Sonntag, 20. April 2008

Frieden und Wohlstand

Reflexionen des Genossen Fidel: Frieden und Wohlstand

Papst Benedikt der XVI. hat Brown, den englischen Premierminister, entthront, welcher Blair abgelöst hatte, den ich vor 10 Jahren bei einer Tagungspause der Zweiten WTO-Konferenz nach seiner Rede kennen lernte, wo ich ein paar Minuten mit ihm sprach, wobei ich ihm gegenüber meine Nichtübereinstimmung bezüglich eines falschen Ausdrucks über die soziale Lage der englischen Kinder zum Ausdruck brachte. Aufgrund der Stimme von Brown, seiner Argumente und dem von ihm bei seiner Pressekonferenz unter Anwesenheit von Bush angeschlagenen Ton erschien er mir so selbstgefällig wie sein Vorgänger an der Spitze der Labor Party. Die Tätigkeit des neuen Premierministers von Großbritannien war durch die Tatsache, dass sie mit dem Papstbesuch zusammenfiel, dieselbe wie die eines Regierungschefs einer Bananenrepublik.

Benedikt XVI. widmete dem 13. April besondere Aufmerksamkeit, dem Tag, an dem vor 65 Jahren die Verbrennung von über tausend Gefangenen im Ort Gardelegen geschah, und der zum Gedenktag des vom jüdischen Volk in Nazi-Deutschland erlittenen Märtyrertums wurde, einer menschlichen Tragödie, die Jahre dauerte.

Bush empfing ihn im US-Luftwaffenstützpunkt Andrews, eine ungewöhnliche Geste. Benedikt XVI. ist während seiner Amtszeit als deutscher Bischof sehr konservativ und allergisch gegenüber Veränderungen in der Sozialpolitik und den internen Regeln seiner Kirche gewesen. Die große Presse der Vereinigten Staaten war zu Beginn unerbittlich und bezeichnete die Katholische Kirche ausgehend von den Disziplinverstößen gegen die für die Gläubigen festgelegten Normen als dekadente Religion.

Sein Besuch fiel ebenfalls mit dem 81. Jahrestag seiner Geburt zusammen. Bush sang ihm an diesem 16. zuvorkommend und aufmerksam Las mañanitas (mexikanisches Morgenlied).

Der Papst handelte ohne Zweifel intelligent. Er begann seinerseits seit Beginn seines Besuchs anzugreifen. Trotz der 81 Jahre, die er wenige Stunden später alt werden würde, ging er die Gangway nur leicht seine Hand auf dem Geländer der steilen Treppe stützend hinunter und die letzten Stufen tat er es vollkommen frei. Er ist von kleinem Wuchs und offensichtlich wiegt er die Hälfte von Bush. Er hat einen leichten Gang. Er unterbrach keinen Augenblick das Lächeln und den Glanz seiner Augen und begann unmittelbar, sich der Erfüllung eines Programms zu widmen, das selbst jeden 18jährigen Besucher erschöpft hätte. Die Fernsehsender haben seinen Besuch ganz groß aufgemacht.

Der Papst hat Universitäten besucht, ein katholisches Kulturzentrum, das ausdrücklich zu diesem Anlass erbaut wurde; traf sich mit Vertretern von hunderten von katholischen Schulen und Universitäten dieses enormen Landes. Der Chef des Imperiums würde sich nicht trauen, vom Vatikan-Staat solch eine “neue Verfassung und solche freie Wahlen” zu fordern, wie er sie für Kuba vorgesehen hat.

Als Führer einer Kirche inmitten des von den Vereinigten Staaten gegen die Muslime ausgelösten Krieges war seine Botschaft ökumenisch und den Frieden begünstigend.

Er traf sich mit Vertretern von Kulten, deren Kirchen bei Milliarden Menschen Einfluss besitzen. Die Führer der jüdischen Religion haben ihn warmherzig empfangen. Natürlich haben diese das kapitalistische System der Vereinigten Staaten idealisiert. Einer der Rabbiner von Miami behauptete, dass 90 Prozent der Juden von Kuba in jene Stadt umgezogen sind; er hätte klarstellen sollen, dass dies nicht deshalb geschah, weil wir sie verfolgt hätten oder man ihnen in den Vereinigten Staaten Visa erteilt hätte, sondern weil sie ihr von der Revolution ermöglichtes Recht, auf sichere Art und Weise zu reisen, in Anspruch genommen haben und – wie viele Kubaner anderen ethnischen Ursprungs – materielle Vorteile suchten, die sie im kolonisierten Kuba nicht hatten erreichen können.

