorhanden. Sie heben gesagt, dass die Zuckerfabrik Arbeitsstiefel spenden würde. Vor einer Woche hat er sich in den Fuß geschnitten (er zeigt auf den Mann), weil es keine Stiefel gibt.

Ein Jugendlicher: Ich war krank, ich war drei Tage lang krank. Ich bekam nichts bezahlt, sie haben mir nichts bezahlt. Ich bin zum Arzt gegangen und um ein Attest gebeten und sie haben es mir nicht gegeben.

Ein Jugendlicher: Es kam einmal ein Junge aus „Macugi“. Er arbeitete und währenddessen begann er sich plötzlich sehr schlecht zu fühlen und musste brechen. Die Anstrengungen sind groß, die sonne brennt sehr heiß und die Leute sind nicht aus Eisen, der menschliche Organismus hält das nicht aus.

Valdemar: Dieses Gift, das wir verwenden bringt viele Krankheiten mit sich (er spricht von den Unkrautvertilgungsmitteln). Es verursacht mehrere Krankheitsarten: Haut- und Knochenkrebs, es gelangt ins Blut und schädigt die Gesundheit. Es wird einem übel und schwindlig und man kann sogar umfallen.

Ein Mann: In den Zeitspannen zwischen den Ernten gibt es praktisch keine Arbeit.

Ein Mann: Man muss die Arbeit machen, die der Besitzer anordnet. Denn, wissen sie, wenn wir es nicht tun... Wir haben nichts zu sagen, sie geben die Befehle. Wenn sie einem eine Aufgabe zuteilen, dann muss man sie machen.

Ein Mann: Ich bin hier und hoffe darauf, dass ich eines Tages ein kleines Stück Land haben kann und so mein Leben auf dem Lande zu Ende leben kann, damit ich meinen Bauch voll kriege und die Bäuche meiner Kinder und meiner Enkel, die hier bei mir leben.

Gibt es vielleicht noch etwas Anderes?

Ende des Dokumentarfilms.

Niemand ist dankbarer für dieses Zeugnis als ich und für die Vorstellung von María Luisa, deren Zusammenfassung ich gerade erarbeitet habe. Das ruft mir die Erinnerungen meiner ersten Lebensjahre ins Gedächtnis, eines Alters, in dem die Menschen äußerst aktiv zu sein geruhen.

Ich wurde auf einem Zuckerrohr-Großgrundbesitz geboren. Es war ein Privateigentum, das im Norden, Osten und Westen von großen Ländereien umgeben war, deren Grund und Boden Eigentum von drei transnationalen US-Unternehmen war, die zusammen mehr als 250 000 Hektar Land besaßen. Das Zuckerrohr wurde manuell und grün geschlagen, damals verwendete man keine Unkrautvertilgungsmittel, nicht einmal Düngemittel. Eine Plantage konnte mehr als 15 Jahre Früchte bringen. Die Arbeitskraft war so billig, dass die Transnationalen viel Geld verdienten.

Der Eigentümer des Zuckerrohrlandguts, wo ich geboren wurde, war ein Einwanderer galicischer Herkunft aus einer einfachen Bauernfamilie, praktisch Analphabet. Er wurde zuerst anstelle eines Reichen als Soldat hergebracht, da jener bezahlte, um dem Militärdienst auszuweichen und am Ende des Krieges wurde er in die Heimat nach Galicien zurückgesendet. Er kaum auf eigene Faust nach Kuba zurück, wie es unzählige Galicier taten, die in lateinamerikanische Länder reisten. Er arbeitete als Landarbeiter einer wichtigen Transnationale, der United Fruit Company. Er hatte Voraussetzungen als Organisator, er rekrutierte eine große Anzahl Tagelöhner wie er selbst, wurde zum Unternehmer und kaufte schließlich mit dem kumulierten Mehrwert ein Grundstück im an das große US-Unternehmen im Süden angrenzenden Gebiet. Die kubanische Bevölkerung in der Ostregion, die viel Tradition im Unabhängigkeitskampf hat, hatte bedeutend zugenommen und ihr standen keine Ländereien zur Verfügung. Aber das Hauptgewicht der Landwirtschaft im Ostgebiet fiel zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts auf die Sklaven, die wenige Jahre vorher freigelassen worden waren, oder diejenigen, die von ehemaligen Sklaven abstammten und auf die Einwanderer aus Haiti. Die Haitianer hatten keine Familie. Sie lebten allein in ihren miserablen Häusern aus Palmblättern und –holzbrettern, die in Gehöften angeordnet waren und wo nur zwei oder drei Frauen unter ihnen lebten. Während der wenigen Monate der Zuckerrohrernte, wurden die Hahnenkämpfe eröffnet. Dort verspielten die Haitianer ihre miserablen Einkommen und den Rest verwendeten sie, um Lebensmittel zu kaufen. Diese waren teuer, da sie über viele Zwischenhändler gingen.

Der Eigentümer galicischer Herkunft wohnte dort, auf dem Zuckerrohrgut. Er hatte die Gewohnheit, durch die Plantagen zu gehen und sprach mit jedem, der das wollte oder der etwas wünschte. Er kam oft den Forderungen nach, und zwar mehr aus humanitären Gründen als aus wirtschaftlichen. Er konnte Entscheidungen treffen.

Die Verwalter der Plantagen der United Fruit Company waren US-Amerikaner, die sorgfältig ausgesucht worden waren und gut bezahlt wurden. Sie lebten mit ihren Familien in prächtigen Villen und an ausgesuchten Orten. Sie waren wie entfernte Götter, welche die hungrigen Arbeiter mit Ehrfurcht erwähnten. Man sah sie nie auf dem Feld, wo Zuckerrohr geschlagen wurde. Dort handelten seine Untergebenen. Die Aktienbesitzer der großen Transnationalen lebten in den Vereinigten Staaten oder an irgendeinem Ort auf der Welt. Die Ausgaben der Plantagen hatten ihr Budget und niemand konnte es auch nur einen Centavo erhöhen.

