Samstag, 5. Juli 2008

Der römische Frieden

Die von mir verwendeten Angaben wurden vor allem den Erklärungen des Botschafters der Vereinigten Staaten in Kolumbien, William Brownfield, der Presse und dem Fernsehen jenes Landes, der internationalen Presse und anderen Quellen entnommen. Der verschwenderische Aufwand an angewandter Technologie und finanziellen Mitteln ist beeindruckend.

Während die hohen militärischen Befehlshaber von Kolumbien bemüht waren, darauf zu verweisen, dass die Operation zur Befreiung von Ingrid Betancourt eine vollkommen kolumbianische war, erklären die Regierungsvertreter der Vereinigten Staaten, dass sie „das Ergebnis langjähriger intensiven militärischen Zusammenarbeit zwischen den Armeen von Kolumbien und von den Vereinigten Staaten war.”

„Es ist uns wirklich gelungen, auf eine Art und Weise im Einklang miteinander zu stehen, die wir selten in den Vereinigten Staaten erreicht haben, ausgenommen mit unseren alten Verbündeten, besonders mit denen der NATO’, verwies Brownfield, indem er sich auf die Beziehungen zu den kolumbianischen Sicherheitskräften bezog, die seit dem Jahr 2000 über 4 Milliarden Dollar Militärhilfe erhalten haben.”

„…bei mehreren Gelegenheiten musste die Regierung der Vereinigten Staaten Entscheidungen bezüglich der Operation auf höchster Ebene treffen.“

„Die US-amerikanischen Spionagesatelliten haben dazu beigetragen, die Geiseln während einer Zeitspanne von einem Monat zu lokalisieren. Diese begann am 31. Mai und endete mit der Befreiung am Mittwoch.“

„Die Kolumbianer haben Videoüberwachungsgeräte installiert, welche ihnen die Vereinigten Staaten zukommen lassen hatten. Diese können ferngesteuert Annäherungen und Gesamtansichten entlang der Flüsse machen, die die einzigen Beförderungswege durch die dichten Dschungelgebiete darstellen, gaben kolumbianische und US-Behörden an.“

„US-Aufklärungsflugzeuge haben Gespräche der Rebellen über Funk und mobiles Funktelefon aufgefangen und haben Bilder verwendet, die das Dschungeldickicht durchdringen können.”

„Der Überläufer wird eine bedeutende Summe der circa einhundert Millionen Dollar erhalten, welche die Regierung als Belohnung ausgesetzt hatte’, erläuterte der Oberbefehlshaber der kolumbianischen Armee.”


Am Mittwoch, dem 1. Juli, veröffentlichte die BBC aus London, dass César Mauricio Velásquez, Sprecher des Casa de Nariño berichtete, dass Beauftragte aus Frankreich und der Schweiz eine Zusammenkunft mit Alfonso Cano, Befehlshaber der FARC (Revolutionäre Streikträften Kolumbiens), gehabt hatten.

Laut BBC sei das der erste Kontakt mit internationalen Vertretern, den der neue Befehlshaber nach dem Tod von Manuel Marulanda akzeptierte. Die Falschinformation über das Treffen von zwei europäischen Abgesandten mit Cano war von Bogota aus übermittelt worden.

Der verstorbene Anführer der FARC wurde laut Aussage seines Vaters am 12. Mai 1932 geboren. Als liberaler Bauer einfacher Herkunft, Anhänger von Gaitán, begann er seinen bewaffneten Widerstand vor 60 Jahren. Er war noch vor uns Guerrillero (Partisan) und er war es in Reaktion auf die von der Oligarchie unter den Bauern verübten Gemetzel.

Die Kommunistische Partei ― in die er später eintrat ― stand, wie alle anderen von Lateinamerika, unter dem Einfluss der Kommunistischen Partei der UdSSR und nicht unter dem der von Kuba. Sie waren solidarisch mit unserer Revolution, aber keine Befehlsempfänger.

Die Drogenhändler und nicht die FARC waren diejenigen, die den Terror in jenem Bruderland ausgelöst haben, und zwar bei ihren Kämpfen um den Markt der Vereinigten Staaten, bei denen sie nicht nur potente Bomben, sondern sogar ganze Lastwagen voller Plastiksprengstoffe explodieren ließen, die Einrichtungen zerstörten und unzählige Menschen verletzten bzw. töteten.