Hier blieb die jüdische Synagoge geöffnet und wurde respektiert, und ihre Vertreter treffen sich, zusammen mit den anderen Kirchen, mit den Führungskräften der Partei und der revolutionären Regierung, einschließlich mit den höchstrangigen.

In den Vereinigten Staaten wurde der Papstbesuch in der Synagoge sehr gepriesen. Es ist das dritte Mal, dass ein Papstbesuch in solch einer jüdischen religiösen Einrichtung stattfindet. Der erste war der von Johannes Paul II. in einer Synagoge von Polen; anschließend der von Benedikt XVI. in einer von Deutschland und jetzt dieser in New York, was gleichzeitig der erste in jenem Land ist.

Besondere Bedeutung hat es, im Namen des Rechts auf den Glauben, das Recht zu leben zu fordern. In seiner Eigenschaft als Religionsführer einer mächtigen und in vielen Ländern der Welt stark verwurzelten Kirche sprach Benedikt XVI. vor der Organisation der Vereinten Nationen:

“…Wunsch nach Frieden, Suche nach Gerechtigkeit, Respekt für die Menschenwürde, humanitäre Zusammenarbeit und Unterstützung - drücken das eigentliche Streben des menschlichen Geistes aus.“

“…Entwicklungsziele, Verringerung von lokalen und globalen Ungleichheiten, Schutz von Umwelt, Ressourcen und Klima verlangen von allen internationalen Führern ein Zusammenwirken und die Bereitschaft, in gutem Glauben zu handeln, das Gesetz zu respektieren und Solidarität mit den schwächsten Regionen der Welt zu fördern.“

“Wir denken an die Art und Weise, wie manchmal die Ergebnisse der wissenschaftlichen Recherche und der technologischen Fortschritte verwendet worden sind.”

Diese Rechte “…gründen auf dem Naturrecht, das in die Herzen der Menschen eingeschrieben und das in unterschiedlichen Kulturen und Zivilisationen gegenwärtig ist.”

“…der Grundsatz: tu nicht anderen das an, was du nicht angetan haben möchtest, kann auf keinen Fall verändert werden, unabhängig davon, wie groß die Nationenvielfalt auch sei.”

„Meine Anwesenheit in dieser Versammlung ist Zeichen der Wertschätzung für die Vereinten Nationen und ist als Ausdruck der Hoffnung gemeint, dass die Organisation immer mehr als Zeichen der Einheit zwischen den Staaten und als Instrument des Dienstes an der gesamten Menschheitsfamilie nützen kann.“

Im Abschluss rief er auf Englisch, Französisch, Spanisch, Arabisch, Chinesisch und Russisch aus: “Friede und Wohlstand mit Gottes Hilfe!”

Obwohl es nicht leicht ist, die Denkweise des Vatikans bezüglich jener dornigen Themen zu ergründen, die in einer Welt angesprochen werden, in welcher der Präsident der Vereinigten Staaten und seine reichen und hoch entwickelten Verbündeten einen blutigen Krieg gegen die Kultur und Religion von über einer Milliarde Menschen im Namen des Kampfes gegen den Terrorismus aufgezwungen haben und in dem die Folter, die Plünderung und die gewaltsame Eroberung der fossilen Brennstoffe und der Rohstoffe vorherrscht, ist das vom Papst Gesagte genau das Gegenteil von der Politik der Brutalität und Gewalt, welche der Sänger von Las Mañanitas anwendet.

In den folgenden Tagen müssen die Völker von Lateinamerika zwei Tragödien die Stirn bieten: der von Paraguay und der von Bolivien. Einer von ihnen aufgrund der heute, Sonntag 20. April, stattfindenden Wahlen, wo ein ehemaliger katholischer Bischof mit der Mehrheit des Volkes zählen kann – wie seriöse Umfragen ergaben – und die Ablehnung gegenüber einem Wahlbetrug sicher ist; der anderen aufgrund der drohenden realen Teilung seines Gebiets, was in dem schon viel Leid erlittenen Land zu brudermörderischen Kämpfen führen würde.

Benedikt XVI. kehrt heute nach Rom zurück. Die schönen und beeindruckenden Gesänge in den Gottestempeln haben aufgehört. Jetzt wird man weiter die verhassten und unaufhörlichen Detonationen der Waffen hören.



Fidel Castro Ruz

20. April 2008
19:42 Uhr

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