Ich kenne die Familie des Einwanderers galicischer Herkunft aus zweiter Ehe mit einer jungen sehr armen kubanischen Bäuerin sehr gut, die wie er nie zur Schule gehen konnte. Sie war sehr selbstlos und widmete sich sehr der Familie und den wirtschaftlichen Aufgaben der Plantage.

Diejenigen, die im Ausland diese Überlegungen im Internet lesen, werden überrascht sein, wenn sie erfahren, dass dieser Besitzer mein Vater war. Ich bin der dritte Sohn von den sieben Kindern dieser Ehe. Wir wurden in einem Zimmer eines Landhauses geboren, weit entfernt von irgendeinem Krankenhaus, nur von einer Hebamme betreut, einer Bäuerin, die sich mit Leib und Seele ihrer Aufgabe widmete und nur ihre praktischen Kenntnisse besaß. Alle jene Ländereien wurden von der Revolution dem Volk übergeben.

Ich möchte nur noch hinzufügen, dass wir das Nationalisierungsdekret des Patents für eine Pharmazeutische Multi für die Produktion und Vermarktung in Brasilien eines Medikaments gegen AIDS, das Efavirenz, das einen überhöhten Preis hat, vollkommen unterstützen – genau wie viele andere – sowie ebenfalls die kürzliche, gegenseitig befriedigende Lösung des Konflikts über die zwei Erdölraffinerien mit Bolivien.

Ich wiederhole, dass wir große Hochachtung vor dem brasilianischen Brudervolk hegen.



Fidel Castro Ruz

14. Mai 2007

17.12 Uhr

Donnerstag, 10. Mai 2007

Reflexionen des Comandante en Jefe: Die Debatte weitet sich aus

Der namhafte Denker der Linken Atilio Borón, der bis vor Kurzem den Lateinamerikanischen Rat der Sozialwissenschaften (CLACSO) führte, schrieb für das kürzlich in Havanna beendete VI. Hemisphäre-Treffen zum Kampf gegen die TLC und für die Integration der Völker einen Artikel, den er mir freundlicherweise mit einem Begleitschreiben zusandte.

Ausgehend von wortgetreu übernommenen Sätzen und Abschnitten seines Artikels habe ich den Kern seiner Ausführungen folgendermaßen zusammengefasst:

Bereits die vorkapitalistischen Gesellschaften kannten das Erdöl, das in Oberflächendepots lagerte und das sie zu nicht kommerziellen Zwecken wie zum Imprägnieren des Holzes für Schiffsrümpfe oder von Textilien oder für die Beleuchtung durch Fackeln. Daher auch seine ursprüngliche Bezeichnung „Erdöl“.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts – die großen Vorkommen in Pennsylvanien waren entdeckt und die technischen Entwicklungen realisiert, angekurbelt durch die allgemeine Einführung des Verbrennungsmotors – mutierte das Petroleum zum Energiewunder des 20. Jahrhunderts.

Die Energie gilt als eine Ware. Und das, auch Marx wie darauf hin, geschieht nicht infolge der Verderbtheit oder Herzlosigkeit dieses oder jenes einzelnen Kapitalisten, sondern es ist die Folge der Logik des Akkumulationsprozesses, der zum unaufhörlichen „Merkantilismus“ sämtlicher Bestandteile, materiellen Güter und Symbole des gesellschaftlichen Lebens neigt. Dieser Merkantilsystemprozess hat auch bei den Menschen nicht Halt gemacht und simultan auch die Natur mit einbezogen. Der Boden und seine Produkte, die Flüsse, Berge und Wälder waren Gegenstand seines unaufhaltsamen Raubzuges. Natürlich entgingen auch die Nahrungsmittel dieser höllischen Dynamik nicht. Der Kapitalismus macht alles zur Ware, was er in Reichweite bekommt.

Nahrungsmittel werden zu Energieträgern, um Vernunftwidriges einer Zivilisation zu ermöglichen, die zur Wahrung von Vermögen und Vorrechten einiger Weniger die Umwelt und den ökologischen Zustand, denen das Entstehen von Leben auf der Erde zu verdanken ist, brutal attackiert.

Das Verwandeln von Nahrungsmitteln in energetisches Material ist monströs.

Der Kapitalismus schickt sich an eine massive Euthanasie der Armen zu praktizieren; speziell der Armen des Südens, denn gerade hier befinden sich die größten Bestände der Erde an der zur Herstellung von Biobrennstoff erforderlichen Biomasse. Mögen auch die offiziellen Diskurse noch so stark versichern, es handle sich nicht um eine Wahl zwischen Nahrungsmitteln und Brennstoffen, so beweist doch die Realität, dass eben diese und keine andere die Alternative ist: der Boden wird entweder zur Nahrungsmittelproduktion oder zur Herstellung von Biobrennstoff benutzt.

Zum Thema der landwirtschaftlichen Nutzfläche und dem Verbrauch an Düngemitteln sind den Veröffentlichungen der FAO folgende Lehren zu entnehmen:

·In den kapitalistischen Industrieländern beträgt die landwirtschaftliche Nutzfläche pro Kopf der Bevölkerung das Doppelte der Fläche in der unterentwickelten Welt: 1,36 Hektar pro Person im industrialisierten Norden gegen 0,67 Hektar im Süden. Das erklärt sich aus der einfachen Tatsache, dass in der unterentwickelten Peripherie etwa 80 Prozent der Weltbevölkerung leben.

·Brasilien übersteigt leicht die Angaben der entwickelten Welt zur landwirtschaftlichen Nutzfläche pro Kopf der Bevölkerung. Es liegt auf der Hand, dass dieses Land riesige Stücke seiner riesigen Fläche darauf verwenden soll, um den Anforderungen des neuen energetischen Paradigma zu entsprechen.

·China und Indien verfügen über jeweils 0,44 und 0,18 Hektar pro Kopf.