Die Kommunistische Partei von Kolumbien hatte nie die Machtergreifung durch Waffengewalt zur Zielstellung. Die Guerilla war eine Widerstandsfront, nicht das Hauptinstrument zur Eroberung der revolutionären Macht, wie es in Kuba war. Im Jahr 1993, zur achten Konferenz der FARC, wird beschlossen, sich von der Kommunistischen Partei zu trennen. Ihr Chef, Manuel Marulanda, übernahm die Leitung der Guerillas jener Partei, die sich immer durch ein hermetisches Sektierertum bei der Zulassung von Kämpfern und eiserne Methoden und strenge Kompartimentierung in der Befehlsgewalt ausgezeichnet haben.

Marulanda, von bemerkenswerter natürlicher Intelligenz und mit Führungseigenschaften, hatte jedoch keine Ausbildungsmöglichkeiten als junger Mensch. Gemäß Verlautbarungen konnte er nur bis zur 5. Klasse in die Schule gehen. Er plante einen sehr langen Kampf, einen Standpunkt, den ich nicht teilte. Ich hatte nie die Möglichkeit, einen Meinungsaustausch mit ihm zu führen.

Die FARC erreichten eine bedeutende Kraft und zählten zu einem bestimmten Zeitpunkt über 10.000 Kämpfer. Viele wurden während des Krieges selbst geboren und haben nichts Anderes kennen gelernt. Andere linke Organisationen rivalisierten im Kampf mit den FARC. Schon damals war das Gebiet von Kolumbien zur größten Quelle der Kokainherstellung der Welt geworden. Die äußerste Gewalt, die Entführungen, die Steuern und Forderungen an die Drogenhersteller verallgemeinerten sich.

Die paramilitärischen Kräfte, die von der Oligarchie bewaffnet worden waren und deren Kräfte sich von der enormen Anzahl von Männern nährte, die jedes Jahr nach ihrem Dienst aus der Armee entlassen wurden, ohne eine sichere Arbeitsstelle zu haben, haben in Kolumbien eine so komplexe Situation geschaffen, dass es nur einen einzigen Ausweg gab: den wirklichen Frieden, auch wenn dieser weit entfernt und schwer zu erreichen war, wie viele Zielstellungen der Menschheit. Das ist die Option, die Kuba während drei Jahrzehnten in jener Nation verteidigt hat.

Während die kubanischen Journalisten auf ihrem 8. Kongress über die neuen Technologien der Information, die Prinzipien und die Ethik der Vertreter der sozialen Kommunikation diskutieren, stellte ich Überlegungen zu den aufgezeigten Geschehnissen an.

Ich habe ganz klar unsere Haltung im Dienste des Friedens in Kolumbien zum Ausdruck gebracht, aber wir sind weder für die ausländische militärische Intervention noch für die Politik der Gewalt, welche die Vereinigten Staaten um jeden Preis jenem arbeitsamen Volk auferlegen wollen, das viel Leid erfahren hat.

Ich habe energisch und offen die objektiv grausamen Methoden der Entführung und Zurückbehaltung von Gefangenen unter Dschungel-Bedingungen kritisiert. Aber ich lege niemandem nahe, die Waffen niederzulegen. Diejenigen, die dies in den letzten 50 Jahren getan haben, haben den Frieden nicht überlebt. Wenn ich mir die Freiheit nehme, den Guerilleros der FARC etwas anzuraten, dann einfach das, dass sie auf irgendeinem Wege dem Internationalen Roten Kreuz ihre Bereitschaft erklären, die noch in ihrer Gewalt befindlichen Entführten und Gefangenen freizulassen, ohne irgendeine Bedingung zu stellen. Ich beanspruche nicht, dass man auf mich hört; ich erfülle die Pflicht, zum Ausdruck zu bringen, was ich denke. Jegliche andere Haltung würde nur dazu dienen, um die Treulosigkeit und den Verrat zu belohnen.

Ich werde nie den römischen Frieden unterstützen, den das Imperium Lateinamerika aufzuzwingen beabsichtigt.

Fidel Castro Ruz

5. Juli 2008
20:12 Uhr

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