·Die kleinen Antillenstaaten, die seit jeher die Monokultur des Zuckerrohrs betreiben, präsentieren beredt dessen Erosionswirkung, verdeutlicht an dem zur Aufrechterhaltung der Produktion erforderlichen extremen Düngemittelverbrauch pro Hektar. In den Ländern der Peripherie liegt der durchschnittliche Verbrauch bei 109 kg/ha (in den Industrieländern sind es 84 kg/ha), in Barbados sind es 187,5 kg, in Dominica 600 kg, in Guadalupe 1016 kg, in St. Lucía 1325 und in Martinique 1609 kg. Erwähnt man Düngemittel, so nimmt man damit auch Bezug auf verstärkten Erdölverbrauch. So scheint also der viel gepriesene Vorteil der Agroenergiestoffe zur Verminderung des Verbrauchs von Kohlenwasserstoffen mehr illusorisch als real.



Die landwirtschaftliche Nutzfläche der Europäischen Union insgesamt würde kaum für die Deckung von 30 Prozent des heutigen, nicht des künftigen Bedarfs -der voraussichtlich noch höher liegen wird-, vorausausreichend sein. In den Vereinigten Staaten müssten zur Deckung des heutigen Bedarfs an fossilen Brennstoffen für die Produktion von Agro-Energieressourcen 121 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche des Landes zur Verfügung gestellt werden.

Demzufolge wird das Angebot von Agrobrennstoff aus dem Süden kommen müssen, aus der armen und neokolonialen Peripherie des Kapitalismus. Die Berechnungen lügen nicht. Weder die Vereinigten Staaten noch die Europäische Union verfügen über entsprechenden Boden, um eine Erhöhung der Produktion von Nahrungsmitteln und Agrobrennstoffen gleichzeitig zu erzielen.

Die Entwaldung unserer Erde könnte – wenn auch nur zeitweilig – eine Vergrößerung der Anbaufläche bedeuten, doch im Höchstfalle nur für einige wenige Jahrzehnte. Dieses Land würde dann verwüsten, und die Situation wäre schlimmer als zuvor und würde das Dilemma zwischen der Produktion von Nahrungsmitteln und der von Äthanol oder Biodiesel nur noch verschärfen.

Der Kampf gegen den Hunger – etwa zwei Milliarden Menschen der Welt leiden Hunger – wird starke Auswirkungen der Erweiterung der Anbaufläche für Biobrennstoffe zu spüren bekommen. Die Länder, in denen diese Geisel ein allgemeines Phänomen ist, werden die schnelle Umwandlung der Landwirtschaft bezeugen, die die unersättliche Nachfrage nach Brennstoffen stillen will, wie sie von einer Zivilisation gefordert wird, die diese Brennstoffe vernunftlos einsetzt. Das Ergebnis kann kein anderes sein als die Verteuerung der Nahrungsmittel und demzufolge die Verschlechterung der sozialen Lage in den Ländern des Südens.

Außerdem nimmt die Weltbevölkerung jedes Jahr um 76 Millionen zu, die verständlicherweise Nahrungsmittel fordern werden, die von Mal zu Mal teurer und für sie nicht erreichbar sein werden.

In The Globalist Perspective prognostizierte Lester Brown vor weniger als einem Jahr, dass im Jahr 2006 der größte Teil der Steigerung der Weltgetreideproduktion von den Autos absorbiert werde. Von den 20 Millionen Tonnen Zuwachs, die zu den im Jahr 2005 vorhandenen kamen, wurden 14 Millionen für die Produktion von Brennstoff verwandt und nur sechs Millionen Tonnen für die Deckung der Bedürfnisse der Hungernden bestimmt. Der Autor versichert, der Appetit der Welt nach Treibstoff für die Autos sei unersättlich. Abschließend sagt Brown, es sei ein Szenarium in Vorbereitung, auf dem es unweigerlich zu einem Frontalangriff zwischen 800 Millionen glücklichen Autobesitzern und den Konsumenten der Nahrungsmittel kommen werde.

Der vernichtende Schlag der Verteuerung der Nahrungsmittel, die auf jeden Fall eintreten wird und zwar in dem Maße wie die Benutzung des Bodens erfolgt, für den Anbau von Nahrungsmitteln oder für die Produktion von Brennstoff. Das Thema behandelten C. Ford Runge und Benjamin Senauer, zwei angesehene Akademiker der Universität Minnesota in einem Artikel, veröffentlicht in der englischsprachigen Ausgabe der Zeitschrift Foreign Affairs. Die Überschrift des Artikels spricht für sich: „Die Art, wie die Biobrennstoffe die Armen aushungern“. Die Autoren führen aus, dass in den Vereinigten Staaten das Wachstum der Agrobrennstoff Industrie zu Preissteigerungen bei Mais, Ölsamen und anderen Getreidearten, sondern auch bei Anbau und Produkten, die offenbar nichts damit zu tun haben. Die Benutzung des Landes für den Anbau von Mais, der den Äthanolschlund nährt, beschneidet die Fläche anderer Pflanzungen. Die Verarbeiter von Nahrungsmitteln, die Erbsen und zarten Mais benutzen, mussten, um die Lieferungen zu sichern, höhere Preise zahlen. Langfristig werden diese Kosten den Verbrauchern zufallen. Von den höheren Nahrungsmittelpreise werden auch die Industrien der Vieh- und Geflügelzucht betroffen. Die höheren Kosten hatten einen steilen Fall der Einnahmen zur Folge, speziell in den Bereichen Geflügel- und Schweinezucht. Sinken die Einnahmen weiter, wird selbiges auch in der Produktion zu verzeichnen sein, und die Preise für Hühnchen, Pute, Schweinefleisch, Milch und Eier werden steigen. Es wird vorausgesagt, dass die verheerendsten Auswirkungen der Preiserhöhung bei Nahrungsmitteln speziell in den Ländern der Dritten Welt zu spüren sein werden.

Laut einer Studie des Belgischen Amtes für Wissenschaftliche Angelegenheiten bewirkt Biodiesel mehr Schaden auf Gesundheit und Umwelt, denn er schafft eine noch stärker pulverisierte Verschmutzung und setzt mehr die Ozonschicht zerstörende Schadstoffe frei.

Zum Argument der vermeintliche Gutartigkeit der Agrobrennstoffe, bewies Victor Bronstein, Dozent der Universität Buenos Aires:

·Es stimmt nicht, dass Biobrennstoffe eine erneuerbare und ewige Energiequelle sind, denn der wesentliche Faktor für das Wachstum der Pflanzen ist nicht das Sonnenlicht, sondern die Verfügbarkeit von Wasser und die geeignete Bodenbeschaffenheit. Wäre dem nicht so, dann könnte Mais und Zuckerrohr in der Sahara angebaut werden. Die Auswirkungen einer Großproduktion von Biobrennstoffen werden verheerend sein.

· Es stimmt nicht, dass sie nicht verschmutzen. Wenn auch Äthanol weniger Kohlenstoffemissionbewirkt, so verschmutzt andererseits sein Herstellungsprozess die Oberfläche und das Wasser mit Nitraten, Herbiziden, Pestiziden und Abfall, und die Luft wird verschmutzt mit krebserregenden Aldehyden und Alkoholen. Die Annahme von einem „grünen und sauberen“ Brennstoff ist Betrug.

Der Vorschlag der Agrobrennstoffe ist nicht gangbar und außerdem ist er ethisch und politisch gesehen nicht akzeptierbar. Doch ihn zurückweisen, reicht nicht aus. Wir sind zur Umsetzung einer neuen Energierevolution berufen, die jedoch im Dienste der Völker und nicht im Dienst der Monopole und des Imperialismus stehen muss. Diese ist wahrscheinlich die bedeutendste Herausforderung der Stunde, schließt Atilio Borón.

Wie man sieht, hat die Zusammenfassung doch Raum in Anspruch genommen. Vonnöten ist Raum und Zeit. Faktisch ein Buch. Es heißt, das Meisterwerk des Schriftstellers Gabriel García Márquez, Cien Años de Soledad (Hundert Jahre Einsamkeit), das ihn berühmt machte, erforderte von ihm fünfzig Seiten für jede einzelne an den Verleger gesandte Seite. Wieviel Zeit brauchte also meine arme Feder, um die aus materiellem Interesse, aus Unwissen, aus Indifferenz oder mitunter aus diesen drei Gründen agierenden Verfechter dieser verhängnisvollen Idee zu widerlegen und die stichhaltigen und ehrenhaften Argumente derer zu verbreiten, die für das Leben der Gattung Mensch kämpfen?

Es gibt sehr bedeutende Meinungen und Standpunkte, die auf dem Treffen in Havanna dargelegt wurden. Man wird über jene sprechen müssen, die in einem Dokumentarfilm ein reales Bild vom Handschneiden des Zuckerrohrs mitbrachten. Der Film scheint ein Abbild von Dantes „Hölle“. Täglich wächst die Anzahl von Meinungen, die in die Medien überall auf der Welt einfließen, von Institutionen wie den Vereinten Nationen bis hin zu nationalen Gesellschaften von Wissenschaftlern. Ich sehe schlicht und einfach, dass die Debatte um sich greift. Die Tatsache, dass über das Thema diskutiert wird, ist an sich bereits ein bedeutsamer Fortschritt.



Fidel Castro Ruz 9. Mai 2007

(17:47 Uhr)

Dienstag, 8. Mai 2007

Reflexionen des Comandante en Jefe: Die Tragödie, die unsere Gattung bedroht

Ich kann nicht wie ein Volkswirt bzw. Wissenschaftler sprechen. Ich tue es einfach als ein Politiker, der die Argumente der Volkswirte oder Wissenschaftler in dem einen oder anderen Sinn ergründen will. Ich versuche ebenfalls die Motivation von jedem derjenigen zu erkennen, der sich über diese Themen äußert. Vor nur zweiundzwanzig Jahren führten wir in Havanna eine große Anzahl von Treffen mit führenden Persönlichkeiten aus der Politik und Führern der Gewerkschaften und der Bauern- und Studentenorganisationen durch, die als Vertreter der genannten Sektoren in unser Land eingeladen waren. Alle stimmten darin überein, dass die riesige 1985 angehäufte Auslandsschuld der Länder Lateinamerikas das größte Problem zu jenem Zeitpunkt war. Jene Schuld betrug 350 Milliarden Dollar. Damals besaßen die Dollar eine viel höhere Kaufkraft als der heutige Dollar.



Wir schickten allen Regierungen der Welt Abschriften der Ergebnisse jener Treffen –mit einigen Ausnahmen, logischerweise, denn es hätte beleidigend erscheinen können. Zu jener Zeit hatten die Petro-Dollar den Markt überflutet und die großen transnationalen Banken forderten praktisch von den Ländern die Aufnahme sehr hoher Darlehen. Es ist überflüssig zu sagen, dass die Wirtschaftsbeauftragten solche Verpflichtungen akzeptierten ohne jemand um Rat zu fragen. Jene Zeitperiode fiel mit der Herrschaft der repressivsten und blutigsten Regierungen zusammen, die unser Kontinent je erlitten hat und die vom Imperialismus aufgezwungen worden waren. Sehr hohe Summen wurden für Waffen, Luxus und Konsumgüter ausgegeben. Die anschließende Verschuldung stieg auf 800 Milliarden Dollar, während die jetzigen katastrophalen Gefahren erzeugt wurden, die auf einer Bevölkerung lasten, die sich in kaum zweieinhalb Jahrzehnten verdoppelt hat und hiermit die Zahl derjenigen, die verurteilt sind, in äußerster Armut zu leben. Lateinamerika ist heute das Gebiet der Welt, wo der Unterschied zwischen den meist begünstigten Bevölkerungsschichten und denen der geringsten Einkommen am größten ist.



Schon lange vor dem, was jetzt zur Debatte steht, konzentrierte sich der Kampf der Dritten Welt auf solche ebenfalls beängstigende Probleme wie den ungleichen Handel. Jahr für Jahr wurde entdeckt, dass die Preise der Exportartikel der Industrieländer, die im Allgemeinen aus unseren Rohstoffen hergestellt werden, einseitig stiegen, während die unserer Grundexportartikel gleich blieben. Der Kaffee und der Kakao – um zwei Beispiele zu nennen – erreichten ungefähr 2 000 Dollar pro Tonne. Man konnte in Städten wie New York eine Tasse Kaffee, ein Schoko-Mixgetränk für wenige Cent trinken; heutzutage verlangt man hierfür mehrere Dollar, vielleicht 30 bzw. 40 Mal den Preis von damals. Um einen Traktor, einen LKW, ein medizinisches Gerät zu erwerben, benötigt man heute für den Import als Äquivalenz das mehrfache Volumen an Erzeugnissen wie damals; ein ähnliches Schicksal erlitten die Jute und Agavefasern und andere in der Dritten Welt erzeugte Fasern, die durch synthetische ersetzt wurden. Während das gegerbte Leder, der Kautschuk und die für viele Stoffe verwendeten Naturfasern durch synthetisches Material der hoch entwickelten petrochemischen Industriezweige ersetzt wurden. Durch die hohen Subventionen der Industrieländer für ihre Landwirtschaft befanden sich die Zuckerpreise auf einem Tiefstand.



Die ehemaligen Kolonien bzw. Neokolonien, denen man nach dem Zweiten Weltkrieg eine wunderbare Zukunft versprochen hatte, waren noch nicht von den Illusionen von Bretton Woods erwacht. Das System war von Kopf bis Fuß für die Ausbeutung und Ausplünderung entworfen worden.



Zu Beginn dieser Bewusstwerdung waren solche weitere, äußerst widrige Faktoren noch nicht aufgetaucht, wie z. B. die, dass die Industrieländer so einer unerwarteten Energievergeudung erliegen würden. Jene zahlten weniger als zwei Dollar pro Barrel. Die Quelle des Kraftstoffs lag - mit Ausnahme der Vereinigten Staaten, wo er sehr reichlich vorhanden war – hauptsächlich in Ländern der Dritten Welt, vor allem im Mittleren Osten, außerdem in Mexiko, Venezuela und später in Afrika. Aber nicht alle Länder, die kraft einer weiteren frommen Lüge als „Entwicklungsländer“ bezeichnet wurden, waren Erdöl-Länder, 82 von ihnen sind die ärmsten und sind in der Regel gezwungen, Erdöl zu importieren. Sodass eine schreckliche Situation auf sie zukommt, wenn die Nahrungsmittel in Biokraftstoffe verwandelt werden, bzw. in Agro-Kraftstoffe, wie die Bewegungen der Bauern und indigenen Bevölkerung unserer Region sie zu bezeichnen vorziehen.



Die Idee der Erderwärmung als Damoklesschwert, das über dem Weiterbestehen unserer Gattung hängt, war vor kaum 30 Jahren für die riesige Mehrheit der Erdbevölkerung nicht einmal bekannt; selbst heute ist noch sehr große Ignoranz und Verwirrung über diese Themen vorhanden. Wenn man die Sprecher der Transnationalen und ihren Medien hört, dann leben wir in der besten der Welten: eine vom Markt beherrschte Wirtschaft, mehr transnationales Kapital, mehr hoch entwickelte Technologie bedeuten ein stetiges Wachstum der Produktivität, des BIP, des Lebensniveaus und aller Träume der Welt für die menschliche Gattung. Der Staat soll bei nichts eingreifen, er sollte sogar besser nicht vorhanden sein, ausgenommen als Instrument des großen Finanzkapitals.



Aber die Realitäten sind hartnäckig. Deutschland, eines der höchst entwickelten Industrieländer der Welt, wird durch die Tatsache um den Schlaf gebracht, dass 10 Prozent seiner Bevölkerung arbeitslos ist. Die härtesten und am wenigsten verlockenden Arbeiten werden von den Immigranten ausgeführt, die aus Verzweiflung in ihrer wachsenden Armut durch jedes mögliche Schlupfloch in das industrialisierte Europa eindringen. Scheinbar berechnet niemand die Zahl der Erdeinwohner, die eben genau in den nicht entwickelten Ländern zunimmt.



Mehr als 700 Vertreter von sozialen Organisationen waren gerade zu einem Treffen in Havanna zusammengekommen, um mehrere der Themen zu diskutieren, die bei diesen Überlegungen angesprochen werden. Viele von ihnen haben ihre Standpunkte dargelegt und uns unlöschbare Eindrücke hinterlassen. Es ist ein reichhaltiges Material zum Nachdenken vorhanden, und zwar außer den jeden Tag sich ereignenden neuen Geschehnissen.



Gerade jetzt wollten, als Folge der Freilassung eines Terror-Monsters, zwei junge Menschen, die eine Rechtspflicht beim aktiven Wehrdienst erfüllten, das Konsumverhalten in den Vereinigten Staaten genießen. Sie haben einen Omnibus angegriffen, schlugen mit Gewalt eine der Eingangstüren zum Terminal für Inlandsflüge des Flughafens ein, gelangten bis zu einem Zivilflugzeug, drangen mit den Geiseln dort ein und forderten die Beförderung in US-amerikanisches Gebiet. Einige Tage vorher hatten sie einen auf Posten stehenden Soldaten ermordet, um zwei Selbstladegewehre zu rauben, und im Flugzeug selbst nahmen sie mit vier Schüssen einem mutigen Offizier das Leben, der unbewaffnet war und den sie im Omnibus als Geisel gefangen genommen hatten und der die Flugzeugentführung zu verhindern suchte. Die Straflosigkeit und die materiellen Vorteile, mit denen seit fast einem halben Jahrhundert jede gewalttätige Aktion gegen Kuba belohnt werden, stimuliert solche Taten. Seit vielen Monaten geschah nichts dergleichen. Die außergewöhnliche Freilassung des bekannten Terroristen war ausreichend, dass der Tod erneut unsere Familien aufsucht. Die Täter wurden noch nicht vor Gericht gestellt, weil sie bei den Ereignissen beide verletzt wurden, und zwar einer von ihnen durch Schüsse, die beim Kampf gegen den heldenhaften Offizier der Streitkräfte von dem anderen im Flugzeug abgegebenen wurden. Viele Menschen im Ausland warten auf die Reaktion der Gerichte und des Staatsrats angesichts eines über die Ereignisse tief entrüsteten Volkes. Es ist eine ganze Menge Gelassenheit und Kaltblütigkeit notwendig, um solchen Problemen zu begegnen.



Der apokalyptische Chef des Imperiums erklärte vor mehr als fünf Jahren, dass die Streitkräfte der Vereinigten Staaten bereit sein sollten, um vorbeugend und überraschend 60 oder mehr Länder der Welt anzugreifen. Es handelt sich hierbei um nicht weniger als ein Drittel der internationalen Gemeinschaft. Scheinbar reichen ihm der Tot, das Foltern und das Exil von Millionen Menschen nicht aus, um sich der Naturreichtümer und der Früchte der Arbeit anderer Völker zu bemächtigen.



Während dessen hat das beeindruckende internationale Treffen, das gerade in Havanna stattfand, in mir eine persönliche Überzeugung bestätigt: jede unheilvolle Idee muss vernichtenden Kritiken unterworfen werden, und zwar ohne jegliche Konzession.



Fidel Castro Ruz

7. Mai 2007

17.42 Uhr

Dienstag, 1. Mai 2007

Reflexionen des Comandante en Jefe: Eine sofortige Energierevolution ist unbedingt notwendig

Ich habe nichts gegen Brasilien. Für nicht wenige Brasilianer - denen man unaufhörlich solche Argumente in dem einen oder anderen Sinn einhämmert, die vielleicht Menschen verwirren können, die traditionell Freunde Kubas sind – würden wir als Miesmacher dastehen, denen es nichts ausmacht, das Nettoeinkommen in ausländischer Währung dieses Landes zu beeinträchtigen. Ein Schweigen meinerseits wäre für mich so, als ob ich zwischen der Idee einer Welttragödie und einem angeblichen Nutzen für das Volk dieser großen Nation wählen würde.

Ich werde nicht Lula und den Brasilianern die Schuld an den objektiven Gesetzen geben, die die Geschichte unserer Gattung beherrscht haben. Es sind kaum siebentausend Jahre vergangen, seitdem der Mensch klare Spuren davon hinterließ, was zu einer an Bildung und technischen Kenntnissen unermesslich reichen Kultur wurde. Ihre Fortschritte wurden weder gleichzeitig noch am gleichen geographischen Ort erreicht. Man kann behaupten, dass aufgrund der anscheinend unermesslichen Größe unseres Planeten in vielen Fällen das Vorhandensein der einen oder anderen Kultur unbekannt war. Nie zuvor während einigen tausend Jahren lebte der Mensch in Städten mit zwanzig Millionen Einwohnern wie z.B. Sao Paulo oder Mexico-City, oder in solchen Großstädten wie Paris, Madrid, Berlin und anderen, in denen man Züge auf Schienen und Luftkissen bei Geschwindigkeiten über 400 Stundenkilometern verkehren sieht.

Zu Zeiten von Christoph Kolumbus, vor kaum 500 Jahren, gab es einige dieser Städte noch nicht oder ihre Bevölkerungszahl betrug weniger als einige Zehntausend. Keine von ihnen verbrauchte auch nur ein Kilowatt, um ihre Haushalte zu beleuchten. Wahrscheinlich zählte die Weltbevölkerung damals weniger als 500 Millionen Einwohner. Es ist bekannt, dass sie 1830 die erste Milliarde erreichte, einhundertdreißig Jahre danach hatte sie sich verdreifacht und noch sechsundvierzig Jahre später betrug die Bevölkerung unseres Planeten 6,5 Milliarden. Die riesige Mehrheit hiervon sind Arme, die ihre Nahrungsmittel mit den Haustieren teilen müssen und von jetzt an mit den Biokraftstoffen.

Damals verfügte die Menschheit nicht über solche Fortschritte wie die bis zum jetzigen Zeitpunkt erreichten bei der EDV und den Medien. Obwohl schon die ersten Atombomben über zwei große Menschensiedlungen abgeworfen worden waren, was einen brutalen Terrorakt gegen die wehrlose Zivilbevölkerung darstellte, und zwar aus rein politischen Erwägungen.

Heute gibt es auf der Welt zehntausende Atombomben, die fünzigmal wirkungsvoller sind, auf Trägern, die eine mehrfache Schallgeschwindigkeit erreichen und absolute Präzision besitzen und mit denen unsere hoch entwickelte Gattung sich selbst zerstören kann. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges, den die Völker gegen den Faschismus führten, entstand eine neue Macht, die sich der Welt bemächtigte und die jetzige absolutistische und grausame Weltordnung aufzwang.

Bevor Bush nach Brasilien reiste, legte der Chef des Imperiums fest, dass der Mais und andere Nahrungsmittel die angebrachten Rohstoffe zur Herstellung von Biokraftstoffen seien. Lula erklärte seinerseits, dass Brasilien vom Zuckerrohr ausgehend soviel liefern könne, wie notwendig sei. Er sah in dieser Formel eine Zukunft für die Dritte Welt und als einziges zu lösendes ausstehendes Problem dabei, die Lebensbedingungen der Zuckerrohrarbeiter zu verbessern. Es war ihm wohl bewusst, und so erklärte er es, dass die Vereinigten Staaten ihrerseits die Zollschranken und Subventionen aufheben müssten, die die Ausfuhr des Äthanols in die Vereinigten Staaten behindern.

Bush antwortete, dass die Tarife und Subventionen für die Landwirte in einem Land wie den Vereinigten Staaten, dem weltgrößten Äthanol-Hersteller aus Mais, unantastbar seien.

Die großen transnationalen US-Unternehmen, die Hersteller dieses Biokraftstoffes sind und die beschleunigt Dutzende Milliarden Dollar investieren, hatten vom Chef des Imperiums den Vertrieb von mindestens fünfunddreißig Milliarden (35 000 000 000) Gallonen dieses Kraftstoffs pro Jahr auf dem US-amerikanischen Markt gefordert. Schutzzolltarife und reale Subventionen zusammen werden pro Jahr fast einhundert Milliarden Dollar erreichen.

Unersättlich in ihrem Bedarf hatte das Imperium die Losung in die Welt lanciert, Biokraftstoffe zu erzeugen, um die Vereinigten Staaten, den größten Energieverbraucher der Welt, von jeglicher äußerlicher Abhängigkeit bezüglich der Kohlenwasserstoffe zu befreien.

Die Geschichte zeigt, dass die Zuckerrohr-Monokultur eng an die Sklaverei der Afrikaner gebunden war, die mit Gewalt ihren natürlichen Gemeinschaften entrissen und nach Kuba, Haiti und auf andere Inseln der Karibik gebracht wurden. In Brasilien geschah genau dasselbe mit dem Zuckerrohranbau.

Heutzutage wird in diesem Land fast 80% des Zuckerrohrs handgeschlagen. Von brasilianischen Forschern beigesteuerte Quellen und Untersuchungen behaupten, dass ein Zuckerrohrschläger, ein Akkordarbeiter, mindestens zwölf Tonnen erzeugen muss, um elementare Bedürfnisse zu decken. Dieser Arbeiter muss 36 630 Kniebeugen machen, 800 Mal kleine Wegstrecken laufen und dabei 15 Kilo Zuckerrohr mit seinem Armen tragen und bei seiner schweren Arbeit 8 800 Meter laufen. Sein durchschnittlicher täglicher Wasserverlust beträgt 8 Liter. Nur bei abgebrannten Zuckerrohrfeldern kann diese Produktivität pro Arbeiter erreicht werden. Das hand- oder maschinengeschnittene Zuckerrohr wird normalerweise abgebrannt, um das Personal vor schädlichen Bissen und Stichen zu schützen und vor allem, um die Produktivität zu erhöhen. Obwohl es eine festgelegte Arbeitszeit von 8 bis 17 Uhr gibt, um diese Aufgabe zu erfüllen, muss man bei Akkordarbeit um die 12 Stunden arbeiten. Die Temperatur erreicht mittags manchmal bis zu 45 Grad Celsius.

Ich persönlich habe recht oft aus moralischer Verpflichtung Zuckerrohr geschnitten, genau wie viele andere leitende Genossen des Landes. Ich kann mich an den Monat August des Jahres 1969 erinnern. Ich hatte einen Ort in der Nähe der Hauptstadt gewählt. Ich ging jeden Tag sehr früh dorthin. Das nicht abgebrannte Zuckerrohr war grün, eine zeitige Sorte mit hohem landwirtschatlichen und industriellen Ertrag. Ich schnitt vier Stunden ohne eine Minute Pause. Jemand übernahm das Schärfen der Machete. Nicht ein einziges Mal habe ich weniger als 3,4 Tonnen täglich geschnitten. Anschließend duschte ich , aß in aller Ruhe zu Mittag und erholte mich an einem Ort ganz in der Nähe. Ich gewann mehrere Kupons für die berühmte Zuckerrohrernte von 1970. Ich war damals gerade 43 Jahre alt geworden. Die andere Zeit bis zum Schlafengehen widmete ich meinen revolutionären Pflichten. Ich unterbrach jene persönlichen Anstrengungen, als ich mir eine Wunde am linken Fuß zuzog. Die gut geschliffene Machete hatte die Schutzstiefel durchbohrt. Das Ziel des gesamten Landes war es, ungefähr 10 Millionen Tonnen Zucker zu erreichen und 4 Millionen Tonnen Melasse als Nebenprodukt. Das wurde nie erreicht, obwohl wir diesem Ziel nahe kamen.

Die UdSSR war noch nicht verschwunden, das schien unmöglich zu sein. Die Sonderperiode, die uns in einen Kampf zum Überleben führte und wirtschaftliche Ungleichheiten mit den ihnen innewohnenden Korruptionsbestandteilen brachte, war noch nicht aufgekommen. Der Imperialismus glaubte, die Stunde sei gekommen, um der Revolution den Gnadenstoß zu versetzen. Es muss auch ehrlicherweise bekannt werden, dass wir in den Jahren des wirtschaftlichen Aufschwungs zu verschwenden lernten und das Maß an Idealismus und Träumen, die unseren heroischen Prozess begleiteten, war nicht gering.

Die hohen landwirtschaftlichen Erträge der Vereinigten Staaten wurden durch Fruchtfolge der Körnerfrüchte (Mais, Weizen, Hafer, Hirse und andere ähnliche Körner) mit den Hülsenfrüchten (Sojabohnen, Luzerne, Bohnen usw. usf.) erreicht. Diese bringen Stickstoff und organische Substanzen in den Boden ein. Angaben der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) zufolge erreichten die Vereinigten Staaten im Jahr 2005 bei Mais Erträge von 9,3 Tonnen pro Hektar.

In Brasilien erreicht man nur 3 Tonnen dieses Korns auf der gleichen Landfläche. Die verbuchte Gesamtproduktion dieses Bruderlandes betrug dieses Jahr vierunddreißig Millionen sechshunderttausend Tonnen, die im Land als Nahrungsmittel verbraucht wurden. Es kann keinen Mais für den Weltmarkt beisteuern.

Die Preise dieses Korns, das Hauptnahrungsmittel zahlreicher Länder dieser Region ist, haben sich fast verdoppelt. Was wird geschehen, wenn hunderte Millionen Tonnen Mais zur Herstellung von Biokraftstoffen verwendet werden? Und ich werde nicht die Mengen an Weizen, Hirse, Hafer, Gerste, Moorhirse und anderen Getreidearten nennen, welche die Industrieländer als Kraftstoffquelle für ihre Motoren verwenden werden.

Hierzu kommt noch, dass es für Brasilien sehr schwierig ist, die Rotation von Mais mit Hülsenfrüchten durchzuführen. Von den brasilianischen Bundesstaaten, die ihn traditionell erzeugen, erreichen acht von ihnen neunzig Prozent der Produktion: Paraná, Minas Gerais, Sao Paulo, Goiás, Mato Grosso, Río Grande do Sul, Santa Catarina und Mato Grosso do Sul. Andererseits erfolgt 60% des Zuckerrohranbaus, einer Pflanzenart, die nicht in Fruchtfolge mit anderen Pflanzungen angebaut werden kann, im Bundesstaat Sao Paulo und außerdem wird diese in den Bundesstaaten Paraná, Pernambuco und Alagoas angebaut.

Die Motoren von Traktoren, Erntemaschinen und Schwertransportern zur Erntemechanisierung würden in wachsendem Maße Kraftstoffe verbrauchen. Die zunehmende Mechanisierung würde nicht dazu beitragen, die Erderwärmung zu verhindern. Das ist etwas, was von den Spezialisten bewiesen wurde, die seit mehr als 150 Jahren die Jahrestemperatur messen.

Aber Brasilien erzeugt ein ausgezeichnetes Nahrungsmittel, das besonders reich an Proteinen ist, die Soja: fünzig Millionen einhunderfünfzehntausend (50 115 000) Tonnen und exportiert siebenundzwanzig Millionen dreihunderttausend (27 300 000). Heißt das etwa, dass ein Großteil dieser Soja in Biokraftstoff verwandelt werden wird?

Schon unmittelbar jetzt beginnen die Rinderzüchter sich zu beschweren, dass die als Weiden angebauten Flächen in Zuckerrohrfelder umgewandelt werden.

Der ehemalige Landwirtschaftsminister von Brasilien, Roberto Rodríguez, - ein wichtiger Verteidiger der jetzigen Regierungspolitik und jetzt Mitvorsitzender der Interamerikanischen Äthanol-Kommission, die 2006 auf der Grundlage eines Abkommens mit dem Bundesstaat der Florida und der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB) geschaffen wurde, um die Verwendung von Biokraftstoffen auf dem amerikanischen Kontinent zu fördern - erklärte, dass das Mechanisierungsprogramm der Zuckerrohrernte nicht mehr Jobs schaffen wird, sondern dass im Gegenteil ein Überschuss an unqualifiziertem Personal entstehen wird.

Es ist bekannt, dass die ärmsten Arbeiter aus den verschiedenen Staaten aus dringender Notwendigkeit zur Zuckerrohrernte kommen. Manchmal sind das Menschen, die sich viele Monate lang von ihren Familien trennen müssen. So geschah es in Kuba vor dem Sieg der Revolution, als das Zuckerrohr per Hand geschnitten und eingebracht wurde und es kaum mechanische Anbauweise und Beförderung gab. Als das brutale, unserer Gesellschaft aufgezwungene System verschwand, verließen die Zuckerrohrarbeiter, die massenweise alphabetisiert worden waren, ihr Herumwandern in wenigen Jahren und es wurde notwendig, sie durch hunderttausende freiwillige Arbeitskräfte zu ersetzen.

Zu all dem kommt noch der letzte Bericht der Vereinten Nationen über die Klimawechsel hinzu, in dem bestätigt wird, was in Südamerika in dem Maße mit dem Wasser der Gletscher und dem Grundwasserbecken des Amazonas geschehen wird, in dem die Temperatur weiter steigen wird.

Es gibt kein Hindernis dafür, dass das US-amerikanische und europäische Kapital die Biokraftstofferzeugung finanziert. Sie könnten sogar Brasilien und Lateinamerika die Fonds schenken. Die Vereinigten Staaten, Europa und die anderen Industrieländer würden jedes Jahr mehr als einhundertvierzig Milliarden Dollar einsparen, ohne sich um die Folgen für das Klima und den Hunger zu sorgen, die in erster Linie den Ländern der Dritten Welt schaden würden. Sie würden immer Geld für den Biokraftstoff übrig haben und um zu jedem Preis die wenigen auf dem Weltmarkt zur Verfügung stehenden Nahrungsmittel zu erwerben.

Eine sofortige Energierevolution ist unbedingt notwendig. Diese besteht nicht nur im Ersatz aller Glühlampenbeleuchtungen, sondern auch im massenhaften Recycling aller Haushaltsgeräte, der Gerätschaften und Anlagen in Handel, Industrie, Verkehrswesen und des gesellschaftlichen Gebrauchs, die mit den althergebrachten Technologien zwei- und dreimal mehr Energie verbrauchen.

Es ist schmerzhaft daran zu denken, dass jährlich 10 Milliarden Tonnen fossiler Kraftstoffe verbraucht werden. Das bedeutet, dass jedes Jahr das verschwendet wird, wozu die Natur eine Million Jahre benötigte, um es zu schaffen. Die Volkswirtschaften haben enorme Aufgaben zu erfüllen und hiermit die Beschäftigungszahlen zu erhöhen. So könnte etwas Zeit gewonnen werden.

Eine Wirtschaftsrezession in den Vereinigten Staaten ist ein weiteres Risiko für die Welt, aber von anderer Art. In den letzten Tagen haben die Dollar jeden Rekord an Wertverlust geschlagen. Aus dieser Papierwährung und den US-amerikanischen Bons setzen sich die meisten konvertierbaren Devisenwährungen aller Länder zusammen.

Morgen, am Ersten Mai, ist ein guter Tag, diese Überlegungen den Werktätigen und allen Armen der Welt nahe zu bringen, und zwar zusammen mit dem Protest gegen ein ebenso unwahrscheinliches und beleidigendes Ereignis wie das folgende: die Freilassung eines Monsters des Terrorismus, gerade jetzt, wo der 46. Jahrestag des Revolutionären Sieges von Playa Girón (Schweinebucht) begangen wird.

Gefängnishaft für den Henker!

Freiheit für die Fünf Helden!

Fidel Castro Ruz

30. April 2007

18.34 Uhr